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07/27/2021 09:40

Studie zeigt, warum Bierdeckel nicht geradeaus fliegen

Svenja Ronge Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Wer schon einmal daran gescheitert ist, einen Bierdeckel in einen Hut zu werfen, sollte nun aufhorchen: Physiker der Universität Bonn haben herausgefunden, warum diese Aufgabe so schwierig ist. Aus ihrer Studie lässt sich aber auch schließen, wie man seine Treffsicherheit und Reichweite deutlich erhöhen kann. Die Ergebnisse erscheinen im European Physical Journal Plus.

    Bierdeckel schützen den Tisch vor unschönen Feuchtigkeits-Ringen. Es soll aber auch vorkommen, dass sie als Wurfgeschosse zweckentfremdet werden. Meist mit wenig Erfolg: Schon nach kurzer Zeit verlässt die Pappunterlage nämlich ihre Bahn, trudelt zur Seite und fällt zu Boden. Doch warum ist das so?

    Physiker vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik und des Argelander Instituts für Astronomie der Universität Bonn sind dieser Frage nun nachgegangen. Demnach ist das Verhalten des Deckels unausweichlich, zumindest bei der üblichen Wurftechnik: Nach spätestens 0,45 Sekunden beginnt er unweigerlich abzudriften. Spielkarten kommen schon nach 0,24 Sekunden auf die schiefe Bahn, CDs erst nach 0,8 Sekunden.

    Grund ist das Zusammenspiel von Gravitation, Auftrieb und Drehimpuls-Erhaltung: Einerseits kippt der Deckel durch die Schwerkraft schon kurz nach dem Wurf etwas nach hinten. Er bekommt also einen Anstellwinkel, ähnlich wie ein landendes Flugzeug. Diese Neigung sorgt im Luftstrom für Auftrieb. „Allerdings greift die Auftriebs-Kraft nicht im Zentrum des Deckels an, sondern im vorderen Drittel“, erklärt Physikdoktorand Johann Ostmeyer, der die Idee zu der Studie hatte.

    Normalerweise würde sich die runde Pappe daher bald überschlagen. Das tut sie auch tatsächlich – aber nur, wenn sie eher unkonventionell geworfen wurde. „Meist wird ein Bierdeckel beim Wurf in Drehung versetzt, ähnlich wie ein Frisbee“, sagt Ostmeyers Kollege Christoph Schürmann vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn. „Er wird so zu einer Art Kreisel.“ Diese Rotation stabilisiert den Flug und verhindert das Überschlagen. Stattdessen führt die Auftriebskraft dazu, dass der Deckel zur Seite abdriftet – nach rechts, wenn er linksherum rotiert; andernfalls nach links.

    Bierdeckel-Wurfmaschine entworfen

    Gleichzeitig richtet er sich auf – er liegt also nicht mehr parallel zum Boden, sondern steht in der Luft, wie ein rotierendes Rad. In dieser Position hat der Deckel einen Backspin – würde er tatsächlich wie ein Rad auf dem Boden stehen, würde er also zum Ausgangspunkt zurücklaufen. Im Flug verliert er nun schnell an Höhe und fällt zu Boden. Dieser Ablauf ist für alle flachen, runden Objekte charakteristisch.

    Die Idee zu der Studie entstand bei einem Ausflug des Physik-Show-Teams der Universität Bonn nach München. Die Veranstaltung zieht mit ihren faszinierenden physikalischen Experimenten regelmäßig mehrere hundert Besucherinnen und Besucher in ihren Bann. Bei einem gemeinsamen Kneipenbesuch der Beteiligten kam die Frage auf, warum sich fliegende Bierdeckel so verhalten, wie sie es tun.

    Nach ihrer Rückkehr gingen die Physiker diese Frage systematisch an: Sie entwarfen eigens eine Bierdeckel-Wurfmaschine und zeichneten die Flüge mit einer Hochgeschwindigkeits-Kamera auf. So konnten sie kontrollieren, ob ihre theoretischen Vorhersagen mit den Beobachtungen aus der Praxis übereinstimmten. „Einen Anwendungsbezug hat das Projekt nicht“, erklärt Prof. Dr. Carsten Urbach vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn. „Allerdings ist das Problem für Laien und Physiker gleichermaßen anschaulich. Und es bildet sehr schön den kompletten Prozess ab, in dem die Naturwissenschaften Erkenntnisse gewinnen – von der Beobachtung über die Theorie und ihre experimentelle Überprüfung bis gegebenenfalls hin zu ihrer Anpassung und Weiterentwicklung.“

    Spielkarten fliegen bis zu 60 Meter weit

    Am stabilsten und damit weitesten fliegen Bierdeckel übrigens, wenn sie sich sehr rasch drehen – ein Trick, den auch der wohl weltbeste Spielkarten-Werfer Rick Smith Jr. beherrscht, dessen Rekord-Wurfweite mehr als 60 Meter beträgt. Länger als 0,45 Sekunden bewegen sich aber auch schnell rotierende Bierdeckel nicht geradeaus. „Wer wirklich weit und genau werfen möchte, der sollte die Deckel direkt senkrecht aufrichten und in Rückwärtsdrehung versetzen“, erklärt Ostmeyer – und warnt im selben Atemzug vor möglichen Verletzungen.

    Nicht umsonst findet sich am Ende der Publikation eine vorsorgliche Abbitte: „Unsere ehrliche Entschuldigung gilt allen, die von einem Bierdeckel getroffen wurden, sei es durch ungenaues Zielen oder dadurch, dass andere durch uns zu albernen Experimenten angestiftet wurden.“

    Förderung:
    Die Studie wurde aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der National Natural Science Foundation of China (NSFC) unterstützt.


    Contact for scientific information:

    Johann Ostmeyer
    Arbeitsgruppe Prof. Urbach
    Tel.: +49 228 732374
    E-Mail: ostmeyer@hiskp.uni-bonn.de

    Prof. Dr. Carsten Urbach
    Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik
    Tel.: +49 228 732379
    E-Mail: urbach@hiskp.uni-bonn.de


    Original publication:

    Johann Ostmeyer, Christoph Schürmann & Carsten Urbach: Beer Mats make bad Frisbees; The European Physical Journal Plus; https://doi.org/10.1140/epjp/s13360-021-01732-1


    More information:

    Video "Bierdeckel sind schlechte Frisbees"


    Images

    Der Flugbahn von Bierdeckeln auf der Spur: das Physikerteam Christoph Schürmann, Johann Ostmeyer und Prof. Dr. Carsten Urbach (v.l.)
    Der Flugbahn von Bierdeckeln auf der Spur: das Physikerteam Christoph Schürmann, Johann Ostmeyer und ...
    uni-bonn.tv
    © Carsten Urbach


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
    Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Der Flugbahn von Bierdeckeln auf der Spur: das Physikerteam Christoph Schürmann, Johann Ostmeyer und Prof. Dr. Carsten Urbach (v.l.)


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