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11/03/2020 07:57

Tiergesundheit: Dummerstorfer Wissenschaftler entwickeln Frühwarnsystem für trächtige Milchkühe

Norbert K. Borowy Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Nutzierbiologie (FBN)

    EU erkennt neuen Parameter für Stoffwechselstabilität als Patent an

    Im Zeitraum um die Geburt sind hochleistende Milchkühe starken Stoffwechselbelastungen ausgesetzt. Dies kann unter anderem zu Beeinträchtigungen des Immunsystems mit erhöhter Krankheitsanfälligkeit sowie zur Verminderung der Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens führen. Wissenschaftlerinnen am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie Dummerstorf (FBN) ist es erstmalig gelungen, einen physiologischen Marker zu identifizieren, der sichere Aussagen zur Stoffwechselstabilität von Milchkühen erlaubt. Dieser Forschungserfolg von PD Dr. Monika Röntgen und Dr. Sandra Erdmann wurde jetzt als europäisches Patent* anerkannt.

    Das Patent basiert auf innovativen Untersuchungen zur Herzfrequenzvariabilität (HRV) von hochleistenden Milchkühen, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert worden sind. „Bislang gibt es in der Nutztierhaltung von Milchkühen keine verlässlichen Werte, die eine vorausschauende Aussage zur Entwicklung ihrer Gesundheit nach dem Abkalben ermöglichen“, sagte Studienleiterin PD Dr. Monika Röntgen. „Durch die nicht-invasive Bestimmung eines einzigen Parameters können jetzt bereits vier Wochen vor dem Abkalben Milchkühe mit guter Stoffwechselstabilität, hoher Nahrungsaufnahme und Milchleistung sowie solche mit verringerter Stoffwechselstabilität und erhöhtem Krankheitsrisiko erkannt werden. Mit unserem Parameter haben wir eine wissenschaftliche Grundlage gelegt, um künftig die drei wichtigen Säulen Gesundheit, Tierwohl und Leistungsvermögen effektiver in Einklang zu bringen.“

    Schwellenwert markiert gesundheitliche Gefährdung

    Es hat sich gezeigt, dass hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit von Milchkühen an Stoffwechselbe-lastungen eine hohe Variabilität existiert. Im Unterschied zu Risikotieren können andere Tiere deutlich besser mit dieser Beanspruchung des Stoffwechsels umgehen, stellen sich schneller mit gezielten Regulationsprozessen darauf ein und bleiben gesund und leistungsfähig. „Wir haben daher nach Parametern, Biomarkern und Methoden gesucht, mit denen diese Gruppen frühzeitig, also bereits in der Trächtigkeit unterschieden werden können. Die rechtzeitige Erkennung von Risikokühen erlaubt vorbeugende Maßnahmen im Herdenmanagement und ist somit ein wichtiger Faktor zur Erhöhung des Tierwohls“, so die Veterinärmedizinerin.

    Bisher wird eine Vielzahl von Einflussgrößen, wie Stoffwechselparameter, Entzündungsfaktoren und Hormone genutzt, um den Körperzustand der Kühe in der Frühlaktation (Milchabgabe) zu ermitteln. Sie reflektieren den aktuellen Zustand der Tiere und erlauben die Diagnostik von bestehenden Erkrankungen, sind jedoch als Frühwarnsystem zur Beschreibung der Anpassungsfähigkeit an die Stoffwechselanforderungen nicht geeignet. Die nach dem Abkalben notwendige körperliche Anpassung der Kühe wird durch das Zusammenspiel einer Vielzahl von Regulationsmechanismen erreicht, wobei Hormone und das vegetative Nervensystem eine wichtige Rolle spielen. Die Aktivität des vegetativen Nervensystems kann nach Aufzeichnung von Elektrokardiogrammen (EKG-Kurven) durch mathematische Analyse der Herzfrequenzvariabilität (HRV) ermittelt werden.
    „Wir haben herausgefunden, dass sich Kühe mit normaler oder reduzierter Stoffwechselstabilität eindeutig in der Ausprägung des nichtlinearen HRV-Parameters Maxline (Lmax) unterscheiden“, so Röntgen. Ein weiterer entscheidender Vorteil im Gegensatz zu anderen Herzdaten sei die Unabhängigkeit des Parameters von aktuellen Einflüssen wie beispielsweise der Stoffwechsellage oder der Bewegungsaktivität der Kühe.
    „Mit dem wissenschaftlich fundierten Lmax-Schwellenwert steht dem Landwirt künftig ein Instrument zur Verfügung, mit dem trächtige Kühe mit erhöhtem Stresslevel und Erkrankungsrisiko vorausschauend erkannt und vorbeugende Maßnahmen eingeleitet werden können. Somit ist es auch möglich, betriebswirtschaftliche Risiken durch Behandlungskosten, Leistungsausfall und verringerte Fruchtbarkeit deutlich zu reduzieren.“

    Ausblick – wie geht es weiter?

    In einem nächsten Schritt soll in einer größeren Feldstudie die Praxiseinführung in der Milchrind- haltung erprobt werden. Die Herzfrequenz wird dazu mit einem während der Versuchsreihen am FBN speziell entwickelten Rinder-Gurt mit Elektroden und Sender aufgezeichnet und einer handelsüblichen Auswerteeinheit zugeleitet. Über eine Auswertungssoftware wird der individuelle Lmax-Wert der entsprechenden Milchkuh berechnet und anschließend mit dem Lmax-Schwellenwert verglichen. Der Rinderhalter erhält dann die Information über die Gruppenzuordnung.
    Für die Zukunft ist eine automatisierte Datenerfassung über Sensoren geplant. Darüber hinaus kann das Verfahren genutzt werden, um die Herdengesundheit und Zuchtstrategie langfristig durch Typisierung und Selektion weiblicher Tiere mit stabilem autonomen Regulationsvermögen und dadurch hoher Stoffwechselstabilität zu verbessern. „Unsere wissenschaftlichen Ergebnisse zeigen, dass solche Kühe in der Frühlaktation auch einen geringeren Stresslevel, ein höheres Nahrungsaufnahmevermögen und eine bessere Milchleistung aufweisen“, betonten die Wissenschaftlerinnen.

    *Patentnummer: EP 3459446, PVA7128, Status 2020/08
    Methode zur prädiktiven Identifizierung von Milchkühen mit reduzierter regulativer Kapazität und erhöhtem Krankheitsrisiko als Antwort auf Stoffwechselstress
    (METHOD FOR IDENTIFYING A FARM ANIMAL HAVING AN IMPAIRMENT OF REGULATIVE CAPACITY IN RESPONSE TO METABOLIC STRESS)

    Die Leibniz-Gemeinschaft
    Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 93 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 19.100 Personen, darunter 9.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.
    http://www.leibniz-gemeinschaft.de

    Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN)
    Vorstand Prof. Dr. Klaus Wimmers
    T +49 38208-68 600
    E wimmers@fbn-dummerstorf.de

    Institut für Muskelbiologie und Wachstum
    Leitung Prof. Dr. Steffen Maak
    T +49 38208-68 850
    E maak@fbn-dummerstorf.de
    Abteilung Wachstum und Entwicklung
    Leitung PD Dr. Monika Röntgen
    T +49 38208-68 682
    E roentgen@fbn-dummerstorf.de

    Wissenschaftsorganisation Dr. Norbert K. Borowy
    T +49 38208-68 605
    E borowy@fbn-dummerstorf.de
    http://www.fbn-dummerstorf.de


    Contact for scientific information:

    PD Dr. Monika Röntgen
    T +49 38208-68 682
    E roentgen@fbn-dummerstorf.de


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    PD Dr. Monika Röntgen sieht in dem neuen Parameter einen zuverlässigen Wert für das Wohlbefinden von Milchkühen, noch bevor das Kälbchen geboren ist.
    PD Dr. Monika Röntgen sieht in dem neuen Parameter einen zuverlässigen Wert für das Wohlbefinden von ...
    Foto: FBN
    Foto: FBN

    Die Herzfrequenzen von Milchkuh Sunny wurden mittels eines Gurtes erfasst und ausgewertet.
    Die Herzfrequenzen von Milchkuh Sunny wurden mittels eines Gurtes erfasst und ausgewertet.
    Foto: FBN
    Foto: FBN


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Nutrition / healthcare / nursing, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

    PD Dr. Monika Röntgen sieht in dem neuen Parameter einen zuverlässigen Wert für das Wohlbefinden von Milchkühen, noch bevor das Kälbchen geboren ist.


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    Die Herzfrequenzen von Milchkuh Sunny wurden mittels eines Gurtes erfasst und ausgewertet.


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