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03/16/2004 13:36

Welttuberkulosetag 2004: besorgniserregende Resistenzentwicklung

Heidrun Wothe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Robert Koch-Institut

    Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose & Robert Koch-Institut

    Antibiotikaresistenzen bei Tuberkulose-Erregern sind weltweit verbreitet, und in einigen Regionen, darunter Osteuropa, haben sie erschreckende Ausmaße angenommen. Das sagte Kitty Lambregts von der "STOP TB-Kampagne" der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei der Vorstellung der globalen TB-Medikamenten-Resistenzstudie der WHO in Berlin. "Tuberkulose und resistente Erreger machen an den Grenzen nicht halt", stellt die WHO fest. Auch in Deutschland war bei der Resistenzentwicklung im Jahr 2002 eine steigende Tendenz gegenüber dem Vorjahr erkennbar. Der Anteil der isolierten Tuberkulose-Erreger mit einer Resistenz gegen mindestens eines der fünf Standardmedikamente lag bei 12,1 Prozent (2001: 10,9 Prozent). "Die Tuberkulose muss daher auch in Deutschland mit allen Mitteln verhindert und therapiert werden", betont Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts.

    Weltweit tragen rund zwei Milliarden Menschen das Bakterium in sich, es erkranken jährlich über acht Millionen Menschen an Tuberkulose, ein Drittel davon stirbt an den Folgen der Erkrankung, obwohl es wirksame Medikamente und eine effiziente Strategie der WHO zur Behandlung und Kontrolle gibt ("DOTS" bzw. "DOTS-PLUS"). Bei unregelmäßiger oder abgebrochener Medikamenteneinnahme überleben vor allem solche Bakterienstämme, die unempfindlich gegen die verfügbaren Medikamente sind, also eine Resistenz besitzen. Dann ist die Behandlung sehr viel schwieriger und um ein Vielfaches teurer.

    In den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion (NUS) hat sich die Sterblichkeit an Tuberkulose seit 1990 nahezu verdreifacht auf 20 pro 100.000 Einwohner. Viele Personen werden aufgrund von Bagatelldelikten zu langen Haftstrafen verurteilt. In den Gefängnissen begünstigen schlechte hygienische Verhältnisse und Überfüllung eine Übertragung der Erreger. "Wegen der völlig unzureichenden medizinischen Versorgung kann eine Tuberkuloseerkrankung gleichbedeutend mit einem Todesurteil sein", meint Robert Loddenkemper, Lungenfacharzt in der Lungenklinik Heckeshorn (Berlin) und Generalsekretär des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK). Das DZK, das Nationale Referenzzentrum für Mykobakterien, die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe und andere deutsche Institutionen engagieren sich auch international bei der Bekämpfung der Tuberkulose vor Ort. Hinzu kommt, dass in den NUS der weltweit höchste Anstieg von HIV/AIDS beobachtet wird. "Damit ist dort eine weitere Zunahme der Tuberkulose zu befürchten, weil das durch HIV geschwächte Immunsystem dem Tuberkuloseerreger kaum etwas entgegenzusetzen hat", unterstreicht RKI-Präsident Kurth.

    In Deutschland wurden im Jahr 2002 insgesamt 7.684 Neuerkrankungen gemäß Referenzdefinition übermittelt. Der Trend der vergangenen zehn Jahre ist rückläufig. Für 2001 liegen nun erstmals auch die vom Öffentlichen Gesundheitsdienst erhobenen Daten zum Behandlungsergebnis vor. Die Zielvorgabe der WHO (Behandlungserfolg in 85% der Fälle) wurde bei den unter 40-Jährigen erreicht. Bei höheren Altersgruppen kommt es zu einem Anstieg von Todesfällen an Tuberkulose oder anderen Ursachen, sodass der Anteil erfolgreicher Behandlungen deutlich unter das WHO-Ziel sinkt.

    Weitere Informationen: http://www.rki.de/INFEKT/INFEKT.HTM

    *****************************************
    Herausgeber:
    Robert Koch-Institut
    Pressestelle
    Nordufer 20
    13353 Berlin

    Tel.: 01888-754-2286
    Fax: 01888-754-2265
    E-Mail: presse@rki.de
    www.rki.de

    Anlage:

    Zusätzliche Hintergrundinformationen

    Herkömmliche Tuberkulose Medikamente in Osteuropa und der Russischen Föderation häufig unwirksam

    WHO veröffentlicht weltweit größte Medikamentenresistenzstudie

    Berlin, 16. März 2004. Die Entwicklung multiresistenter Tuberkulose (MDR TB) bei Tuberkulose (TB) - Patienten ist in Teilen Osteuropas und der Russischen Föderation bis zu 10 mal häufiger als in anderen Teilen der Welt. Dies ist eines der Ergebnisse einer neuen Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

    Von den zehn so genannten "Hot Spots", Regionen in denen sich eine besonders hohe Resistenz gegen herkömmliche TB Medikamente entwickelt hat, befinden sich 6 in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. In Estland, Kasachstan, Lettland, Litauen sowie Teilen der Russischen Föderation und Usbekistan wirkten bei über 9% der untersuchten TB - Patienten traditionelle TB Medikamente bereits nicht mehr. Die höchste Resistenz war dabei in Kasachstan mit über 14% gefunden worden.

    In absoluten Zahlen ausgedrückt heißt dies: zwischen 99 und 248 geschätzte MDR-TB Fälle pro Land in den untersuchten Regionen in Osteuropa und Zentralasien, für Kasachstan sogar über 3000 Fälle jedes Jahr. Zum Vergleich, in den meisten westeuropäischen Ländern, wie z.B. auch Deutschland, sind es jährlich jeweils weniger als 10 Fälle. Die frühere Sowjetunion hat sich zum weltweiten Zentrum der Resistenz gegen herkömmliche TB Medikamente entwickelt. Dabei liegen die Ursachen für diese dramatische Entwicklung insbesondere im Zusammenbruch der öffentlichen Gesundheitsversorgung nach dem Niedergang der ehemaligen Sowjetunion.

    TB ist eine heilbare Krankheit, sofern Patienten rechtzeitig und mit einer Kombination hochwirksamer Medikamente behandelt werden. Mehrfach resistente Tuberkulose - wie alle Formen von TB durch die Luft über die Atemwege übertragbar - kann sich entwickeln, wenn TB -Patienten zum Beispiel die Behandlung mit den ihnen verschriebenen Medikamenten zu früh abbrechen oder sich nicht an die vom Arzt verschriebene Dosierung halten. MDR-TB ist dann sehr viel schwieriger (durchschnittliche Behandlungsdauer 2 Jahre mit ungewissem Ausgang) und auch nur mit sehr viel höherem Kostenaufwand (bis zu 100 mal teurer gegenüber herkömmlichen Tuberkulose-Medikamenten) zu behandeln.

    "Es liegt im ureigensten Interesse Westeuropas, den Ländern in Osteuropa und Zentralasien sowie auch den anderen am schwersten betroffenen Ländern in der Welt - wie z.B. China und Indien - zu helfen, Tuberkulose wirksam zu bekämpfen. Denn, Passkontrollen halten MDR-TB nicht auf, Investitionen in weltweite Tuberkulose-Prävention schon," sagte Dr. Mario Raviglione, Direktor des Stop TB-Programms der WHO.

    Laut dem neusten WHO-Report gibt es weltweit schätzungsweise 300.000 neue Fälle von MDR-TB jedes Jahr. Über 79% dieser Fälle davon sind noch weitaus gefährlicher, denn die gefundenen Tuberkulosestämme sind gegenüber mindestens 3 der 4 Haupt-Medikamente, die normalerweise zur Behandlung von Tuberkulose eingesetzt werden, resistent.

    Die zusätzliche explosionsartige Entwicklung von HIV/Aids in Osteuropa und Zentralasien macht MDR TB zu einer noch größeren Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen. Patienten, deren Immunsystem geschwächt ist, haben eine viel höhere Wahrscheinlichkeit sich mit TB anzustecken.

    Die Länder der ehemaligen Sowjetunion verzeichnen den schnellsten Anstieg an HIV-Infizierungen weltweit. Laut dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) leben bereits über 1,5 Millionen Menschen mit dem Virus in der Region. Zum Vergleich, im Jahre 1995 waren es 30.000.

    "Menschen mit einem angegriffenen Immunsystem bieten MDR-TB eine perfekte Möglichkeit sich schnell zu verbreiten und zu töten," sagte der Assistant Director General der WHO für den Bereich HIV/Aids, TB und Malaria, Dr. Jack Chow. "Wir müssen deshalb unsere Anstrengungen verstärken um die Verbreitung aller Formen von TB weltweit wirksam zu bekämpfen."

    Laut der neuen WHO-Studie ist die wirkungsvollste Strategie, das Aufkommen von Medikamentenresistenz zu verhindern, die konsequente Umsetzung der erprobten DOTS (Directly Observed Treatment, Short Course)-Strategie. DOTS ist ein fünfstufiger Plan zur Behandlung von TB und zur Vermeidung von MDR-TB. Die konsequente Anwendung von DOTS stellt sicher, dass Patienten ihre Medikamente in der richtigen Dosierung, zum richtigen Zeitpunkt und über die gesamte Behandlungsperiode hinweg kontinuierlich einnehmen.

    Veraltete Strategien zur Bekämpfung von TB, wie sie bisher in Osteuropa und in der Russischen Föderation angewendet wurden, sind erst seit kurzem verbessert worden. DOTS wird nun auch in diesen Ländern von den nationalen TB Bekämpfungs-Programmen praktiziert, um die Ausbreitung von TB und die Entwicklung neuer MDR-TB Fälle zu stoppen. In den am schlimmsten betroffenen Regionen wird das DOTS-PLUS Programm angewendet, um insbesondere die multi-resistenten Fälle besser bekämpfen zu können. Es hat sich bei der Bekämpfung von MDR-TB sehr bewährt. Die für DOTS-PLUS notwendigen Medikamente sind allerdings weitaus teurer.

    Neben der flächendeckenden Nutzung von DOTS bzw. DOTS-PLUS, werden dringend finanzielle Mittel für die Entwicklung neuer Medikamente benötigt, um die Anstrengungen in den betroffenen Gebieten wirksam zu unterstützen. Regierungen, Hilfsorganisationen und pharmazeutische Unternehmen müssen so schnell wie möglich handeln, um eine weitere Ausbreitung der MDR TB Epidemie zu verhindern.

    "Je mehr wir uns mit diesem Problem beschäftigen und forschen, desto mehr MDR-TB - Fälle finden wir", sagte einer der Autoren der Studie, Dr. Mohamed Aziz. "Wir haben MDR TB in nahezu allen untersuchten Gebieten gefunden. Allerdings, das wahre weltweite Ausmaß ist noch immer unbekannt und kann nur geschätzt werden. Das Problem von MDR TB kann in Gebieten, die bisher noch nicht untersucht wurden sogar noch weitaus größer sein. Deshalb müssen wir unsere Forschungen so schnell wie möglich ausweiten, um dieser gefährlichen Krankheit nicht nur in der Behandlung sondern vor allen auch im Bereich der Prävention und Früherkennung besser und schneller begegnen zu können."

    Der globale TB Medikamenten Resistenz Report der WHO - die größte Medikamenten-Resistenz-Studie ihrer Art - beruht auf der Analyse von Daten aus der Untersuchung von über 64.000 Patienten in 77 Ländern und Regionen weltweit.

    Für zusätzliche Informationen wenden Sie sich bitte an Glenn Thomas in London unter +41-79-509-0677 oder Thomas Schönemann in Berlin unter +49 173 65 05 735. Eine elektronische Kopie des Reports können Sie sich auf der Internet-Seite der WHO - www.who.int - herunter laden.


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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