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01/28/2022 14:39

Lückenlose Erwerbsbiographie sorgt für Stabilität in Ressourcen und Wohlbefinden

Timo Fuchs Pressestelle
Universität Vechta

Maria Pavlova, Professorin für psychologische Gerontologie an der Universität Vechta hat eine groß angelegte Studie veröffentlicht, welche die Auswirkungen einer lückenlosen Erwerbsbiographie den Folgen der anhaltenden Arbeitslosigkeit gegenüberstellt. Überraschenderweise stellte sich dabei heraus, dass in Deutschland weder stabile Beschäftigung besonders viel bringt noch anhaltende Arbeitslosigkeit allzu gravierende Auswirkungen hat.

Maria Pavlova, Professorin für psychologische Gerontologie an der Universität Vechta hat eine groß angelegte Studie veröffentlicht, welche die Auswirkungen einer lückenlosen Erwerbsbiographie den Folgen der anhaltenden Arbeitslosigkeit gegenüberstellt. Überraschenderweise stellte sich dabei heraus, dass in Deutschland weder stabile Beschäftigung besonders viel bringt noch anhaltende Arbeitslosigkeit allzu gravierende Auswirkungen hat.

Die Studie basiert auf 28 jährlichen Beobachtungen aus dem German Socio-Economic Panel (SOEP), der größten für die Bevölkerung repräsentativen Befragung in Deutschland. Der SOEP wird vom DIW Berlin jährlich durchgeführt. Maria Pavlova hat die Daten aus dem Zeitraum 1985-2012 mithilfe eines komplexen statistischen Verfahrens (längsschnittliche Mehrebenenanalyse) ausgewertet, welches echte Veränderungen über die Zeit hinweg (im Gegensatz zu stabilen Unterschieden zwischen den Personen) erkennen lässt.

Über Jahre genossen kontinuierlich Erwerbstätige hohe Stabilität in Ressourcen wie Einkommen oder Verfügbarkeit der sozialen Unterstützung sowie im Wohlbefinden. Demgegenüber erlitten kontinuierlich Arbeitslose Verluste in Ressourcen. Diese waren aber meistens auf den ökonomischen Bereich eingeschränkt. So waren Einkommenseinbußen, steigende finanzielle Sorgen und subjektiv deutlich sinkende Chancen auf dem Arbeitsmarkt unter langjährigen Arbeitslosen erwartungsgemäß zu beobachten. Außerdem wurde mit der steigenden Dauer der Erwerbslosigkeit das Gefühl verbreiteter, dass einem im Ernstfall keine soziale Unterstützung zur Verfügung steht. Nichtdestotrotz waren anfängliche Auswirkungen des Jobverlustes auf Ressourcen und auf das subjektive Wohlbefinden wesentlich größer als die nachfolgenden Einbußen mit der Dauer der Arbeitslosigkeit.

Kleine aber interessante Unterschiede ergaben sich bei kontinuierlich Erwerbstätigen. Erstens stellte sich als etwas vorteilhafter heraus, Jobs zu wechseln als stets bei einem Arbeitgeber zu bleiben (z. B. im Sinne von subjektiv eingeschätzten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Vorstellungen zur Kontrollierbarkeit des eigenen Lebens und Zukunftsoptimismus). Zweitens profitierten jüngere Menschen, Frauen und (erwartungsgemäß) Menschen mit einem höheren sozioökonomischen Status von kontinuierlicher Erwerbstätigkeit mehr. Bei Personen, die sich in der zweiten Hälfte des Arbeitslebens befanden, war ein starker Abfall der wahrgenommenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt trotz kontinuierlicher Beschäftigung zu beobachten.

Dass anhaltende Arbeitslosigkeit bekämpft werden sollte, ist trivial, meint Professorin Maria Pavlova. Aber es stellt sich auch die Frage, warum kontinuierlich Erwerbstätige in Deutschland nicht mehr Wachstum in Einkommen oder Wohlbefinden erleben. Wenn eine berufliche Laufbahn (fast) ohne Lücken erwünscht ist, sollten die Arbeitgeber und die Politik über Anreize nachdenken, welche Menschen im Erwerbsleben besser halten können. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für einen Job- oder sogar Berufswechsel, möglichst unabhängig vom Lebensalter, wäre auch eine denkbare Maßnahme, welche mehr Möglichkeiten im Berufsleben und für ein persönliches Wachstum eröffnet. Eine Einschränkung ist natürlich, dass sich die Daten auf einen bereits vergangenen Zeitraum beziehen; es sind aber seit dem Ende des genutzten Beobachtungszeitraums keine Arbeitsmarktreformen bekannt, welche die Rahmenbedingungen grundlegend verändert hätten.

Angesichts der Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt infolge der Corona-Pandemiebekämpfung kann sogar als positiv gewertet werden, dass Beschäftigungslücken scheinbar wenig spürbare negative Folgen bei den Betroffenen hinterlassen. Maria Pavlova weist aber darauf hin, dass die pandemische Lage viel mehr Unsicherheiten mit sich gebracht hat als es typische Lücken in der persönlichen Erwerbsbiographie hervorrufen können. Insofern geben ihre Ergebnisse keine Entwarnung für die Politik in der aktuellen Situation.

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0261794


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Addendum from 02/08/2022

Veröffentlichung in "PLOS ONE": Pavlova, M. K. (2021). Do workers accumulate resources during continuous employment and lose them during unemployment, and what does that mean for their subjective well-being? PLOS ONE, 16(12), e0261794. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0261794

Addendum from 02/09/2022

Remaining in employment leads to stability in resources and well-being, a German study finds

Maria Pavlova, Professor of Psychological Gerontology at the University of Vechta, published a large-scale study that contrasts the effects of uninterrupted employment with those of long-term unemployment. Surprisingly, the study showed that in Germany, neither the benefits of remaining in employment nor the losses during long-term unemployment are too impressive.
The study draws on 28 yearly observations from the German Socio-Economic Panel (SOEP), the largest nationally representative survey in Germany. The SOEP is conducted yearly by DIW Berlin. Maria Pavlova analyzed the data from 1985-2012 using a complex statistical procedure (longitudinal multilevel analysis), which enables estimation of true change over time (as opposed to stable differences between persons).
Over years, stably employed workers enjoyed a high stability in resources, such as income or availability of social support, and in well-being. By contrast, continuously unemployed workers experienced resource loss. However, this was mostly limited to the economic domain: Expectedly, long-term unemployment led to income losses, growing financial worries, and plummeting chances in the labor market. Besides, the longer they stayed unemployed, the more often individuals felt that they would have no one to turn to in case of emergency. Nevertheless, the initial negative effects of job loss on resources and subjective well-being were considerably stronger than the subsequent losses during prolonged unemployment.
There were small but interesting differences among employed workers. First, it was a bit more beneficial to change jobs than to remain with the same employer – for instance, in terms of subjectively estimated chances in the labor market, feelings of control over one’s life and future optimism. Second, younger workers, women, and (unsurprisingly) people with a higher socioeconomic status benefited from uninterrupted employment more. Notably, with the passage of time, older workers rated their chances in the labor market increasingly poorly, and this despite uninterrupted employment.
It is no news that long-term unemployment is a bad thing and should be dealt with, Maria Pavlova says. However, she wonders why workers who remain employed without interruptions do not gain more, be it in terms of income or well-being. It may be something special about the strongly regulated German labor market that offers good employment protection to most workers but few opportunities to change jobs, not to mention occupations, especially in the second half of the working life. If uninterrupted employment is desirable, policy makers and employers should give more thought to incentives – opportunities for professional and personal growth at the workplace. And it would be great to have them for all workers, irrespective of age.
As the pandemic and the measures to fight it have brought turmoil to the labor market, finding employment gaps to have apparently few negative consequences for workers may seem reassuring. Maria Pavlova points out, however, that the pandemic produces much more uncertainty than typical employment gaps can ever give rise to. Thus, her findings can give no reassurance in the current situation.

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0261794


Criteria of this press release:
Journalists
interdisciplinary
transregional, national
Research results
German


 

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