Die Berliner Künstlerin Alicja Kwade hat für ihre Ausstellung „In Abwesenheit“ ihr persönliches Genom ausdrucken lassen – auf 314.000 DIN A4 Seiten Papier. Dazu arbeitete sie mit Sven Rahmann, Bioinformatik-Professor der Universität des Saarlandes, zusammen. Die Ausstellung kann noch bis zum 4. April in der Berlinischen Galerie besucht werden.
Das menschliche Genom besteht aus 3,1 Milliarden Basenpaaren – eine Zahl, die nur schwer zu erfassen ist. „Auch für uns Bioinformatiker ist das eine abstrakt hohe Zahl, obwohl wir fast täglich mit Gendomdaten arbeiten. Denn uns liegen die Daten in der Regel nur als Dateien auf dem Computer vor“, sagt der Saarbrücker Bioinformatik-Professor Sven Rahmann.
Besser begreifbar werden die Dimensionen des menschlichen Genoms durch ein Projekt der Berliner Künstlerin Alicja Kwade. Sie hat ihr persönliches Genom auf 314.000 DIN A4 Seiten ausdrucken lassen und stellt es öffentlich in ihrer Ausstellung „In Abwesenheit“ in der Berlinischen Galerie aus. 12.000 Seiten wurden an die Wände der Halle gehängt, die restlichen befinden sich in Archivboxen aus Kupfer im Raum verteilt. Würde man alle Seiten dieses Genom-Dokuments nebeneinanderlegen, erstreckten sie sich über eine Länge von rund 66 Kilometern.
Ein Aspekt des Kunstprojektes war hervorzuheben, welche Teile des Genoms einzigartig für die Künstlerin sind – denn grundsätzlich ist die DNA aller Menschen zu 99,9 Prozent gleich. Hier kamen die Saarbrücker Bioinformatiker ins Spiel: „Die Zusammenarbeit mit Frau Kwade kam über einen gemeinsamen Bekannten zustande, Dr. Frank Tschentscher, Sachverständiger für DNA-Analysen im Landeskriminalamt NRW. Er hat für die Künstlerin die Genomdaten generiert und dann einen geeigneten Experten für die Analyse dieser Daten gesucht. So kam er auf mich, wir haben beide an der Universität Duisburg-Essen geforscht. Mein Beitrag im Kunstprojekt bestand konkret darin, anhand bioinformatischer Analysemethoden die für Alicja Kwade einzigartigen Genom-Abschnitte zu identifizieren und in einem druckfertigen Dokument durch Fettdruck hervorzuheben“, sagt Sven Rahmann. Herausgekommen sind letztendlich mehrere hundert PDF-Dokumente mit jeweils 480 Seiten: „Das war die maximale Länge pro Dokument, die die Druckerei verarbeiten konnte. Auch das mussten wir zuerst durch Testen herausfinden“, sagt Rahmann.
Aber wie druckt man eigentlich ein Genom aus? Professor Sven Rahmann erläutert: „Um die Abfolge der Basenpaare im Genom abzubilden, werden die vier Basen der DNA, also Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin im sogenannten ‚Alphabet des Lebens‘ mit den Buchstaben A, C, G und T codiert. Ein komplettes Genom kann dadurch als eine 3,1 Milliarden Zeichen lange Abfolge dieser Buchstaben wiedergegeben und damit auch ausgedruckt werden.“
Sogar für den Professor, der sich bereits seit knapp 25 Jahren mit bioinformatischen Fragestellungen und speziell der Analyse individueller Genomvarianten befasst, war es etwas Besonderes, an dem Kunstprojekt mitzuwirken. „Meines Wissens nach ist es das erste Mal weltweit, dass ein menschliches Genom in dieser Form physisch ausgedruckt wurde. Dadurch ist es auch für mich auf einer völlig neuen Ebene erfahrbar geworden. Zwischen zwei fettgedruckten Stellen können gut und gerne einige tausend Buchstaben liegen, die für uns alle gleich sind. So plastisch vor sich zu sehen, wie sehr wir Menschen uns unabhängig von der Herkunft untereinander gleichen, transportiert eine starke Botschaft. Das stelle ich mir in der Ausstellung, in der eine ganze Halle mit ‚Genom-Seiten‘ tapeziert ist, besonders beeindruckend vor. Leider konnte ich wegen Corona noch nicht selbst in Berlin vor Ort sein“, sagt der Saarbrücker Bioinformatik-Professor Sven Rahmann.
Hintergrund Saarland Informatics Campus:
900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (darunter 400 Promovierende) und rund 2100 Studierende aus mehr als 80 Nationen machen den Saarland Informatics Campus (SIC) zu einem der führenden Standorte für Informatik in Deutschland und Europa. Fünf weltweit angesehene Forschungsinstitute, nämlich das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Max-Planck-Institut für Informatik, das Max-Planck-Institut für Softwaresysteme, das Zentrum für Bioinformatik und das Forschungs-Cluster für „Multimodal Computing and Interaction“ sowie die Universität des Saarlandes mit drei vernetzten Fachbereichen und 24 Studiengänge decken das gesamte Themenspektrum der Informatik ab.
Prof. Dr. Sven Rahmann
Mail: rahmann@cs.uni-saarland.de
Tel. +49 (681) 302-70880
https://berlinischegalerie.de/ausstellung/alicja-kwade/ - Infos und Pressefotos der Kunstwerke
https://www.rahmannlab.de/index.html
Sven Rahmann, Bioinformatik-Professor der Universität des Saarlandes
SIC/Philipp Zapf-Schramm
Universität des Saarlandes
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Art / design, Biology, Information technology, Medicine
transregional, national
Cooperation agreements, Miscellaneous scientific news/publications
German
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