idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
01/20/2021 11:16

Strom von der Hauswand – Gebäudefassaden bieten großes Potenzial für die Gewinnung von Solarenergie

Heike Hensel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V.

    Nicht nur Dächer bieten Platz für technische Anlagen zur Gewinnung von Strom aus Sonnenenergie. Auch Fassaden könnten bei Energiewende und Bodenschutz eine viel bedeutendere Rolle spielen als bisher. Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung hat gemeinsam mit dem Fraunhofer ISE das theoretische Flächenpotenzial für Photovoltaik an Fassaden für ganz Deutschland erhoben. Es ist doppelt so groß wie das der Dächer. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin "Transforming Cities" veröffentlicht.

    Die Solaranlage auf dem Hausdach hat sich im deutschen Gebäudesektor längst etabliert. Vielerorts geben Solarkataster Auskunft über das Potenzial, auf Dächern Energie aus Sonnenstrahlen zu gewinnen. Kommunen setzen damit Anreize, sich für die Installation einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach zu entscheiden. Doch wie steht es um die Fassaden der Gebäude? Wie viel potenzielle Fläche bieten sie für die Gewinnung erneuerbarer Energien?

    12.000 Quadratkilometer Flächenpotenzial – in der Theorie

    "Für das Ziel der Bundesregierung, im Gebäudebestand bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, wird es nicht ausreichen, auf allen geeigneten Dächern in Deutschland Solaranlagen zu installieren", erläutert Dr. Martin Behnisch vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR). Deshalb hat das IÖR im Projekt Standard-BIPV in enger Kooperation mit wissenschaftlichen Partnern wie dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), dem Institut für Angewandte Bauforschung Weimar (IAB), dem Lehrstuhl für Geoinformatik der TU München sowie mit Praxispartnern der Solarindustrie zusätzlich die Fassaden von Gebäuden in den Blick genommen. Gefördert wurde das Vorhaben durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Auf der Basis amtlicher Geodaten hat das Team um Martin Behnisch am IÖR untersucht, welche Flächenpotenziale für bauwerksintegrierte Photovoltaik (BIPV) die Gebäudefassaden in Deutschland bieten.
    Die ermittelten Zahlen sind beachtlich: "Das theoretische Flächenpotenzial lässt sich auf rund 12.000 Quadratkilometer Fassadenfläche und knapp 6.000 Quadratkilometer Dachfläche beziffern", erläutert Dr. Martin Behnisch. Gebäudefassaden böten damit rund doppelt so viel potenzielle Fläche für Photovoltaik-Module wie Dächer. Das entspricht rund der Hälfte der Fläche von Mecklenburg-Vorpommern. "Allerdings müssen wir auch betonen, dass es sich im Moment noch um theoretische Flächenpotenziale handelt", schränkt Behnisch ein.

    Berechnungen auf Basis bundesweiter amtlicher Geodaten

    Denn die Ergebnisse haben Pioniercharakter. Sie fußen auf Daten, die die Verhältnisse in der Realität zum Teil stark vereinfachen. Für ihre Untersuchung haben die Forschenden ein 3D-Gebäudemodell des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (BKG) analysiert. Es enthält Informationen zum gesamten Gebäudebestand der Bundesrepublik. Jedes Haus ist als Klötzchen mit Flachdach verzeichnet. Detaillierte Dachformen und daraus resultierende Giebelwände, Fenster, Türen, Auskragungen wie Balkone und andere Installationen sind im Gebäudemodell nicht berücksichtigt. Sie sind in den ermittelten Flächenpotenzialen noch nicht eingerechnet ebenso wie Aspekte des Denkmalschutzes oder der hochwertigen Fassadengestaltung. Gebäudefassaden, die sich berühren und damit für die Installation von Photovoltaik nicht in Frage kommen, hat das Forschungsteam hingegen bereits herausgerechnet. Hinzu kamen Detailanalysen in drei Fokusgebieten, den Städten München, Freiburg und Dresden, sowie einer bundesweiten Stichprobe von 100.000 Gebäuden.

    In enger Kooperation mit einem Team um Prof. Thomas H. Kolbe von der TU München haben die Forschenden des IÖR für alle Dach- und Fassadenflächen die solare Einstrahlung modelliert und visualisiert und so den möglichen solaren Energieertrag kleinräumig lokalisiert. Dafür hat das Team nicht nur auf detailliertere Gebäudemodelle mit ihren individuellen Dachformen zurückgegriffen. Auch die Umgebung der Gebäude, etwa Bäume und ihr Schattenwurf oder die Verschattung durch andere Gebäude sowie das Gelände und umgebende Berge wurden in die Berechnungen mit einbezogen.
    Photovoltaik an Gebäuden besser planbar

    Das Ergebnis sind verschiedene Visualisierungen zu Flächenpotenzialen und möglichen Solarenergieerträgen in Deutschland. So lässt sich zum Beispiel die räumliche Verteilung der Flächenpotenziale in Deutschland aufzeigen. Deutlich wird: Wo viele Menschen auf relativ engem Raum leben, ist auch das Potenzial für bauwerksintegrierte Photovoltaik-Module besonders hoch. Das ist zum Beispiel in den Ballungsräumen Rhein-Main, Rhein-Neckar und Rhein-Ruhr der Fall, ebenso wie in den städtischen Ballungszentren Berlin, Hamburg, Bremen, München oder dem Sachsendreieck Dresden-Leipzig-Chemnitz.

    Die Modellierung der potenziellen Sonnenenergieerträge am Beispiel konkreter Gebäude macht deutlich, dass sich die Installation von Photovoltaikanlagen an Fassaden vor allem bei großen Gebäuden wie Produktionshallen, Bildungseinrichtungen oder öffentlichen Gebäuden lohnt. "Aber auch große Wohnkomplexe wie Hochhäuser bieten durchaus großes Potenzial für die Installation von Photovoltaik", so Martin Behnisch.

    Das Projektteam im IÖR sieht die gewonnenen Daten als ersten Schritt zu einer besseren Planung der Energiegewinnung an Gebäuden. "Die Daten müssen an den konkreten Standorten noch durch genauere Analysen spezifiziert werden. Aber sie geben doch einen Eindruck davon, welche großen Potenziale in bauwerksintegrierter Photovoltaik schlummern. Vor allem mit Blick auf die Ziele zur CO2-Einsparung sind das wichtige Ansatzpunkte", erklärt Martin Behnisch. Auch mit Blick auf die Verkehrswende und die Herausforderungen der E-Mobilität sei es sinnvoll, mehr saubere Energie in den Städten zu gewinnen. Darüber hinaus gebe es auch Vorteile für den Umweltschutz. "Jedes Photovoltaik-Modul, das wir an einer Hausfassade installieren, hilft dabei, Natur und kostbaren Boden zu schonen, denn es macht den Bau flächenintensiver Solarparks überflüssig."

    Hintergrund

    Im Projekt Standard-BIPV (Entwicklung einer vorgefertigten Standard-BIPV-Fassade für ausgewählte Bauwerkskategorien in Deutschland) identifizieren die Projektpartner geeignete Bauwerkskategorien, die mit vorgefertigten und standardisierten BIPV-Fassaden renoviert werden können, und setzen eine erste Umrüstung beispielhaft um. Es geht zum einen darum, besonders geeignete Bauwerkstypen mit einem hohen Flächenpotenzial zu identifizieren. Zum anderen werden im Zuge des Projektes Photovoltaik-Fassadenelemente entwickelt, die sich durch eine kostengünstige für die Massenproduktion geeignete Konstruktion, eine einfache Montage und elektrotechnische Installation sowie ein hohes Maß an Ästhetik auszeichnen.

    Projektpartner sind das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) (Projektleitung); U. I. Lapp GmbH, Stuttgart; NICE Solar Energy GmbH, Schwäbisch Hall; IWE Innovativer Werkstoffeinsatz GmbH & Co. KG, Greifswald; IAB-Institut für Angewandte Bauforschung Weimar gGmbH; GES Gebäude- und Energiesysteme GmbH, Korbußen, ARMOR solar power films GmbH, Kitzingen sowie das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), das in enger Kooperation mit dem Lehrstuhl für Geoinformatik der TU München (Prof. Thomas H. Kolbe) unter anderem für die geodatenbasierte Untersuchung der Flächenpotenziale sowie der Solareinstrahlungsanalysen verantwortlich zeichnet.

    Das Projekt mit einer Laufzeit von Januar 2017 bis März 2021 wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert (Förderkennzeichen 0324063). In einem Folgeprojekt werden die Themen bis August 2023 weitergehend untersucht.


    Contact for scientific information:

    Dr. Martin Behnisch, E-Mail: M.Behnisch[at]ioer.de


    Original publication:

    Behnisch, M.; Münzinger, M.; Poglitsch, H.: Die vertikale Stadt als solare Energiequelle? Theoretische Flächenpotenziale für bauwerksintegrierte Photovoltaik und Abschätzung der solaren Einstrahlung. In: Transforming Cities (2020) 4, S. 62-66.

    Behnisch, M.; Münzinger, M.; Poglitsch, H.; Willenborg, B.; Kolbe, T. H.: Anwendungsszenarien von Geomassendaten zur Modellierung von Grünvolumen und Solarflächenpotenzial. In: Meinel, G.; Schumacher, U.; Behnisch, M.; Krüger, T. (Hrsg.): Flächennutzungsmonitoring XII mit Beiträgen zum Monitoring von Ökosystemleistungen und SDGs. Berlin: Rhombos, 2020, S. 251-261 (IÖR-Schriften 78).
    DOI: https://doi.org/10.26084/12dfns-p025


    Images

    Wo viele Menschen wohnen, stehen auch viele Gebäude. Damit ist auch das theoretische Flächenpotenzial der Häuserfassaden für die bauwerksintegrierte Nutzung von Photovoltaik besonders groß – die Karte zeigt Flächen-Hotspots in Deutschland.
    Wo viele Menschen wohnen, stehen auch viele Gebäude. Damit ist auch das theoretische Flächenpotenzia ...
    (Quelle: Behnisch et al./IÖR
    Datenbasis: @GeoBasis-DE/BKG 2017 [Daten verändert]; ESRI 2020 Light Grey Canvas – Basemap)

    Kleinräumige Solarpotenzialanalysen berücksichtigen nicht nur die Gebäude und ihre Flächen, sondern beziehen auch die unmittelbare Umgebung in die Modellierung mit ein. Hier wird deutlich, welchen Einfluss Bäume und ihr Schatten haben.
    Kleinräumige Solarpotenzialanalysen berücksichtigen nicht nur die Gebäude und ihre Flächen, sondern ...
    (Quelle: Behnisch et al./IÖR
    Datenbasis: Geobasisdaten, Bayerische Vermessungsverwaltung 2019)


    Attachment
    attachment icon Pressemitteilung als PDF

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students
    Construction / architecture, Energy, Environment / ecology, Geosciences
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Wo viele Menschen wohnen, stehen auch viele Gebäude. Damit ist auch das theoretische Flächenpotenzial der Häuserfassaden für die bauwerksintegrierte Nutzung von Photovoltaik besonders groß – die Karte zeigt Flächen-Hotspots in Deutschland.


    For download

    x

    Kleinräumige Solarpotenzialanalysen berücksichtigen nicht nur die Gebäude und ihre Flächen, sondern beziehen auch die unmittelbare Umgebung in die Modellierung mit ein. Hier wird deutlich, welchen Einfluss Bäume und ihr Schatten haben.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).