Typisch für die Chromosomen der meisten Tiere und Pflanzen sind Monozentromere. Das Zentromer ist für den Transport der Chromosomen notwendig und stellt die Verbindungsstelle zwischen den Chromatiden dar. So entsteht die klassische X-Form des Chromosoms. Bei geschätzt 350.000 Arten, darunter Schmetterlinge, Fadenwürmer und einigen Pflanzen, sind die Zentromere aber über die gesamte Länge des Chromosoms verteilt. Daher werden sie als Holozentromere bezeichnet. Ein Forschungsteam des IPK Leibniz-Institutes hat jetzt mittels Modellierung untersucht, wie sich im Zuge der Zellteilung bei diesen Arten das Zentromer dynamisch verändert.
Holozentrische Pflanzenarten wie Cyperus papyrus haben schon bei den alten Ägyptern eine große Bedeutung gehabt. „Aus dieser Faserpflanze wurde damals eines der ersten Papiere hergestellt“, sagt Prof. Dr. Andreas Houben, Leiter der Arbeitsgruppe Chromosomenstruktur und -funktion am IPK Leibniz-Institut. Was all diese Arten gemeinsam haben, ist ein evolutionärer Vorteil. Bricht ein Stück des Chromosoms durch Mutagenese ab, geht das entsprechende Fragment bei monozentrischen Arten verloren. „Das passiert bei holozentrischen Arten nicht, denn dort erstreckt sich das Zentromer über das gesamte Chromosom“, erklärt der IPK-Wissenschaftler.
Das Forschungsteam wollte nun aber wissen, wie der Prozess der Zellteilung bei diesen Arten abläuft. Zunächst docken die Spindelfasern am Zentromer an und ziehen dann die beiden Chromatiden auseinander. „Das funktioniert so wie bei einem Gummiband“, erläutert Prof. Dr. Andreas Houben. In der sogenannten Interphase fällt das Holozentromer auseinander, und es bilden sich unzählige zentromerische Einheiten, die gleichmäßig im Zellkern verteilt sind. In der anschließenden Mitose kondensiert das Chromosom und die zentromerischen Einheiten bilden Schritt für Schritt ein linienförmiges Zentromer entlang der Chromatiden.
Mit Hilfe einer Modellierung konnte die IPK-Nachwuchswissenschafterin Dr. Amanda Câmara aus der von Dr. Martin Mascher geleiteten Arbeitsgruppe Domestikationsgenomik nachweisen, dass in diesem Prozess ein sogenannter SMC-Proteinkomplex eine entscheidende Rolle spielt. Die Ergebnisse wurden nun im Magazin Nucleic Acids Research veröffentlicht.
„Wenn der Proteinkomplex in die Nähe einer zentromerischen Einheit kommt, wird er auf dem Chromatinfaden fixiert“, erklärt Dr. Amanda Câmara. In der Folge bilden sich mehrere Schleifen, das Chromosom wird somit verdichte und es bildet sich eine zentromerische Linie, aus der letztlich das neue Holozentromer entsteht. „Damit ist der SMC-Komplex ganz essentiell für die Dynamik von Holozentromeren. Diese durch die Modellierung entdeckte mögliche Funktion des SMC war bisher nicht bekannt“, sagt die IPK-Wissenschaftlerin.
Im nächsten Schritt werden die Forscherinnen und Forscher am IPK nun versuchen, die Ergebnisse der Modellierung auch experimentell zu bestätigen.
Prof. Dr. Andreas Houben
Tel.: +49 39482 5486
houben@ipk-gatersleben.de
Dr. Amanda Souza Camara
Tel.: +49 39482 5833
camara@ipk-gatersleben.de
Câmara et al. (2021), A simple model explains the cell cycle-dependent assembly of centromeric nucleosomes in holocentric species.
Nucleic Acids Research
DOI: 10.1093/nar/gkab648
Dynamik bei Holozentromeren
IPK
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology
transregional, national
Research results
German
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