idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/27/2021 14:02

Ihre Lernfähigkeit erleichtert Tabakschwärmern die Wahl der Nektarquelle und des Eiablageplatzes

Angela Overmeyer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

    Max-Planck-Forscherinnen und -Forscher haben neue Erkenntnisse über die Lernfähigkeit von Tabakschwärmern gewonnen. Erlernte Düfte beeinflussen die Vorlieben der Falter für bestimmte Blüten und Wirtspflanzen. Dabei reicht ein einziges abgelegtes Ei auf einer Pflanze aus, um diese auch noch nach 24 Stunden als erste Wahl wieder zu besuchen. Riechzellen auf dem Saugrüssel spielen hingegen beim Lernen keine Rolle.

    Max-Planck-Forscherinnen und -Forscher haben neue Erkenntnisse über die Lernfähigkeit von Tabakschwärmern gewonnen. In zwei aktuellen Publikationen berichten sie, dass das Erlernen von Düften nicht nur bei der Futtersuche eine Rolle spielt, sondern dass weibliche Falter bei der Wahl des Eiablageplatzes ebenfalls von zuvor erlernten Gerüchen beeinflusst werden (Journal of Chemical Ecology doi: 0.1007/s10886-021-01309-3). Dabei reicht ein einziges abgelegtes Ei auf einer Pflanze aus, um diese auch noch nach 24 Stunden als erste Wahl wieder zu besuchen. Hingegen scheint die zweite Nase der Falter, die Spitze des Saugrüssels, auf der sich ebenfalls Riechzellen befinden, beim Erlernen von Düften und den darauf basierenden Entscheidungen bei der Futtersuche keine Rolle zu spielen (Journal of Experimental Biology, doi: 10.1242/jeb.242780). Die Ergebnisse geben Hinweise auf die Anpassungsfähigkeit dieser Insekten an ihre Umwelt.

    Lernfähigkeit bestimmt auch die Eiablage

    In einer früheren Studie konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Bill Hansson und Markus Knaden aus der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie bereits zeigen, dass Tabakschwärmer Düfte als Hinweis auf eine Nektarquelle lernen können, die sie zuerst als unangenehm wahrgenommen hatten (siehe https://idw-online.de/de/news753545). Die Insekten hatten sich in dieser Studie als sehr lernfähig im Hinblick auf Nahrungsquellen herausgestellt. Daher wollten die Forschenden wissen, ob sich Lernen auch auf das Eiablageverhalten auswirkt. In Verhaltensexperimenten stellten sie in einem ersten Schritt Tabakschwärmerweibchen vor die Wahl, ihre Eier entweder auf einem Blatt der wilden Tabakart Nicotiana attenuata oder des Kalifornischen Stechapfels Datura wrightii abzulegen. Die unerfahrenen Falter, die vorher noch kein Ei auf eine Pflanze gelegt hatten, zeigten eine angeborene Vorliebe für die Blätter des Stechapfels. Im zweiten Schritt wurden ebenfalls unerfahrene Weibchen auf eine bestimmte Pflanzenart trainiert: Die Falter konnten ihr Ei im Training entweder nur auf einem Tabakblatt oder einem Stechapfelblatt ablegen. Im dritten Schritt wollten die Forschenden wissen, ob dieses Training die Entscheidung für oder gegen eine der Pflanzen beeinflusst. „Wir waren sehr erstaunt zu beobachten, dass bereits eine einzige Eiablageerfahrung ausreicht, um das Interesse danach auf genau die Pflanze zu richten, auf der zuvor schon einmal ein Ei abgelegt worden war. Diese Pflanze lernten Tabakschwärmer selbst dann, wenn nur ein Blatt für die Eiablage zur Verfügung stand und diese Erfahrung somit von der Blüte als Nektarquelle entkoppelt war,“ fasst Erstautorin Nandita Nataraj die Ergebnisse zusammen. Offenbar stellt eine erfolgreiche Eiablage an sich schon eine Belohnung dar, an die sich die Falter später erinnern und die zukünftiges Verhalten beeinflusst.

    Insgesamt erbrachte die Auswertung der Experimente, dass die Präferenz für Tabak nach 24 Stunden deutlicher nachließ als die Vorliebe für Stechapfel, dessen Blätter sie in der Natur bevorzugen. Die angeborene Präferenz in Kombination mit Erfolgslernen scheint ein evolutionärer Vorteil zu sein, durch den das schwere Insekt, das beim Fliegen und Schweben über einer Pflanze viel Energie verbraucht, effektiver und ressourcenschonender seine Eier ablegen kann. Außerdem ist es besser vor Feinden geschützt, wenn es nicht so lange suchen muss und schneller ans Ziel, das heißt zu seiner Wirtpflanze, gelangt.

    Tabakschwärmer lernen Düfte mit ihren Antennen, nicht aber mit ihrer zweiten Nase: der Spitze ihres Saugrüssels

    Tabakschwärmern können nicht nur Wirtspflanzen für eine effizientere Eiablage lernen, sie erinnern sich auch an Blütendüfte, die sie bei der Futtersuche schneller zu einer Nektarquelle führen. Tabakschwärmer nehmen die duftenden Hinweise auf Nektar über ihre Antennen wahr. In einer Studie aus dem Jahr 2016 hatte das Team von Markus Knaden jedoch herausgefunden, dass Riechzellen auf der Spitze des Saugrüssels bei Tabakschwärmern eine Art zweite Nase darstellen (siehe https://idw-online.de/de/news653141). Daher wollten die Forschenden nun wissen, ob die Falter mit diesem zusätzlichen Geruchsorgan ebenfalls Düfte lernen können.

    „Die größte Herausforderung für unsere Studie war das Design einer künstlichen Blüte, die den Blütenduft in ihrem Inneren behält und nicht nach außen dringen lässt. Wäre der Duft auch außerhalb der Blüte wahrnehmbar, hätten wir nicht zwischen dem Duftlernen mit den Antennen und mit dem Saugrüssel unterscheiden können“, beschreibt die Erstautorin Elisabeth Adam die Besonderheit des experimentellen Setups. Die Falter sind in ihrer natürlichen Umgebung dämmerungsaktiv und folgen auch visuellen Reizen. Daher entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Blüte aus blauem Acryl, die Falter auch ohne Duft gezielt anlockte.

    Die Auswertung von Verhaltensexperimente im Windtunnel ergab, dass Tabakschwärmer Düfte, die sie lediglich mit ihrem Saugrüssel wahrnehmen, nicht lernen. Frühere Erfahrungen mit bestimmten Düften innerhalb der Blüte veränderten das Futtersuchverhalten daher nicht. „Wir wissen aus früheren Studien, dass beim Lernen höhere Hirnregionen eingebunden sind. Vermutlich hat der Saugrüssel eher eine Rolle als Tast- oder Geschmacksorgan, um die Qualität einer Blüte zu bewerten. Er nimmt Düfte daher vermutlich anders wahr und leitet sie auch nicht an höhere Hirnareale weiter,“ erläutert Elisabeth Adam die Ergebnisse.

    Tabakschwärmer Manduca sexta: Ein ideales Modell um die Auswirkungen von Lernen auf das geruchsgesteuerte Verhalten in einem Insekt zu untersuchen

    Tabakschwärmer zeigen auch unter Laborbedingungen viele komplexe Verhaltensweisen. Das Folgen einer Duftfahne, die auf Blütennektar hinweist, oder die Unterscheidung zwischen geeigneten und nicht geeigneten Wirtspflanzen, auf denen sie Eier ablegen und auf denen der Raupennachwuchs gut gedeihen kann, sind dabei von besonderem ökologischem Interesse. „Wir wissen bei diesem Insekt bereits sehr viel über die Geruchswahrnehmung, insbesondere welche Gehirnregionen an der Weiterleitung und Verarbeitung der Duftreize beteiligt sind. Die Falter sind also ideale Modelle um Geruchswahrnehmung und Lernen zu untersuchen – und zwar von ersten Kontakt mit einem Duftmolekül über die Reizweiterleitung bis hin zum ausgelösten Verhalten,“ fasst Studienleiter Markus Knaden zusammen.

    Weitere Untersuchungen sollen sich nun den Fragen widmen, ob Tabakschwärmer auch lernen können ihre Eier auf Pflanzen zu legen, die nicht zu ihrem Wirtsspektrum gehören und ob sie auch eine Vielzahl unterschiedlicher Blüten und Wirtspflanzen lernen können. Auch soll in weiteren Experimenten überprüft werden, wie der Falter die Riechzellen auf dem Saugrüssel nutzt, um Blütendüfte zu bewerten.


    Contact for scientific information:

    Dr. Markus Knaden, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena, Tel. +49 3641 57-1421, E-Mail mknaden@ice.mpg.de


    Original publication:

    Nataraj, N., Adam, E., Hansson, B. S., Knaden, M. (2021). Host plant constancy in ovipositing Manduca sexta. Journal of Chemical Ecology, doi: 0.1007/s10886-021-01309-3
    https://doi.org/10.1007/s10886-021-01309-3

    Adam, E., Hansson, B. S., Knaden, M. (2021). Moths sense but do not learn flower odors with their proboscis during flower investigation Journal of Experimental Biology 224, jeb242780. doi:10.1242/jeb.242780
    http://dx.doi.org/10.1242/jeb.242780


    More information:

    https://www.ice.mpg.de/ext/index.php?id=evolutionary-neuroethology&L=1 Abteilung Evolutionäre Neuroethologie am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie


    Images

    Tabakschwärmer (Manduca sexta) auf einem Prototyp mit künstlicher weißer Blüte
    Tabakschwärmer (Manduca sexta) auf einem Prototyp mit künstlicher weißer Blüte
    Sebastian Reuter


    Attachment
    attachment icon Oviposition experiment with Manduca sexta female

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Tabakschwärmer (Manduca sexta) auf einem Prototyp mit künstlicher weißer Blüte


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).