"dadada", "mamama", "baba" – jeder, der Kinder hat, kennt dieses stimmliche Übungsverhalten, das als Babbeln bezeichnet wird und einen Meilenstein in der Sprachentwicklung von Kindern darstellt. Erfolgreicher Spracherwerb erfordert die Fähigkeit, sogenannte kanonische Silben wie /da/ ba/ga/ produzieren zu können, und Kinder üben dies während sie babbeln. Eine neue Studie, die von Wissenschaftlerinnen des Museums für Naturkunde Berlin in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, zeigt erstmals, dass das Babbelverhalten der Großen Sackflügelfledermaus Saccopteryx bilineata viele Parallelen zum Babbeln von Kleinkindern aufweist.
Mehr als alles andere definiert Sprache uns als Menschen. Der Sprechakt erfordert eine präzise Kontrolle über unseren Stimmapparat, vor allem über Bewegungen der Zunge, der Lippen und des Kiefers. Jedes Kleinkind steht vor der Herausforderung, ebendiese präzise Kontrolle zu erlangen, um Sprachlaute produzieren zu können. Diese Fertigkeit wird während des Babbelns eingeübt. Die typische Sprachentwicklung eines Kleinkindes beinhaltet daher eine Babbelphase, unabhängig von kulturellen Einflüssen und der Muttersprache die erworben wird, und weist somit universelle Schlüsselmerkmale auf.
Vergleichende Forschung zur vokalen Entwicklung von unterschiedlichen Tierarten verrät uns viel über unseren eigenen Spracherwerb. Besonders spannend sind Tierarten, welche wie wir die Fähigkeit zur vokalen Imitation besitzen. Ein ähnliches Übungsverhalten wie das menschliche Babbeln ist jedoch ein äußerst seltenes Phänomen bei Tieren, bisher wurde es fast ausschließlich bei Singvögeln beschrieben. Die Forschung zur Gesangsentwicklung bei Singvögeln hat uns wichtige Erkenntnisse über die Sprachentwicklung beim Menschen geliefert. Allerdings haben Singvögel und Menschen unterschiedliche Lautapparate – Vögel besitzen eine Syrinx, wir einen Larynx – und einen unterschiedlichen Aufbau des Gehirns, sodass sich nur bedingt direkte Schlüsse für den Menschen aus der Singvogelforschung ziehen lassen.
Nun gibt es aber ein Säugetier, welches zwar auf den ersten Blick wenig Ähnlichkeit zum Menschen besitzt und daher für vergleichende Forschung zur Sprachentwicklung zunächst eher ungewöhnlich erscheint: die Große Sackflügelfledermaus Saccopteryx bilineata. Besonders an dieser Fledermausart ist, dass sie zur vokalen Imitation fähig ist und die Jungtiere während ihrer Entwicklung ein auffälliges vokales Übungsverhalten zeigen, welches sehr an das Babbeln von Kleinkindern erinnert.
Ein Team von Wissenschaftlerinnen des Museums für Naturkunde Berlin, Ahana A. Fernandez, Lara S. Burchardt, Martina Nagy und Mirjam Knörnschild, untersuchte das Babbelverhalten von 20 Jungtieren in ihrem natürlichen Lebensraum in Panama und Costa Rica. Für die Datenaufnahme wurden die Fledermäuse an die Anwesenheit der Forscherinnen in unmittelbarer Nähe ihrer Tagesquartiere gewöhnt. So war es möglich, über den gesamten Zeitraum von Geburt bis zur Entwöhnung (der Zeitpunkt, an dem die Mütter aufhören, ihre Jungen zu säugen), täglich akustische Aufnahmen und Videoaufnahmen von den Jungtieren zu machen. "Mit wilden Fledermausjungtieren arbeiten zu können, ist eine einzigartige Gelegenheit, weil sie die Beobachtung und Aufzeichnung eines komplexen Verhaltens in einer völlig natürlichen, ungestörten Umgebung ermöglicht", erklärt Ahana Fernandez. Während durchschnittlich sieben Wochen ihrer Entwicklung babbeln die Jungtiere täglich. Das Babbeln ist durch lange, vielsilbige Sequenzen gekennzeichnet, die Silbentypen des adulten vokalen Repertoires beinhalten. "Das Babbeln der Jungtiere ist ein sehr auffälliges Übungsverhalten, es ist noch in beträchtlicher Entfernung zum Tagesquartiers zu hören und die einzelnen Babbelsequenzen können bis zu 43 Minuten andauern", sagt Martina Nagy, "und während des Babbelns lernen die Jungtiere den Gesang der erwachsenen Männchen zu imitieren". Zurück in Deutschland wurden die akustischen Aufnahmen analysiert, um die Eigenschaften des Babbelns zu untersuchen. Die Forscherinnen fanden heraus, dass das Babbeln der Fledermausjungtiere durch dieselben acht Merkmale gekennzeichnet ist, die auch menschliches Babbeln charakterisieren. "Zum Beispiel ist das Babbeln der Fledermausjungtiere durch die Wiederholung von Silben gekennzeichnet, ähnlich der charakteristischen Silbenwiederholung - /dadada/ - beim menschlichen Babbeln", sagt Lara Burchardt. Außerdem ist das Babbeln der Fledermausjungtiere rhythmisch und tritt bei allen männlichen und weiblichen Fledermausjungtieren auf - was in starkem Kontrast zu Singvögeln steht, bei denen nur junge Männchen babbeln.
"Es ist faszinierend, so deutliche Parallelen zwischen dem stimmlichen Übungsverhalten zweier vokal lernenden Säugetiere zu finden", sagt Mirjam Knörnschild. "Unsere Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Biolinguistik, einem interdisziplinären Forschungsgebiet, das sich auf die biologischen Grundlagen der menschlichen Sprache konzentriert, um ihre Evolution zu untersuchen." Die Erforschung einer vokal lernenden, babbelnden Fledermausart könnte uns somit ein weiteres Puzzlestück liefern, um den evolutiven Ursprung menschlicher Sprache besser zu verstehen.
Publikation: Fernandez AA, Burchardt LS, Nagy M, Knörnschild M (2021). Babbling in a vocal learning bat resembles human infant babbling. Science.
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Language / literature
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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