idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
06/23/2021 14:03

Forschungsverbund gibt Empfehlungen zur Betreuung von Schwerkranken und Sterbenden in globaler Gesundheitskrise

Stefan Zorn Stabsstelle Kommunikation
Medizinische Hochschule Hannover

    MHH untersucht in PallPan Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die ambulante Palliativversorgung

    Der Forschungsverbund Palliativversorgung in Pandemiezeiten (PallPan) hat die „Nationale Strategie für die Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen in Pandemiezeiten“ vorgestellt. Herzstück bilden konkrete Handlungsempfehlungen, wie im Falle künftiger Pandemien insbesondere Nähe am Lebensende ermöglicht werden kann. Auch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) ist an dem Forschungsprojekt beteiligt: Ein Team vom Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin um Professorin Dr. Stephanie Stiel und Institutsdirektor Professor Dr. Nils Schneider hat dabei Aspekte der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung untersucht.

    16 Studien mit mehr als 1.700 Betroffenen

    Der Forschungsverbund PallPan des Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu Covid-19, Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) besteht aus palliativmedizinischen Einrichtungen von 13 Universitätsklinken und widmet sich den Erfahrungen, Belastungen und Herausforderungen in der Begleitung schwer kranker und sterbender Menschen in der aktuellen Pandemie. In 16 Studien wurden innerhalb von neun Monaten über 1.700 Betroffene, Versorgende und Verantwortliche im Gesundheitssystem und in der Politik nach ihren Erfahrungen gefragt und deren Aussagen systematisch untersucht und ausgewertet.

    Das MHH-Team legte dabei den Fokus auf die Befragung von Hausärztinnen und Hausärzte sowie niedergelassene Onkologinnen und Onkologen. „In der ersten Phase der Pandemie lag der Fokus meist auf den COVID-19-Erkrankten in der stationären Versorgung“, sagt Professorin Stiel. „Die Menschen mit anderen Erkrankungen sind dagegen aus dem Blick geraten.“ Bei den niedergelassenen Onkologinnen und Onkologen habe es zunächst vor allem Probleme durch die Anpassung der Praxisabläufe an die pandemiebedingten Hygienevorschriften gegeben. Auch die Terminvergabe für Chemo- und Transfusionstherapien sei in der Anfangsphase schwieriger gewesen, weil Erkrankte zunächst noch verunsichert gewesen seien. Das habe sich jedoch schnell gelegt. „Auch hinsichtlich der Behandlungsqualität, so berichten die befragten niedergelassenen Onkologinnen und Onkologen, gab es kaum Einbußen“, betont Professorin Stiel.

    „Versorgung und Sterbebegleitung Schwerkranker hat sich verschlechtert“

    Hausärztinnen und Hausärzte hatten neben der Reorganisation ihrer Praxisabläufe jedoch mit weiteren Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie konnten aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen und Besuchsverbote weniger Krankenbesuche zu Hause und in Pflegeeinrichtungen machen. „Das hat aus hausärztlicher Sicht zur Verschlechterung der Versorgung schwerkranker und sterbender Menschen geführt“, betont Professor Schneider. Das habe nicht nur Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit. Auch die seelische Verfassung der Kranken und ihrer Angehörigen habe gelitten. „Generelle Kontakteinschränkungen und Besuchsverbote in Pflegeeinrichtungen haben den Menschen am Lebensende und ihren Angehörigen nicht gut getan“, betont Professor Schneider. Hausärztinnen und Hausärzte wünschten sich daher in lokale Krisenteams eingebunden zu sein, damit die Belange von Menschen am Lebensende und ihrer Angehörigen künftig angemessen berücksichtigt werden.

    33 Handlungsempfehlungen

    Mit Hilfe von 120 Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Bereichen von Gesundheitswesen, Verwaltung und Politik wurden die Ergebnisse der 16 Studien aus den 13 Universitätskliniken zu einer gemeinsamen Strategie entwickelt und abgestimmt. Kernstück sind 33 konkrete Handlungsempfehlungen, die sich in drei Abschnitte gliedern: Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen unterstützen, Mitarbeitende unterstützen und Strukturen und Angebote der Palliativversorgung unterstützen und aufrechterhalten.

    Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen wünschen sich nach den Befragungsergebnissen vor allem eines für die Zukunft: Nähe am Lebensende auch in einer Pandemie zu ermöglichen. Hierfür braucht es abgewogene Besuchsregelungen für Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, aber auch einen rechtlichen Rahmen, den die Politik schaffen muss. Einzelfallentscheidungen und klar definierte Ausnahmeregelungen haben sich als eine praktikable und hilfreiche Strategie bewährt und sollten überall genutzt werden.

    Mitarbeitende in der Versorgung brauchen vor allem ausreichend Schutz vor Infektionen, aber eben auch grundlegende palliativmedizinische Kenntnisse und psychosoziale Unterstützung in herausfordernden Situationen, etwa auf der Intensivstation oder Pflegeheimen. „Auch in Pandemiezeiten stehen schwerkranken und sterbenden Menschen eine gute Symptombehandlung und würdevolle Begleitung im Einklang mit dem Patientenwillen zu. Das gilt für Infizierte wie für Nicht-Infizierte. Hier brauchen die Versorgenden in der erhöhten Belastung einer Pandemie mehr Unterstützung,“ betont Professor Dr. Steffen Simon von der Uniklinik Köln und einer der beiden Koordinatoren des PallPan-Verbundes.

    Von Seiten der Politik sowie der Kliniken und Pflegeeinrichtungen muss darauf geachtet werden, dass die Palliativversorgungsstrukturen auch und gerade in einer Pandemiesituation aufrecht erhalten bleiben. „Palliativstationen dürfen in einer Pandemie nicht geschlossen werden, vielmehr sollten die ambulanten und stationären palliativmedizinischen Dienste für die notwendige Versorgung von schwerkranken und sterbenden Patientinnen und Patienten arbeitsfähig bleiben und gegebenenfalls angepasst oder sogar erweitert werden – etwa für Infizierte, die nicht mehr geheilt werden können,“ appelliert Professorin Dr. Claudia Bausewein vom LMU Klinikum München, ebenfalls Koordinatorin des PallPan-Verbundes und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP).

    Informationsplattform und Trauerangebote

    Der PallPan-Verbund plant schon weitere Vorhaben: den Aufbau einer webbasierten Informationsplattform, die Entwicklung von Unterstützungsmaterialien für trauernde Angehörige sowie Mitarbeitende in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, die Integration von PallPan in eine „Nationale Pandemic Preparedness“ für das deutsche Gesundheitswesen sowie die stetige Weiterentwicklung der Handlungsempfehlungen.
    Der Forschungsverbund PallPan wird als Teil des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) vom BMBF gefördert. Dem Forschungsverbund gehören die palliativmedizinischen Einrichtungen der Universitätsklinika an den Standorten Aachen, Bonn, Düsseldorf, Erlangen, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Hannover, Jena, Köln, München, Rostock und Würzburg an. Die koordinierende Gesamtleitung haben Professorin Dr. med. Claudia Bausewein vom LMU Klinikum München und Professor Dr. Steffen Simon von der Uniklinik Köln.

    SERVICE:
    Link zur PDF: https://doi.org/10.5281/zenodo.5012504
    Das PallPan-Konsortium lädt zu einer virtuellen Abschlusskonferenz ein, in der die Nationale Strategie vorgestellt wird. (pall.pandemie@med.uni-muenchen.de) Termin ist der 24. Juni 2021, von 14 bis 17.30 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung nicht erforderlich. Einwahllink (Kenncode: 562238): https://lmu-munich.zoom.us/j/95257337713?pwd=TW5Ib1BnYmNVWFBEMUEvTksrTk95QT09

    Kontakt für Journalisten:

    Weitere Informationen zum MHH-Beitrag der PallPan-Studie erhalten Sie bei Professor Dr. Nils Schneider unter schneider.nils@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-2744 oder Professorin Dr. Stephanie Stiel unter stiel.stephanie@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-4548.

    Allgemeine Informationen zu PallPan erhalten sie bei Professorin Dr. Claudia Bausewein, LMU Klinikum München, claudia.bausewein@med.uni-muenchen.de oder Professor Dr. Steffen Simon, Uniklinik Köln, steffen.simon@uk-koeln.de

    STICHWORT

    Nationales Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin zu Covid-19
    Patienten optimal versorgen, Infektionen verhindern, Gesundheitsversorgung erhalten: Die Covid-19-Pandemie bringt Herausforderungen mit sich, die innerhalb kurzer Zeit neue Handlungsstrategien erfordern. Das Nationale Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin zu Covid-19, kurz Netzwerk Universitätsmedizin (NUM), bündelt und stärkt Forschungsaktivitäten zur Bewältigung der aktuellen Lage. Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, koordiniert durch die Charité – Universitätsmedizin Berlin, arbeitet das Forschungsnetzwerk unter Beteiligung aller deutschen Universitätsklinika und weiterer Netzwerke an Lösungen für eine bestmögliche Patientenversorgung in der Pandemie. 13 umfängliche Verbundprojekte mit Leitungen an den verschiedenen Standorten der Universitätsmedizin sind hierfür konzipiert worden. Das Programm ist auf schnelle, unmittelbare Unterstützungswirkungen ausgerichtet. Ein Akzent liegt auf der kliniknahen Forschung und Versorgungsforschung, deren Ergebnisse gemäß dem translationalen Ansatz direkt in Versorgung und Krisenmanagement einfließen. Dem Forschungsnetzwerk und den beteiligten Einrichtungen stehen zur Umsetzung dieser Aufgabe rund 150 Millionen Euro im ersten Jahr bereit, ab 2021 soll das Netzwerk bis zum Jahr 2024 mit weiteren 80 Millionen Euro jährlich bzw. zusätzlichen 240 Millionen Euro gefördert werden. Die gemeinsamen Entwicklungen in Forschung und Patientenversorgung, evidenzbasiertes Vorgehen sowie gegenseitiges Lernen sollen zu einem gemeinsamen Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung und einer „Pandemic Preparedness“ führen. Weitere Informationen: http://www.netzwerk-universitaetsmedizin.de


    Images

    Professorin Dr. Stephanie Stiel und Professor Dr. Nils Schneider.
    Professorin Dr. Stephanie Stiel und Professor Dr. Nils Schneider.
    Copyright: MHH / Karin Kaiser.


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine
    regional
    Cooperation agreements, Research results
    German


     

    Professorin Dr. Stephanie Stiel und Professor Dr. Nils Schneider.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).