idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
01/21/2021 13:44

Die „Ehe für alle“ – schon im Mittelalter ein Thema?

Patricia Achter Dezernat Kommunikation
Otto-Friedrich-Universität Bamberg

    Zwei Historiker der Universität Bamberg vergleichen in neuem Film mittelalterliche mit modernen Partnerschaften.

    Die „Ehe für alle“, die auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Eheschließung erlaubt, ist ein modernes Thema – und doch reicht die Diskussion darum historisch weit zurück. Schon im Mittelalter wurde laut Prof. Dr. Klaus van Eickels, Historiker an der Universität Bamberg, darüber nachgedacht: „Hugo von St. Viktor, einer der bedeutendsten Theologen im 12. Jahrhundert, stellte die Frage, warum denn nicht ein Mann einen Mann oder eine Frau eine Frau heiraten solle.“ So gesehen hat Papst Franziskus im Oktober 2020 keine ganz neue Position bezogen, als er sich für ein Gesetz aussprach, das zivile Partnerschaften von Homosexuellen ermöglicht. Es gibt also Parallelen zwischen damals und heute.

    Eine neue multimediale Reportage präsentiert wissenschaftliche Erkenntnisse über die Zeit von 500 bis 1500. Die Online-Reportage stellt den Forschungsschwerpunkt „Kultur und Gesellschaft im Mittelalter“ der Universität Bamberg in Videos, Bildergalerien und Berichten vor. In einem Video etwa spricht Klaus van Eickels mit Dr. Christof Rolker, Professor für Historische Grundwissenschaften, über Partnerschaften im Mittelalter.

    Gleichgeschlechtliche Partnerschaft als „Bündnis lobenswerter Liebe“

    Zum Thema Homosexualität im Mittelalter erläutert Klaus van Eickels: „Gleichgeschlechtliche Handlungen galten mittelalterlichen Theologen als schwere, ja als himmelschreiende Sünde, die das Strafgericht Gottes auf die gesamte Gemeinschaft herabrief, die solche Handlungen in ihrer Mitte duldete. Ausgehend von der Jungfräulichkeit Marias, die auch durch ihre Ehe mit Josef nicht angetastet wurde, argumentiert Hugo von St. Viktor jedoch, dass die Ehe auch ohne Konsens zum fleischlichen Verkehr geschlossen werden kann. Er nennt eine mit dieser Maßgabe geschlossene gleichgeschlechtliche Partnerschaft sogar ein ‚Bündnis lobenswerter Liebe‘.“

    Der mittelalterliche Theologe lehnt es jedoch – ähnlich wie Papst Franziskus heute – ab, eine solche Verbindung als sakramentale Ehe zu betrachten. Allerdings mit einer Begründung, der kaum ein heutiger Theologe mehr folgen würde: Hugo von St. Viktor betont, die Ehe sei ein Sakrament, weil sie den Bund der Liebe zwischen Gott und den Menschen abbilde; deshalb müsse eine klar erkennbare Ungleichheit zwischen den Partnern bestehen, wie sie nur in der Ehe zwischen Mann und Frau verwirklicht sei.

    Vergleichsweise modern: die kirchliche Ehelehre des Mittelalters

    Dazu bemerkt Christof Rolker: „Die kirchliche Ehelehre des Mittelalters ist im Vergleich zur sozialen Praxis bemerkenswert modern, da sie den individuell und frei gegebenen Konsens der Ehepartner in den Mittelpunkt aller Überlegungen stellt. Bei aller Modernität wird es aber zugleich als selbstverständlich angesehen, dass Mann und Frau ungleich und ungleichberechtigt sind. Sie sind so ungleich, dass die Ehe sogar mit dem Verhältnis zwischen Gott und Mensch verglichen wird. Das dürfen wir nicht vergessen.“

    Klaus van Eickels schließt mit den Worten: „Hugo von St. Viktor hätte sich sicher darüber gewundert, dass in der aus dem christlichen Abendland hervorgegangenen westlichen Welt seit einigen Jahrzehnten die Gleichberechtigung von Frauen und Männern als selbstverständlich gilt, dass Paare unverheiratet zusammenleben dürfen und dass homosexuelle Handlungen nicht mehr bestraft werden. Aber er hätte sicherlich kein Problem mit einem eheähnlichen Bund zweier Männer oder zweier Frauen gehabt, der auf Solidarität und wechselseitiger Hilfe ausgerichtet ist.“


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Klaus van Eickels
    Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte unter Einbeziehung der Landesgeschichte
    klaus.van-eickels@uni-bamberg.de

    Prof. Dr. Christof Rolker
    Professor für Historische Grundwissenschaften
    christof.rolker@uni-bamberg.de


    More information:

    https://forschungsprofil.uni-bamberg.de/mittelalter#section-25 - Multimedia-Reportage zum Forschungsschwerpunkt „Kultur und Gesellschaft im Mittelalter“
    http://www.uni-bamberg.de/forschung/profil/mittelalter - Informationen zum Forschungsschwerpunkt


    Images

    Historiker Klaus van Eickels erforscht unter anderem Homosexualität im Mittelalter.
    Historiker Klaus van Eickels erforscht unter anderem Homosexualität im Mittelalter.
    Jürgen Schabel
    Universität Bamberg

    Mittelalterliches Kirchenrecht gehört zu den Forschungsschwerpunkten des Historikers Christof Rolker.
    Mittelalterliches Kirchenrecht gehört zu den Forschungsschwerpunkten des Historikers Christof Rolker ...
    Tim Kipphan
    Universität Bamberg


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    History / archaeology, Religion
    transregional, national
    Transfer of Science or Research
    German


     

    Historiker Klaus van Eickels erforscht unter anderem Homosexualität im Mittelalter.


    For download

    x

    Mittelalterliches Kirchenrecht gehört zu den Forschungsschwerpunkten des Historikers Christof Rolker.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).