Wie lässt sich die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie schützen?
Prof. Dr. Marcus Eckert, Studiengangsleiter des Bachelors Angewandte Psychologie (B. Sc.) an der APOLLON Hochschule, beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Entwicklungs- und Schulpsychologie. Die Situation von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie hat er dadurch besonders im Blick. Die Gegenwart sei zweifellos herausfordernd, sagt er, betont aber gleichzeitig: „Wir haben gute Chancen, die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen auch während notwendiger Einschränkungen, Lockdowns und Schließungen zu schützen.“
„Die Menge der Kinder und Jugendlichen, die angesichts der Pandemie und ihrer Folgen unter enormem psychischem Druck litten, Ängste und Sorgen entwickelten, depressive Symptome zeigten oder ihren Optimismus verloren, ist erschreckend“, sagt Prof. Dr. Marcus Eckert. So fand zum Beispiel die COPSY-Studie (COPSY = Corona und Psyche), dass etwa jedes dritte Kind, bzw. jede/r dritte Jugendliche problematische Belastungssymptome zeigte. „Deshalb wird momentan mit allen Mitteln versucht, Schulen und Kitas offen zu halten. Dennoch kann es passieren, dass die epidemische Lage wieder Teil- oder Komplettschließungen erfordert und es auch im außerschulischen Bereich zu Einschränkungen für Kinder und Jugendliche kommt“, erläutert Prof. Dr. Eckert. Das bedeute aber keinesfalls, dass automatisch mit einer erneuten psychischen Überlastung dieser zu rechnen sei. „Es gibt Wege, Kinder und Jugendliche zu schützen“, ist er überzeugt.
Erleben von Gemeinsamkeit und Gemeinschaft
„Schule ist mehr als nur Schule. Dort haben wir soziale Interaktionen, Begegnungen, mit denen wir uns auseinandersetzen und an denen wir wachsen dürfen. Studien belegen, dass ein solches Erleben von Gemeinschaft unseren Körper dazu veranlasst, das Hormon Oxytoxin auszuschütten. Dieses wiederum puffert die schädlichen Wirkungen von Stress ab“, erklärt Prof. Dr. Eckert. Fallen nun gewohnte Kontakte und Begegnungen weg, produziert unser Körper weniger Oxytocin. In der Folge sind wir anfälliger für Stress, Angst und Depression. „Glücklicherweise gibt es auch im digitalen Distanzunterricht gute Möglichkeiten, die körpereigene Oxytocinproduktion anzuregen“, so Eckert. „Eine einfache Übung besteht zum Beispiel darin, dass eine Person in einer Zweier- oder Dreiergruppe eine etwa einminütige Lobrede auf eine nicht anwesende Person hält. Sowohl die Lobenden als auch die Zuhörenden berichten regelmäßig, dass es ihnen nach dieser kurzen Übung besser geht. Auch Familien können die Übung als Ritual etablieren.“ Und sie lässt sich noch steigern: „Dazu berichtet eine Person von einem ,Unsympathen‘ und dessen Verfehlungen. Machen Sie sich zuvor Folgendes klar: Alle Menschen wollen ihr Glück mehren und ihr Leid reduzieren. Wie hilft Ihnen dieses Wissen dabei, Verständnis für den ,Unsympathen‘ zu entwickeln? In dem Maße, in dem echtes Verständnis wächst, reduziert sich allgemeines Stresserleben. Die Vermutung liegt nahe, dass der Körper auch hier die Oxytocinproduktion ankurbelt. Die Kunst, echte Empathie auch für uns zunächst unsympathische Personen entwickeln zu können, eine entwicklungspsychologisch bedeutsame Aufgabe im Jugendalter.“ Insgesamt sei es zudem wichtig, im Falle weniger Kontaktmöglichkeiten diese umso intensiver zu nutzen. Allerdings machten Kinder und Jugendliche das nicht unbedingt von allein, erläutert Prof. Dr. Eckert. Sie bräuchten Vorbilder, die ihnen das entsprechend vorleben.
An Belastungen wachsen
Forschungen haben gezeigt, dass das dauerhafte Unterdrücken von belastenden Emotionen schädlich ist. Die aktuelle Lage ständig zu beschönigen, ist also nicht gesund. Sich permanent Belastungen bewusst zu machen, kann allerdings ebenfalls zu Ängsten und Depressionen führen. Was also tun? In Studien wurde herausgefunden, dass das konstruktive Umbewerten einer Situation mit Gesundheit und Wachstum einhergeht. Prof. Dr. Eckert rät deshalb dazu, sich nach schwierigen Tagen auf positive Aspekte zu konzentrieren, die man der Situation trotz allem abgewinnen kann: „Stellen Sie fest, welch große Leistungen Sie heute und all die Tage vollbringen. Trotz der Pandemie, trotz aller Einschränkungen haben Sie sich nicht unterkriegen lassen. Sie haben immer wieder Wege gefunden. Auch wenn es schwer und anstrengend war. Auch wenn Sie am liebsten alles hingeschmissen hätten. Würdigen Sie all die Kompetenzen, die Ihnen dieses Durchhalten ermöglichen. Und vielleicht erlauben Sie sich auch ein kleines bisschen Dankbarkeit, für all das, was Ihnen dabei geholfen hat. Vielleicht für die guten Dinge und liebenswerten Menschen, die Sie haben weitermachen lassen. Stellen Sie sich vor, so oder so ähnlich würden Sie jeden Abend zu Bett gehen – eine Woche lang. Was würde das verändern?“ Erwachsene haben hier eine Vorbildfunktion: „Kinder und Jugendliche brauchen auch hierfür Modelle, die Ihnen vorleben, wie sie mit Belastungen umgehen können. Und wir können diese Modelle sein: Sie müssen uns straucheln, scheitern und wieder aufstehen sehen. Und daran können auch wir selbst wachsen.“
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Prof. Dr. Marcus Eckert studierte als ausgebildeter Lehrer selbst per Fernstudium Psychologie, im Präsenzstudium klinische Psychologie und promovierte am Institut für Psychologie der Leuphana Universität Lüneburg. Er war Mitbegründer des Instituts für LernGesundheit und fungierte dort bis 31.10.2020 als Geschäftsführer. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf den Themen Emotions- und Stressregulation, Selbstregulation und Prokrastination. Eckerts Professur für Psychologie an der APOLLON Hochschule setzt die Schwerpunkte auf Entwicklungs- und Schulpsychologie. Als Professor verantwortet er die Module Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie, Allgemeine Psychologie III / Motivationspsychologie, Psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen sowie den HZK Lernpsychologische Grundlagen.
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Prof. Dr. Marcus Eckert
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