Intelligenztests sind wichtige Instrumente zum Beispiel im Bildungswesen und bei der Personalauswahl. Forscher der Universität des Saarlandes und der Universität Luxemburg haben nun in zwei Experimenten mit über 300 Testpersonen herausgefunden, dass die Testwerte deutlich verbessert werden können, wenn die Teilnehmer zuvor ein Erklär-Video geschaut haben. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift „Intelligence“ veröffentlicht.
Es ist ein ähnliches Szenario wie in der Schule: „Wenn ich vor einer Lateinarbeit zufällig die richtigen Vokabeln und die passende Grammatik für die zu übersetzende Passage aus ‚De bello Gallico‘ gelernt habe, hatte ich Glück und habe eine gute Note bekommen“, sagt Jörn Sparfeldt. Ein Schüler, der sich derart auf die Klausur vorbereitet hat, hat vermutlich die grundlegenden Prinzipien und Hintergründe der Textpassage verstanden.
Der Bildungswissenschaftler und Psychologe der Universität des Saarlandes hat nun gemeinsam mit seinem Doktoranden Benedikt Schneider und den Kollegen Nicolas Becker, Florian Krieger (ehemals Universität des Saarlandes jetzt Universität Luxemburg) und Frank Spinath, der differentielle Psychologie an der Universität des Saarlandes lehrt, figurale Matrizentests genauer unter die Lupe genommen. Bei diesen Aufgaben soll die Testperson bei geometrischen Figuren, von denen einige vorgegeben sind, die letzte Figur logisch vervollständigen – zum Beispiel einen Pfeil, der von Bild zu Bild um 90 Grad im Uhrzeigersinn gedreht wird. Solche Aufgaben sind Teil vieler Intelligenztests, wie sie etwa in der Bildungsforschung, der Hochbegabtendiagnostik und im Personalwesen eingesetzt werden. Schaut man vorher Videos, in welchen die Grundregeln dieser Matrizentests erklärt werden, schneidet man anschließend deutlich besser im Intelligenztest ab, wie die Forscher nun herausgefunden haben.
Was zunächst banal und einleuchtend klingt, hat allerdings einen praxisrelevanten Hintergrund. Denn durch den allumfassenden Zugang, beispielsweise zu Lehr- und Erklärvideos im Internet, können sich Probanden, die einen Test absolvieren müssen, einen Vorteil verschaffen, der das Ergebnis massiv verfälschen könnte. Ähnlich wie der Schüler, der eine gute Note schreibt, weil er eben die richtigen Vokabeln und Grammatikregeln für die Stelle aus „De bello Gallico“ gelernt hat, können solche Video-Tutorials die Ergebnisse von bestimmten Intelligenztests verfälschen. Ein guter Lateinschüler ist er deshalb aber zwangsläufig noch nicht. Genauso wie der im IQ-Test gut abschneidende Proband noch lange nicht intelligenter sein muss als eine andere Testperson, die solch ein Video nicht gesehen hat und im Test schlechter abschneidet.
„Um genau herauszufinden, wie sich ein Video auswirkt, das die Methodik figuraler Matrizen erklärt, haben wir zwei Experimente gemacht“, erklärt Benedikt Schneider, Mitarbeiter von Professor Sparfeldt und Erstautor der Studie. „Wir haben im ersten Experiment eine Testgruppe und eine Kontrollgruppe von jeweils 56 Personen untersucht, in einem zweiten Experiment wiederum zwei Gruppen zu 114 und 115 Personen“, so der Doktorand. Die Testgruppe durfte vor einem Matrizentest ein Video-Tutorial anschauen, das die zugrunde liegenden logischen Regeln eines Matrizentests erklärt. In der Zwischenzeit schaute die Kontrollgruppe ein für den Test komplett irrelevantes Video über Ernährung. „Im anschließenden Intelligenztest hat die Kontrollgruppe, die das Ernährungsvideo geschaut hat, im Schnitt 9,4 Aufgaben richtig gelöst. Die Testgruppe hingegen, die das Video-Tutorial zu sehen bekommen hat, hat 17,6 Aufgaben im Schnitt richtig gelöst“, erklärt Benedikt Schneider das Ergebnis.
Man könnte daher Intelligenztests generell kritisieren. Jörn Sparfeldt erklärt aber, warum Intelligenztests kein „Murks“ sind, wie er sagt. Dazu zieht er einen weiteren Vergleich aus seiner schulischen Vergangenheit heran: „Ich war ein fauler Latein-Schüler. Manchmal habe ich dann am Tag der Klassenarbeit ein Fieberthermometer an die Heizung gehalten und meiner Mutter so vorgegaukelt, dass ich Fieber habe. Dann durfte ich daheim bleiben und musste die Arbeit nicht mitschreiben. Aber: Aus diesem Verhalten würde nun niemand den grundsätzlichen Schluss ziehen, dass Fiebermessen irrelevanter Murks ist“, so der Bildungswissenschaftler.
Ein wichtiges Fazit aus der Untersuchung der Forscher lautet, dass man bei der Interpretation der Ergebnisse im Intelligenztest immer die Randbedingungen im Einzelfall beachten muss. Dass Video-Tutorials tatsächlich einen gravierenden Einfluss auf bestimmte Testergebnisse haben können, könnte ein Hinweis für die Anbieter solcher Tests sein, diese so zu gestalten, dass entweder alle oder keine der teilnehmenden Personen Gelegenheit haben sollten, sich eingehend auf den Test vorbereiten zu können.
Übrigens: Die Probanden aller Testgruppen haben vor dem eigentlichen Experiment einen anderen Intelligenztest bearbeitet – alle unter einheitlichen Bedingungen. In diesem Intelligenztest unterschieden sich beide Gruppen, Video-Schauer und Kontrollgruppe, nicht in den Ergebnissen. Allerdings lässt dieser einheitliche Test eine bemerkenswerte Erkenntnis zu: Diejenigen, die im anschließenden Experiment in ihrer jeweiligen Gruppe – also innerhalb der Kontroll- oder Testgruppe – besser abgeschnitten haben, waren auch diejenigen, die im Test davor besser waren. Anders gesagt: Intelligenztests sind nach wie vor sinnvoll - und nützlich!
Benedikt Schneider
Tel.: (0681) 3023534
E-Mail: benedikt.schneider1@uni-saarland.de
Prof. Dr. Jörn Sparfeldt
Tel.: (0681) 30257490
E-Mail: j.sparfeldt@mx.uni-saarland.de
Schneider, B., Becker, N., Krieger, F., Spinath, F.M. & Sparfeldt, J.R. (2020). Teaching the underlying rules of figural matrices in a short video increases test scores. Intelligence, 82, 101473. https://doi.org/10.1016/j.intell.2020.101473
Benedikt Schneider
Thorsten Mohr
Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Jörn Sparfeldt
Thorsten Mohr
Universität des Saarlandes
Criteria of this press release:
Journalists
Psychology, Teaching / education
regional
Research results, Scientific Publications
German
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