Studie macht Hoffnung: Zwischenergebnis zur ersten Welle zeigen keinen Einbruch
Gute Nachrichten für Krebspatientinnen und -patienten in der Region Hannover: Die Versorgung von Krebserkrankten im Raum Hannover konnte während der ersten Pandemiewelle auf hohem Niveau aufrechterhalten werden. Das zeigen die ersten Zwischenergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt OnCoVID, das die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die onkologische Versorgung untersucht. „Extensive Vorbereitungen und erfolgreiche dynamische Anpassungen der Versorgungsprozesse scheinen hier bedeutsam gewesen zu sein“, sagt Projektleiter Professor Dr. Jörg Haier, Geschäftsführer des Comprehensive Cancer Center Hannover der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
Seit fast einem Jahr verlangt das Coronavirus der medizinischen Versorgung viel ab: Bereits zu Beginn der Pandemie mussten planbare medizinische Behandlungen verschoben und bestehende Behandlungsschemata an die Versorgungssituation in einer Pandemie angepasst werden. Das stellt vor allem Betroffene und Behandlungsteams in der Krebsmedizin vor besondere Herausforderungen. Die Situation erfordert eine intensive Abwägung zwischen zusätzlichen, pandemiebedingten Risiken und Auswirkungen von Therapieänderungen. Hierdurch wurden vor allem in der Anfangsphase der Pandemie zusätzliche Belastungen und Verunsicherungen bei allen Beteiligten erwartet.
Seit Juli 2020 untersucht ein interdisziplinäres Team aus MHH-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern der des Comprehensive Cancer Center Hannover gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Leibniz Universität Hannover die Auswirkungen der Pandemie in der onkologischen Versorgung während der ersten Welle im Frühjahr 2020. Im Fokus der Untersuchung stehen dabei folgende Fragen: In welchem Umfang wurden medizinische Behandlungen nicht oder verzögert durchgeführt? In welchem Ausmaß wurden bestehende Behandlungsmuster an die Pandemie-Bedingungen angepasst? Wie sind die Behandlungsteams mit derartigen Entscheidungskonflikten umgegangen?
In der Studie werden Routinedaten der onkologischen Behandlung in der MHH analysiert, schriftliche Befragungen von den in der Region Hannover arbeitenden Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzten geführt und um Tiefeninterviews mit onkologischen Fachkräften, Patientinnen und Patienten ergänzt.
Kaum Abweichungen in den Aufnahmezahlen und bei der Verweildauer
Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die COVID-19-Pandemie in der Region Hannover und an der MHH nur in begrenztem Maß zu Konsequenzen für die onkologische Behandlung geführt hat. Bei der Analyse der Aufnahmezahlen von onkologischen Patientinnen und Patienten im ersten Halbjahr 2020 zeigte sich, dass die stationären Aufnahmezahlen für die meisten untersuchten Personengruppen und onkologischen Krankheitsbilder in dem üblichen Schwankungsbereich der vergangenen vier Jahre lagen. Lediglich für die nichtmelanotischen Neubildungen der Haut sowie bei Frauen für Neubildungen im Mundbereich und für die gutartigen Neubildungen zeigten sich verringerte Aufnahmezahlen im Bereich von 13 bis 17 Prozent, verglichen mit den Vorjahren (2017 bis 2019). Auch die Verweildauer von MHH-Patientinnen und -Patienten in onkologischer Behandlung und die Vorstellungsraten in Tumorkonferenzen wichen nicht bedeutsam von den Schwankungen der vorangegangenen Jahre ab.
200 onkologisch tätigen Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten befragt
Weitere Belege für eine konstante onkologische Behandlung während der ersten Welle zeigen sich in den bislang durchgeführten Befragungen von über 200 onkologisch tätigen Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten aus verschiedenen stationären und ambulanten Einrichtungen der Region Hannover. Für die meisten Bereiche der onkologischen Behandlung - insbesondere die kurative Therapie, die Therapie fortgeschrittener Krebserkrankungen und die palliative Versorgung - wurden nur geringfügige Veränderungen während der ersten Pandemiewelle wahrgenommen. So haben jeweils mehr als drei viertel der Befragten geantwortet, dass sich die Pandemie im Frühjahr 2020 auf diese Aspekte der Behandlung gar nicht oder nur gering ausgewirkt hat.
Vergleichbar größere Auswirkungen ergaben sich in den Bereichen Prävention und Früherkennung, sowie der psychosozialen Versorgung. Hier gab zwar mit knapp mehr als 50 Prozent die Mehrheit der Befragten an, dass sich die Pandemie nur geringfügig oder gar nicht auf Therapieentscheidungen und Diagnostik ausgewirkt hat, dennoch scheinen diese Bereiche der Vor- und Nachsorge deutlicher durch die Pandemie betroffen gewesen zu sein als die direkte onkologische Therapie.
Pandemiebedingte psychische Belastung der Behandelnden vergleichsweise gering
Die onkologisch tätigen Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte schienen gut mit der pandemiebedingten Belastung umgehen zu können, wie die Auswertung zeigt. Nur sehr wenige der Befragten gaben an, sich öfter oder meistens während der Pandemie gestresst (8 Prozent), ängstlich (1 Prozent), einsam (2 Prozent) oder depressiv (3 Prozent) gefühlt zu haben. Pandemiebedingte Entscheidungsprobleme im Zusammenhang mit der onkologischen Behandlung wurden dagegen von 33 Prozent der befragten Fachkräfte berichtet und waren mit einer signifikant höheren emotionalen Belastung assoziiert.
„In der Gesamtheit deuten die bisherigen Ergebnisse darauf hin, dass die onkologische Behandlung in der Region Hannover und speziell an der MHH in der ersten Pandemiewelle auf einem hohen Niveau aufrechterhalten werden konnte, was sich möglicherweise auf die extensiven Vorbereitungen und erfolgreiche dynamische Anpassungen der Versorgungsprozesse während der Corona-Pandemie zurückführen lässt“, betont Professor Haier. „Auftretende Entscheidungskonflikte konnten die Behandlungsteams überwiegend ausreichend kompensieren, besonders betroffene Subgruppen müssen aber noch weiter analysiert werden.“
In den nächsten Wochen werden die bisherigen Analysen weiter ausgebaut und anhand von niedersachsenweiten Krankenkassendaten zur Behandlung von onkologischen Krankheitsbildern ergänzt. Weitere Interviews werden folgen. Auf dieser breiten Erkenntnisbasis werden in den nächsten Arbeitsschritten zusammen mit Medizinethikern und Juristen des Centre for Ethics and Law in the Life Sciences (CELLS, Leibniz Universität, Professor Dr. Nils Hoppe) ethische und rechtliche Fragen der onkologischen Versorgung in der Corona -Pandemie bewertet. „Insbesondere soll ein zu entwickelnder Pandemie-Leitfaden es ermöglichen, dass auch in zukünftigen Pandemien die ethisch und rechtlich fundierte Versorgung von onkologischen Patientinnen und Patienten gesichert werden kann.“ erklärt Professor Dr. Nils Hoppe, der das Teilprojekt OnCoVID mit ethischem und rechtlichem Schwerpunkt betreut.
Das Forschungsprojekt „OnCoVID -Management in der Onkologie während der COVID-19 Pandemie - ethische, rechtliche und gesundheitsökonomische Implikationen“ läuft als Kooperation mit der MHH und der Leibniz Universität Hannover. Das BMBF unterstützt die Forschung mit 492.280 Euro im Zeitraum von Juni 2020 bis November 2021.
Weitere Informationen erhalten Sie bei Projektleiter Professor Dr. Jörg Haier, ccc@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-19343.
Eine Aufnahme aus der Strahlentherapie. Im Einsatz ein Linearbeschleuniger zur Behandlung von Tumore ...
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