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11/23/2020 17:00

Nachweis ersten tierischen Lebens durch geologisch veränderte Algen-Moleküle verfälscht

Dr. Eberhard Fritz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Biogeochemie

    Max-Planck-Forscher und Kollegen haben eine langjährige Kontroverse über den Ursprung des komplexen Lebens auf der Erde gelöst. Sie fanden heraus, dass fossile Lipidmoleküle, die aus 635 Millionen Jahre alten Gesteinen isoliert wurden, nicht die frühesten Hinweise auf Tiere darstellen. Die fossilen Moleküle entstehen durch geologische Prozesse aus Vorläufer-Molekülen gewöhnlicher Algen, wie die Forscher in zwei aktuellen Publikationen im Fachjournal Nature Ecology and Evolution nachweisen konnten.

    Bereits im Jahr 2009 fanden Forscher in mehr als 635 Millionen Jahre alten Gesteinen fossile Lipidmoleküle, altertümliche Steroide, die vermutlich aus Meeresschwämmen stammten. Da Schwämme zu den ältesten und einfachsten Vertretern der Tierwelt gehören, wurden diese Funde als früheste Spuren in der Entwicklungsgeschichte tierischen Lebens interpretiert. Größere Schwammfossilien, die zu den Steroidmolekülen passen würden, konnten aber nie entdeckt werden. "Ein großes Rätsel der frühen tierischen Evolution war bisher, dass eindeutige Fossilien aus diesem Zeitraum fehlten, in dem chemische Überreste schwammartiger Tiere reichlich vorhanden zu sein schienen", sagt Dr. Benjamin Nettersheim von der Max-Planck-Forschungsgruppe Organische Paläobiogeochemie am Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena, und vom MARUM -Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen.

    Dieses Rätsel konnte nun durch zwei chemisch-experimentelle Studien gelöst werden. "Wir konnten zeigen, dass sich Moleküle aus gewöhnlichen Algen unter dem Einfluss geologischer Prozesse chemisch so verändern können, dass sie zu besagten Steroidmolekülen werden. Diese vermeintlich fossilen Moleküle lassen sich nicht von denen aus schwammähnlichen Tieren unterscheiden, die in 100 Millionen Jahre jüngeren Fossilien gefunden wurden", sagt Dr. Lennart van Maldegem, Mitverfasser einer der Studien aus der gleichen Arbeitsgruppe, in der er auch seine Doktorarbeit anfertigte.

    In einer zweiten Arbeitsgruppe wurde dieser Befund unabhängig bestätigt. "Es stimmt zwar, dass Schwämme die einzigen lebenden Organismen sind, die diese Steroide produzieren können. Aber chemische Umwandlungen können unter besonderen geologischen Bedingungen einfache Steroide aus pflanzlichen Algen auch in vermeintlich „tierische“ umwandeln", sagt Dr. Ilya Bobrovskiy, Hauptautor der zweiten Studie von der Australian National University (ANU) und dem California Institute of Technology (Caltech).

    Beiden Forschungsteams war es gelungen, den Beweis im chemischen Labor zu erbringen: Als Ausgangsstoffe verwendeten sie entweder Steroide, die aus Algen extrahiert wurden, oder reine Chemikalien. Aus diesen konnten sie die "tierischen" Steroide mit Pyrolysetechniken experimentell reproduzieren, und damit die geologischen Prozesse simulieren.

    Die an der Studie beteiligten Forscher, darunter Wissenschaftler der Universität Straßburg (CNRS, Frankreich) und des CSIRO, Australien, unterstreichen die Bedeutung ihrer neuen Erkenntnisse für unser Verständnis der Evolution. "Den Aufstieg der Tiere zu verstehen, ist deshalb so unglaublich wichtig, weil er an der Wurzel unserer ureigenen Existenz steht", sagt der leitende Autor der ersten Studie, Professor Christian Hallmann. "Bevor wir untersuchen können, welche Faktoren die Entwicklung zu komplexen Organismen vorantrieben, müssen wir zunächst den zeitlichen Rahmen der Evolution klar abstecken“, so Hallmann weiter.

    Das Auftauchen der ersten tierischen Organismen wurde in den letzten Jahrzehnten intensiv und kontrovers diskutiert. "Unsere Ergebnisse bringen damit den ältesten Nachweis für Tiere um fast 100 Millionen Jahre näher an die Gegenwart heran", schließt Nettersheim, "also auf etwa 560 Millionen Jahre vor unserer Zeit."

    Die beiden komplementären Studien wurden am 23.11.2020 im Fachjournal Nature Ecology and Evolution veröffentlicht.


    Contact for scientific information:

    Dr. Benjamin Nettersheim
    Universität Bremen, IW-3
    28359 Bremen
    bnett@bgc-jena.mpg.de

    Prof. Christian Hallmann
    Universität Bremen, IW-3
    28359 Bremen
    challmann@bgc-jena.mpg.de


    Original publication:

    Bobrovskiy, I. et al.
    Algal origin of sponge sterane biomarkers negates the oldest evidence for animals in the rock record.
    Nat. Ecol. Evol. (2020), DOI:10.1038/s41559-020-01334-7
    www.nature.com/articles/s41559-020-01334-7

    Van Maldegem, L. M., Nettersheim, B.J. et al.
    Geological alteration of Precambrian steroids mimics early animal signatures
    Nat. Ecol. Evol. (2020), DOI:10.1038/s41559-020-01336-5
    www.nature.com/articles/s41559-020-01336-5


    More information:

    http://www.nature.com/articles/s41559-020-01334-7 Publikation Bobrovskiy et al
    http://www.nature.com/articles/s41559-020-01336-5 Publikation Van Maldegem et al


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    Expedition mit L. van Maldegem im Grand Canyon. Gesteine aus dieser Region haben erste Hinweise darauf geliefert, dass die fossilen Steroide aus Umwandlungsreaktionen stammen.
    Expedition mit L. van Maldegem im Grand Canyon. Gesteine aus dieser Region haben erste Hinweise dara ...
    Lennart van Maldegem

    Christian Hallmann und Lennart van Maldegem bei Laboranalysen
    Christian Hallmann und Lennart van Maldegem bei Laboranalysen
    Tom Pingel


    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Biology, Chemistry, Geosciences
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Expedition mit L. van Maldegem im Grand Canyon. Gesteine aus dieser Region haben erste Hinweise darauf geliefert, dass die fossilen Steroide aus Umwandlungsreaktionen stammen.


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