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02/16/2021 10:00

Nach den Sternen greifen: Wie Astrozyten durch Oxytocin positive Emotionen regulieren

Torsten Lauer Referat Kommunikation und Medien
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

    Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) zeigt die bislang unbekannte Bedeutung von Astrozyten bei der Regulation positiver Emotionen im Gehirn auf. Dies ermöglicht es, neue Ansätze bei der Behandlung von Angsterkrankungen zu entwickeln.

    Das Gehirn ist ein komplexes Organ mit Milliarden von Zellen, komplizierten neuronalen Interaktionen, einer Vielzahl verschiedener Hirnregionen und einer scheinbar unendlichen Anzahl von Zelltypen und Neurotransmittern. Seit dem frühen 20. Jahrhundert ist die wesentliche Rolle von Neuronen im zentralen Nervensystem erforscht, und obwohl die Existenz nicht-neuronaler Zelltypen (Glia) bekannt ist, wurde angenommen, dass diese Zellen lediglich passive Zuschauer mit unbedeutenden Beiträgen zur Gehirnfunktion sind.

    Von einem dieser Zelltypen, den 1919 von Pío del Río Hortega entdeckten sternförmigen Astrozyten, wurde lange angenommen, dass sie nur strukturelle Unterstützung bieten und zur Ionenhomöostase beitragen. Untersuchungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben jedoch gezeigt, dass Astrozyten einen wichtigen Teil neuronaler Netzwerke bilden und die neuronale Funktion über die Bildung der sogennanten tripartiten Synapse beeinflussen, die es ihnen ermöglicht, direkt mit Neuronen zu kommunizieren. Astrozyten sind aktiv an der Aufnahme und Abgabe verschiedener Neurotransmitter, wie Adenosintriphosphat (ATP), Glutamat und D-Serin, beteiligt, wobei dieser als Gliotransmission bezeichnete Prozess noch immer intensiv untersucht wird.

    In dieser multidisziplinären und internationalen Zusammenarbeit unter der Leitung von Dr. Alexandre Charlet, Centre National de la Recherche Scientifique in Straßburg/Frankreich, und Prof. Dr. Valery Grinevich, Leiter der Abteilung Neuropeptidforschung in der Psychiatrie am ZI, wurde die Rolle von Astrozyten bei der Regulation positiver Emotionen untersucht. Die Studie konzentriert sich auf das Neuropeptid Oxytocin, das eine Vielzahl physiologischer Reaktionen und Verhaltensweisen beeinflusst, darunter Angst, Schmerz und Stress. Es wurde lange angenommen, dass Oxytocin aufgrund seiner anxiolytischen Wirkung ausschließlich über Oxytocin-Rezeptoren auf Neuronen in der zentralen Amygdala wirkt, eine Struktur, die für das Angstgedächtnis und die emotionale Regulation entscheidend ist. Die Autoren stellen nun diese veraltete Ansicht in Frage, indem sie zeigen, dass Astrozyten in der zentralen Amygdala durch Oxytocin aktiviert werden, anschließend D-Serin freisetzen, um benachbarte Neuronen zu aktivieren, und dass diese Aktivierung für die ordnungsgemäße Funktion der neuronalen Schaltkreise entscheidend ist.

    Das Forscherteam hat herausgefunden, dass morphologisch komplexe Oxytocinrezeptor-positive Astrozyten strategisch in der Amygdala positioniert sind, um eine effiziente Verbreitung von Informationen über die gesamte Astrozytenpopulation zu ermöglichen. Die Aktivierung dieser Oxytocin-Rezeptor-positiven Untergruppe ruft in einem speziellen Test positive Emotionen und Wohlbefinden bei Ratten und Mäusen hervor. Andererseits führt eine gezielte Störung von Oxytocinrezeptor-positiven Astrozyten in der zentralen Amygdala zu einer gestörten Signalübertragung innerhalb des Amygdala-Netzwerkes.

    „Diese neuen Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung von Oxytocin-Rezeptor-positiven Astrozyten in der zentralen Amygdala und stellen die vorherrschende Hypothese in Frage, welche besagt, dass Neuropeptide ausschließlich Neuronen aktivieren“, sagt Valery Grinevich. Beim Menschen spielt die zentrale Amygdala eine wichtige Rolle bei der emotionalen Regulation, und diese Struktur wird mit vielen psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Autismus und allgemeiner Angststörung in Verbindung gebracht. Somit eröffnet diese Forschungsarbeit die Möglichkeit, neue therapeutische Ansätze zu entwickeln, die sich auf Astrozyten konzentrieren. Dies könnte ein Meilenstein für künftige maßgeschneiderte Ansätze zur Bekämpfung der wachsenden Anzahl von Angsterkrankungen darstellen.


    Original publication:

    Astrocytes mediate the effect of oxytocin in the central amygdala on neuronal activity and affective states in rodents. Wahis J., Baudon A., Althammer F., Kerspern D., Goyon S., Hagiwara D., Lefevre A., Barteczko L., Boury-Jamot B., Bellanger B., Abatis M., da Gouveia M.S., Benusiglio D., Eliava M., Rozov A., Weinsanto I., Knobloch-Bollmann H.S., Kirchner M.K., Roy R.K., Wang H.,Pertin M., Inquimbert P., Pitzer C., Siemens J., Goumon Y., Boutrel B., Lamy C.M., Decosterd I., Chatton J.-Y., Rouach N., Young W.S., Stern J.E., Poisbeau P., Stoop R., Darbon P., Grinevich P and Charlet A. Nat Neurosci (2021). DOI: 10.1038/s41593-021-00800-0
    https://www.nature.com/articles/s41593-021-00800-0


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Chemistry, Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

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