idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/28/2020 17:22

Überschüssiger Zucker dient Weißer Fliege zur Entgiftung von Pflanzenabwehrstoffen

Angela Overmeyer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

    Die Pflanzensaft saugende Weiße Fliege Bemisia tabaci kann den Verteidigungsmechanismus von Kreuzblütengewächsen bei Befall aktivieren. Die Weiße Fliege ist allerdings in der Lage, einen Großteil der Abwehrstoffe mithilfe von überschüssigem Zucker, den sie ohnehin verstoffwechseln muss, unschädlich zu machen. Das Insekt nutzt für die Entgiftung der Pflanzenabwehrstoffe einen völlig neuen, bislang noch nicht beschriebenen Entgiftungsmechanismus, der den Erfolg des Schädlings erklären könnte.

    Weltweit gefürchteter Ernteschädling an Hunderten von Pflanzenarten

    Weiße Fliegen sind Mottenschildläuse, eine Familie der Pflanzenläuse, die sich vom zuckerhaltigen Saft vieler Pflanzenarten ernähren. Weltweit besonders verbreitet und als Landwirtschaftsschädling sehr gefürchtet ist die Tabakmottenschildlaus Bemisia tabaci. Genau genommen handelt es sich nicht um eine einzige Art, sondern um einen Komplex von ca. zwei Dutzend kaum voneinander unterscheidbarer Arten. Der eigentliche Schaden an den Pflanzen entsteht, wenn die Insekten süßen Honigtau ausscheiden, der die Besiedelung der Pflanzen durch Pilze nach sich zieht, und durch eine Reihe von Pflanzenviren, die der Schädling überträgt. Da sich die Forschenden mit den Entgiftungsmechanismen von Pflanzenschädlingen beschäftigen, ist Bemisia tabaci ein sehr interessantes Studiensystem. „Dieser Schädling ist vermutlich das erfolgreichste pflanzensaftsaugende Insekt der Welt, das sich von Hunderten Pflanzenarten ernährt. In seiner Nahrung trifft es auf viele unterschiedliche chemische Abwehrstoffe,“ sagt Michael Easson, einer der beiden Erstautoren der Studie, der am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie als Doktorand arbeitet. Daher wollte er zusammen mit einem internationalen Forschungsteam, an der die Hebrew University of Jerusalem maßgeblich beteiligt ist, herausfinden, was den Schädling so erfolgreich macht und wie er mit der chemischen Verteidigung seiner Nahrungspflanzen umgeht.
    Das Team um Projektgruppenleiter Daniel Vassão in der Abteilung Biochemie am Max-Planck-Institut forscht seit einigen Jahren an den Entgiftungsmechanismen unterschiedlicher Pflanzenfresser. Von besonderem Interesse ist dabei, wie Insekten die sogenannten Senföl-Bombe der Kreuzblütengewächse entschärfen: Dieser pflanzliche Verteidigungsmechanismus besteht aus zwei Komponenten, Senfölglykosiden und dem Enzym Myrosinase, die in unterschiedlichen Pflanzenzellen gelagert werden. Wird das Gewebe bei Insektenfraß verletzt, spaltet das Enzym Glucose-Zucker von den Senfölglykosiden ab und es kommt zur Bildung giftiger Senföle. Da Pflanzenläuse Blattgewebe nicht zerkauen, sondern mit ihren schmalen Saugrüsseln nur wenig Schaden am Gewebe anrichten, war man bisher davon ausgegangen, dass dieser Abwehrmechanismus beim Schutz der Pflanzen vor Pflanzenläusen nur eine untergeordnete Rolle spielt. Untersuchungen hatten allerdings zuletzt Hinweise darauf geliefert, dass nicht nur kauende, sondern auch saugende Insekten die Senföl-Bombe aktivieren können.

    Neuartiger Entgiftungsweg

    Die Wissenschaftler verwendeten die Modellpflanze Arabidopsis thaliana, ein Kreuzblütengewächs, dessen Verteidigung auch auf Senfölglykosiden beruht. Sie untersuchten den Stoffwechsel der Weißen Fliege genauer, vor allem den Honigtau, das zuckerhaltige Ausscheidungsprodukt von Pflanzenläusen, mittels chemischer Analysen und Isotopenmarkierung einzelner chemischer Verbindungen. Die Forscher waren überrascht, dass der Verteidigungsmechanismus von Arabidopsis thaliana durch die Weiße Fliege tatsächlich aktiviert wurde und sich giftige Senföle gebildet hatten. Sie fanden aber auch heraus, dass der biochemische Reaktionsweg, der zur Entgiftung führt, eine völlig neuartige Reaktion ist, bei der Zucker aus dem Pflanzensaft zur Entschärfung der giftigen Pflanzenabwehrstoffe verwendet wird. „Diese Reaktion ist für die Insekten im Grunde mit keinerlei Kosten verbunden, da dieser Zucker in einem solchen Überschuss vorhanden ist und als Honigtau sowieso ausgeschieden werden muss,“ stellt Studienleiter Daniel Vassão fest.
    Die Entgiftung beruht auf einer einfachen Reaktion, in der Zucker in Form einer Glucose-Gruppe an einen anderen Zucker gebunden wird, der bereits ein Teil des Senfölglykosids ist. Die Forscher vermuten, dass das dadurch entstandene neue chemische Produkt vom Pflanzenenzym nicht mehr aktiviert werden kann, weil es zu sperrig ist geworden ist.

    Für diese neue Form der Glucosylierung konnten die Forscher die Enzyme in Bemisia tabaci identifizieren, die die chemische Reaktion katalysieren. Sie waren erstaunt, wie vielfältig die Entgiftungswerkzeuge dieses Insekts sind. Obwohl sie sich nur auf eine einzige Klasse pflanzlicher Abwehrstoffe, die Senfölglykoside, konzentrierten, konnten sie bereits mindestens drei unabhängige Wege zur Entgiftung finden. „Es wird interessant sein herauszufinden, wie allgemein diese Entgiftungswege sind und ob die Weiße Fliege für andere Pflanzenabwehrstoffe auch andere, jeweils spezifische Entgiftungsprozesse in ihrem Repertoire hat, und welche Enzyme diese Prozesse steuern,“ meint Vassão.

    Internationales Projekt zur Bekämpfung der Weißen Fliege in Afrika

    Die an der Studie beteiligten Forschenden sind an einem großen internationalen Projekt beteiligt, das die Bekämpfung der Weißen Fliege in Afrika, wo sie mit Maniok die Nahrungsgrundlage Tausender Kleinbauern bedroht, zum Ziel hat: Das Cassava Whitefly Project – Schädlingskontrolle für bäuerliche Kleinbetriebe in Afrika – wird von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung finanziert.


    Contact for scientific information:

    Dr. Daniel Giddings Vassão, Department of Biochemistry, MPI for Chemical Ecology, Jena, dgiddingsvassao@ice.mpg.de, phone: +49-3641-571000


    Original publication:

    Malka, O., Easson, M. L. A. E., Paetz, C., Götz, M., Reichelt, M., Stein, B., Luck, K., Stanisic, Aleksa, Juravel, K., Santos-Garcia, D., Mondaca, L. L., Springate, S., Colvin, J., Winter, S., Gershenzon, J., Morin, S., Vassão, D. G. (2020). Glucosylation prevents defense activation in phloem-feeding insects. Nature Chemical Biology, DOI: 10.1038/s41589-020-00658-6
    https://doi.org/10.1038/s41589-020-00658-6


    More information:

    http://www.ice.mpg.de/ext/index.php?id=press-releases&L=1


    Images

    Die Weiße Fliege Bemisia tabaci auf Maniok: Im südostafrikanischen Malawi bedroht der Schädling die Nahrungsgrundlage Tausender Menschen.
    Die Weiße Fliege Bemisia tabaci auf Maniok: Im südostafrikanischen Malawi bedroht der Schädling die ...
    Daniel G. Vassão

    Die Grafik zeigt die Entgiftungsreaktion in der Weißen Fliege.
    Die Grafik zeigt die Entgiftungsreaktion in der Weißen Fliege.
    Kimberly Falk


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Biology, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research projects
    German


     

    Die Weiße Fliege Bemisia tabaci auf Maniok: Im südostafrikanischen Malawi bedroht der Schädling die Nahrungsgrundlage Tausender Menschen.


    For download

    x

    Die Grafik zeigt die Entgiftungsreaktion in der Weißen Fliege.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).