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01/27/2021 13:34

In der Zwickmühle

Dr. Stefanie Merker Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Neurobiologie

    Bei der Flut an Reizen, die ununterbrochen auf uns einbricht, ist es unmöglich auf alles zu reagieren. Das geht auch einem kleinen Fisch so. Doch welchen Eindrücken sollte er Beachtung schenken und welchen nicht? Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Neurobiologie entschlüsseln nun den neuronalen Schaltkreis, mit dem Zebrafische optische Eindrücke priorisieren. Umzingelt von Fressfeinden kann ein Fisch sich so für einen Fluchtweg aus dieser Zwickmühle entscheiden.

    Wir sind zwar keinen Fressfeinden ausgeliefert, dennoch müssen wir tagtäglich entscheiden, welchen Reizen wir unsere Aufmerksamkeit schenken – zum Beispiel beim Überqueren einer Straße. Welchen Autos sollten wir ausweichen, welche können wir ignorieren?

    „Die Vorgänge im Gehirn und die Schaltkreise, die zu dieser sogenannten selektiven Aufmerksamkeit führen, sind weitgehend unerforscht“, erklärt Miguel Fernandes, Postdoktorand in Herwig Baiers Abteilung. „Doch verstehen wir die Mechanismen in einem einfachen Tiermodell wie dem Zebrafisch, kann uns dies grundlegende Erkenntnisse über Entscheidungsprozesse im Menschen liefern.“

    Aus diesem Grund untersuchte Miguel Fernandes zusammen mit Kollegen das Verhalten von Zebrafischen in der oben beschriebenen Zwickmühle. Mit Virtual Reality simulierte das Team zwei Fressfeinde, die mit gleicher Geschwindigkeit von links und rechts auf einen Fisch zukommen. In den meisten Fällen konzentrierten sich die Fische auf einen der beiden Fressfeinde und flüchteten in die entgegengesetzte Richtung. Sie kalkulierten also nur einen, den sogenannten „Sieger-Stimulus“ in ihren Fluchtweg ein („Sieger bekommt alles“-Strategie).

    In einigen Fällen berücksichtigten die Fische jedoch beide Stimuli und schwammen durch die Mitte (Mittelweg-Strategie). Die Fische sind somit im Prinzip in der Lage, beide Bedrohungen in den Fluchtweg miteinzubeziehen. In der Regel schenken sie jedoch nur einem Stimulus ihre Aufmerksamkeit.

    Mit dem Wissen aus den Verhaltensanalysen untersuchten die Forscher, welche Gehirnregionen während der Stimulus-Auswahl aktiv sind. Im fast transparenten Zebrafisch identifizierten sie unter dem Mikroskop zwei beteiligte Gehirnregionen: Das Tectum, die Rechenzentrale für visuelle Reize, und ein Anhängsel davon, den sogenannten Nucleus isthmi (NI).

    Um die Rolle des NI genauer zu bestimmen, inaktivierten die Forscher Nervenzellen in dieser Gehirnregion. Interessanterweise wendeten die Fische in Virtual-Reality-Versuchen nun anstatt der „Sieger bekommt alles“-Strategie vermehrt die Mittelweg-Strategie an – ein Zeichen dafür, dass der NI eine wichtige Rolle dabei spielt, einen Sieger-Stimulus festzulegen.

    Die Wissenschaftler verfolgten daraufhin die Zellausläufer der beteiligten Nervenzellen und entschlüsselten so nach und nach den Schaltkreis zwischen den beiden Gehirnregionen: Nervenzellen des Tectums laufen zum NI und dessen Zellen wiederum zum Tectum. Dadurch entsteht eine Rückkopplung, welche die Signale der Sieger-Stimuli im Gehirn verstärkt. Alle anderen, als unwichtig eingestuften Eindrücke, werden hingegen unterdrückt.

    Mit Hilfe des neu entdeckten Schaltkreises ordnet das Gehirn den verschiedenen optischen Eindrücken somit eine bestimmte Wichtigkeit zu. Als Entscheidungsgrundlage ermöglicht dies dem Fisch, auf wichtige Reize zu reagieren und unwichtige zu ignorieren. Darauf aufbauend können Forscher nun zum Beispiel untersuchen, wie Erfahrung oder Stress die Reaktion des Fisches beeinflusst.

    KONTAKT:
    Dr. Christina Bielmeier
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried
    Tel.: 089 8578 - 3601
    E-Mail: bielmeier@neuro.mpg.de


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Herwig Baier
    Abteilung Gene – Schaltkreise – Verhalten
    Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried
    Email: hbaier@neuro.mpg.de


    Original publication:

    António M. Fernandes, Duncan S. Mearns, Joseph C. Donovan, Johannes Larsch, Thomas O. Helmbrecht, Yvonne Kölsch, Eva Laurell, Koichi Kawakami, Marco Dal Maschio, Herwig Baier
    Neural circuitry for stimulus selection in the zebrafish visual system
    Neuron, 22.12.2020
    DOI: 10.1016/j.neuron.2020.12.002


    More information:

    https://www.neuro.mpg.de/news/2021-01-baier/de - Weitere Bilder und ein Video zur Studie
    http://www.neuro.mpg.de/baier/de - Webseite der Abteilung von Prof. Herwig Baier


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    Mit einem neu entdeckten Schaltkreis kann das Gehirn optisch relevante Eindrücke verstärken und unwichtige unterdrücken.
    Mit einem neu entdeckten Schaltkreis kann das Gehirn optisch relevante Eindrücke verstärken und unwi ...

    MPI für Neurobiologie / Fernandes


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Biology
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Mit einem neu entdeckten Schaltkreis kann das Gehirn optisch relevante Eindrücke verstärken und unwichtige unterdrücken.


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