Vielbeachtete Studie zur iPS-Reprogrammierung zeigt, dass Oct4 nicht nur unnötig ist, sondern das Entwicklungspotenzial der iPS-Zellen sogar mindert
Das German Stem Cell Network (GSCN) prämiert jedes Jahr die beste deutschstämmige Publikation im Bereich der Stammzellforschung. Dieses Jahr erhalten Sergiy Velychko, Doktorand am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, und sein Mentor Hans Schöler den „GSCN 2020 Publication of the Year Award“. Sie veröffentlichten in November 2019 eine international vielbeachtete Studie in Cell Stem Cell. Die Auszeichnung ist mit 1.500 Euro dotiert. Velychko wurde eingeladen, im Presidential Symposium am 24. September 2020 einen Vortrag zu halten. Die Veranstaltung und somit auch die Verleihung des Awards findet dieses Jahr als Online-Veranstaltung statt.
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Die erstmals von Shinya Yamanaka entwickelte iPS-Technologie ermöglicht die Reprogrammierung adulter Zellen wie zum Beispiel Hautfibroblasten in einen Zustand, der embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) sehr ähnelt. Weil die erzwungene Überexpression von vier Transkriptionsfaktoren die Alleskönnerfähigkeit (Pluripotenz genannt) in ausgereiften Zellen induziert, werden die erzeugten Zellen induzierten pluripotenten Stammzellen (kurz iPS-Zellen) genannt.
Obwohl iPS-Zellen von vielen als ultimativer Ersatz für ES-Zellen angesehen werden, zeigten mehrere Studien auf, dass diese von ihrem Entwicklungspotenzial dem „Goldstandard“ von ES-Zellen nicht wirklich entsprechen. Der Reprogrammierungsprozess, also die Art, in der die Faktoren die epigenetische Landschaft der ausgereiften Zellen umkehren, löst häufig Fehler aus, was dazu führt, dass viele der mit den Yamanaka-Faktoren reprogrammierten iPS-Zelllinien nicht in der Lage sind, eine normale Differenzierung zu unterstützen. Die genaue Herkunft oder die Ursache, die diese Änderungen bewirkt, war bislang nicht bekannt.
Sergiy Velychko, Doktorand bei Hans Schöler, wollte die Rollen der verschiedenen Komponenten des Yamanaka-Cocktails (Oct4, Sox2, Klf4 und cMyc – OSKM) bei der Reprogrammierung zur Pluripotenz untersuchen und hat dazu viele Reprogrammierungsvektoren mit verschiedenen Kombinationen der Yamanaka-Faktoren erstellt.
Der junge Forscher wurde von den Ergebnissen überrascht: „Nicht nur konnte ausgerechnet der Vektor ohne Oct4, der eigentlich als negative Kontrolle dienen sollte, iPS-Zellen erzeugen.“
Andere Studien, die ein SKM-Konstrukt verwendeten, wiesen hingegen keine Reprogrammierung auf. „Wir fanden später heraus, dass die Diskrepanz zu früheren Studien durch die retroviralen Vektoren erklärt werden konnte, die Yamanaka und viele andere in ihren Experimenten verwendeten“, sagt Velychko. „Diese retroviralen Vektoren können sich selbst lahmlegen und dadurch den Reprogrammierungsprozess frühzeitig beenden.“
Dass die Reprogrammierung ohne Oct4 etwas weniger Kolonien mit einer gewissen Verzögerung erzeugten, ist dabei eher zweitrangig. Denn: „Im Vergleich zu den konventionellen OSKM-iPS-Zellen entstanden sogar bessere iPS-Zellen“, sagt Velychko.
„Wenn dies in menschlichen Zellen genauso funktioniert, hat dies große Implikationen für eventuelle klinische Anwendungen von iPS-Zellen,“ sagt Hans Schöler.
Die Studie von Sergiy Velychko in Cell Stem Cell (7. November 2019) fand weltweit große Beachtung: ‚The Scientist‘, ein Fachmagazin für Biowissenschaftlern mit Sitz in New York City titulierte die Studie „Top Technical Advances of 2019“, und ‚The Stem Cell Podcast‘ berichteten über seine Arbeit. Letztlich wählte die Fachzeitschrift Cell Stem Cell die Studie in den Top 10 der meistgelesenen Artikel in 2019 aus.
Über Sergiy Velychko
Sergiy Velychko erhielt seinen BSc in Biologie an der Nationalen Universität Kiew (Ukraine) und seinen MSc in Molekularer Biotechnologie an der Technischen Universität Dresden. Sergiy Velychko begann seine Doktorarbeit im Labor von Professor Hans R. Schöler am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin im Oktober 2012 und wird sie innerhalb von zwei Monaten beenden. Zu Velychkos wissenschaftlichen Hauptinteressen gehören Stammzellen, Entwicklung und Reprogrammierung des Zellschicksals. Er ist Co-Autor von 7 Artikeln und hat zwei Publikationen als Erstautor verfasst.
Über Hans Schöler
Den Lebenslauf von Hans Schöler finden Sie hier: https://www.mpi-muenster.mpg.de/29624/cv
Über das German Stem Cell Network
Das GSCN vernetzt seit 2013 in Deutschland arbeitende Stammzellforscher*innen national und international und vermittelt ihre Ergebnisse und Forschungen einer breiten Öffentlichkeit. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Präsentation herausragender Wissenschaftlerinnen finden beim GSCN eine besondere Beachtung.
Seit 2015 lobt die GSCN jährlich drei Auszeichnungen aus: den GSCN Young Investigator Award, den GSCN Female Investigator Award und den GSCN Publication of the Year. Die drei GSCN-Awards sind mit je 1.500 Euro dotiert und die Preisträger*innen halten im Presidential Symposium der Jahrestagung einen 30 minütigen Vortrag. Die diesjährige Annual GSCN Conference vom 23. bis 25. September 2020 findet als Online-Veranstaltung statt.
https://www.mpi-muenster.mpg.de/576232/20200827-gscn-publication-of-the-year
Sergiy Velychko
Sergiy Velychko
Hans Schöler
Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin / J. Müller-Keuker
Criteria of this press release:
Journalists
Biology
transregional, national
Contests / awards
German
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