In welchem Verhältnis stehen Kritische Theorie, Philosophische Anthropologie und Logischer Empirismus zueinander? Wo liegen die Unterschiede dieser maßgeblichen philosophischen Strömungen des 20. Jahrhunderts, welche Gemeinsamkeiten weisen sie auf? Mit Fragen wie diesen befassen sich Prof. Dr. Christoph Demmerling und die Doktoranden Max Beck und Nicholas Coomann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena in den nächsten drei Jahren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ihr gemeinsames Projekt „Nachmetaphysisches Philosophieren“ mit rund 350.000 Euro.
„Bislang werden meist die Kontroversen zwischen diesen einflussreichen Strömungen der Philosophie hervorgehoben“, konstatiert Prof. Dr. Christoph Demmerling vom Lehrstuhl für Theoretische Philosophie. Mit der Einschränkung, dass es bislang wenig Literatur zum Thema gibt. Das Forschertrio von der Universität Jena möchte eine andere, eine neue Lesart plausibel machen. Dabei werde die allen drei Ansätzen gemeinsame philosophische Grundauffassung in den Blick genommen: die programmatische Kooperation mit Einzelwissenschaften, die Kritik geschlossener metaphysischer Systeme und die philosophische Reflexion auf das historische Zeitgeschehen. Alle drei Strömungen, so Christoph Demmerling, stehen für unterschiedliche „Therapieprogramme“ der Moderne: Befreiung durch Überwindung von Herrschaft (Kritische Theorie), Rückgewinnung menschlicher Identitätsansprüche (Philosophische Anthropologie) und Aufklärung durch Wissenschaft (Logischer Empirismus).
Die Hauptakteure rücken in den Fokus
In den Fokus der Jenaer Wissenschaftler rücken Hauptakteure der jeweiligen Denkrichtung: Max Horkheimer und Theodor W. Adorno für die Kritische Theorie, Max Scheler, Arnold Gehlen und Helmuth Plessner als Vertreter der Philosophischen Anthropologie sowie Rudolf Carnap und Hans Reichenbach als Protagonisten des Logischen Empirismus. „Wir wollen zeigen, wie sich die drei Strömungen von den 1920er Jahren bis in die 1960er Jahre parallel ausformen und über ihre Konzeptionen auseinandersetzen“, sagt Christoph Demmerling. Dabei, so eine zentrale These, verfügen sie über signifikante historische wie systematische Gemeinsamkeiten. Zudem solle geklärt werden, welche Rolle der drastische Erfahrungshintergrund von Nationalsozialismus, Emigration, Exil und Shoah seit 1933 für die Entwicklung und das gegenseitige Verhältnis der drei Strömungen spielt.
Das Forschungsprojekt der Jenaer Wissenschaftler ist als vergleichende philosophiegeschichtliche Arbeit angelegt. Das heißt, es werden nicht nur Texte diskutiert und eingeordnet, sondern auch Quellen gesichtet. In den Fokus rücken dabei die Beziehungen der Akteure von einst und die Schnittmengen ihrer Ansichten. „Wir wollen beispielsweise die Briefwechsel dieser Denker sichten, ebenso Vorlesungsmitschriften, die noch nicht veröffentlicht wurden“, sagt Prof. Demmerling. Anhand klarer Kriterien könnten so Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Denkschulen herausgearbeitet werden. Angestrebt wird ein relevantes Neuverständnis der Entwicklung und des Verhältnisses von Kritischer Theorie, Philosophischer Anthropologie und Logischem Empirismus.
Die DFG fördert das gerade gestartete Forschungsprojekt „Nachmetaphysisches Philosophieren“ mit einer Gesamtsumme von über 350.000 Euro. Die Ergebnisse der auf drei Jahre veranschlagten Forschung sollen in mehreren Publikationen ihren Niederschlag finden.
Prof. Dr. Christoph Demmerling
Institut für Philosophie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zwätzengasse 9, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944111
E-Mail: christoph.demmerling@uni-jena.de
Prof. Dr. Christoph Demmerling und sein Team von der Universität Jena erforschen Gemeinsamkeiten phi ...
Foto: Anne Günther/Uni Jena
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Prof. Dr. Christoph Demmerling und sein Team von der Universität Jena erforschen Gemeinsamkeiten phi ...
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