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10/22/2020 11:01

Corona-Pandemie hat bisher nur kurzfristige Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit

Thorsten Mohr Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Im Frühjahr hat die beginnende Corona-Pandemie mit all ihren Folgen – Shutdown, wirtschaftliche Sorgen, Änderungen im Berufs- und Privatleben – die ganze Welt vor bisher unbekannte Herausforderungen gestellt. Diese Änderungen sowie die Allgegenwart der drohenden Erkrankung haben die Lebenszufriedenheit der Menschen aber bisher nicht grundlegend erschüttern können. Das haben Psychologen der Universität des Saarlandes in einer breit angelegten Umfrage herausgefunden.

    Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Reisewarnungen, Ansteckungsrisiken: Viele Dinge, an die wir uns während der Corona-Pandemie gewöhnen mussten, krempeln unser Leben gehörig um. Zu der Frage, ob diese Umwälzungen zu Beginn der Pandemie grundlegende Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit und das Stressempfinden der Menschen hatten, liegen bislang nur wenige Befunde vor. Psychologinnen und Psychologen der Universität des Saarlandes haben dies nun in einer aktuellen Studie untersucht.

    Ihre zentralen Erkenntnisse dürften Optimisten freuen: „Zu Beginn der Pandemie ist die mittlere Lebenszufriedenheit der Studienteilnehmer zwar zunächst geringfügig gesunken. Sie hat jedoch während unserer Befragungszeit auch wieder zugenommen“, sagt Julie Levacher, die gemeinsam mit Dr. Elisabeth Hahn die Studie am Lehrstuhl von Professor Frank M. Spinath geleitet hat. Die 199 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage blickten sogar positiv in die Zukunft. „Im Schnitt gingen die Befragten davon aus, in einem Jahr wieder zufriedener mit ihrem Leben sein zu können“, so die Psychologin weiter. Zeichnet man die Kurve der Lebenszufriedenheit über die fünf Befragungen von Ende März bis Mitte Mai, sieht man zunächst ein leichtes Absinken des Wertes für die Lebenszufriedenheit, gefolgt von einem Anstieg auf annähernd den Zufriedenheitswert vor der Pandemie. „An dieser Stelle sei erwähnt, dass es sich bei der Studie um einen Querschnitt der Gesellschaft handelt, während die gezeichnete Kurve den Durchschnitt aller widerspiegelt. Selbstverständlich gab es in der Befragung auch Teilnehmende, für die die Situation aus unterschiedlichsten Gründen schwieriger war“, berichtet Dr. Elisabeth Hahn.

    Beim Stressempfinden sah die Kurve anders aus und zeigte zudem einen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Sanken die Werte fürs Stressempfinden an vier Befragungsterminen von Ende März bis Ende April leicht, stiegen sie beim fünften Befragungstermin Mitte Mai wieder an. Dafür ist insbesondere ein stärkerer Anstieg des Stressempfindens bei Frauen verantwortlich. Über die Ursachen dafür kann bisher allerdings nur spekuliert werden: „Ein möglicher Grund könnte darin bestehen, dass viele Frauen aufgrund der Kita- und Schulschließungen vermehrt die Kinderbetreuung übernahmen. Außerdem fällt die stärkere Zunahme an Stress bei Frauen im Vergleich zu Männern nach der schrittweisen Lockerung der Beschränkungen auf. Auch hier könnte die oftmals bestehende Doppelbelastung von Frauen eine mögliche Ursache sein“, erwähnt Julie Levacher.

    Auch in anderen Faktoren fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler messbare Unterschiede in der Lebenszufriedenheit und im Stressempfinden. So waren zwar Angehörige einer Risikogruppe, die bei einer Infektion mit höherer Wahrscheinlichkeit schwer erkranken, genauso zufrieden wie die Befragten ohne gesteigertes Gesundheitsrisiko. „Das Stressempfinden war bei der Risikogruppe allerdings messbar höher“, sagt Dr. Elisabeth Hahn. „Gründe hierfür sind vor allem in der Angst vor einer möglichen Infektion zu sehen.“

    Auch die Befragten, die einer so genannten systemrelevanten Berufsgruppe angehören, also etwa Versorgungsdienstmitarbeiter oder Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeheimen, zeigten einen interessanten Verlauf. Sie waren im Frühjahr zwar einerseits zufriedener mit ihrem Leben, aber auch gestresster als die nicht systemrelevant Beschäftigten. Ein Grund für die hohe Zufriedenheit könnte die gestiegene Wertschätzung sein, die den systemrelevant arbeitenden Menschen entgegengebracht wurde. „Wir erinnern uns alle an jubelnde Menschen in Großstädten und den enormen Zusammenhalt der in der Anfangsphase der Pandemie spürbar war. Darüber hinaus ist es auch denkbar, dass Teilnehmer in systemrelevanten Berufen wirtschaftlich weniger bedroht waren als Beschäftigte in anderen Branchen“, interpretiert Julie Levacher die Ergebnisse.

    Das höhere Stressempfinden basiert hingegen nicht auf einer tatsächlichen Zunahme des Stresses bei den systemrelevant Beschäftigten. Vielmehr liegt es in der Abnahme des Stressempfindens bei den anderen Berufsgruppen begründet. „Hier sehen wir beispielsweise die positiven Auswirkungen der neu entdeckten Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, von denen allerdings überwiegend Angehörige aus nicht-systemrelevanten Berufen profitierten. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass sich die Stresswerte beider Gruppen Mitte Mai, bei der letzten Befragung und mit der Einführung von Lockerungen, nochmals angeglichen haben. Hier stieg das Stressempfinden der Personen mit nicht-systemrelevanten Berufen wieder deutlich an“, verdeutlicht Julie Levacher.

    Eine zentrale Erkenntnis des Psychologenteams lautet darüber hinaus, dass Menschen mit einer gefestigteren Persönlichkeitsstruktur, die also eher widerstandsfähig und weniger ängstlich sind, im Schnitt deutlich niedrigere Stress- und höhere Zufriedenheitswerte aufwiesen als eher unsichere Personen.
    Zudem fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass die Corona-Pandemie sogar zu einer Verbesserung der Persönlichkeitsorganisation führte. „Ein möglicher Grund hierfür könnte die Veränderung des Tagesablaufs sein: Neben dem häufigen Wegfall von Terminen und sozialen Verpflichtungen bot die Pandemie durch den Shutdown einen Rahmen, sich mal mit anderen Dingen und mehr mit sich selbst zu beschäftigen. Insgesamt konnten wir unsere Annahme, dass die Pandemie eher negative Konsequenzen auf unser Wohlbefinden hat, erfreulicherweise bisher nicht bestätigen“, resümiert Julie Levacher.

    Da die Corona-Pandemie weiterhin anhält und unser Leben beeinflusst, soll die Studie ausgeweitet werden und den Verlauf der Lebenszufriedenheit und des Stressempfindens auch weiterhin verfolgt werden. Nähere Informationen hierzu auf der Webseite www.coping-with-corona.de. Interessierte können sich dort auch gerne zur Teilnahme anmelden.


    Contact for scientific information:

    Julie Levacher, Dr. Elisabeth Hahn, PD Dr. Nicolas Becker, Prof. Dr. Frank M. Spinath – Kontaktaufnahme über E-Mail an julie.levacher@uni-saarland.de.


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Nutrition / healthcare / nursing, Psychology
    regional
    Research results
    German


     

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