In der neuen Expertise des Forschungsbeirats der Plattform Industrie 4.0 untersuchen das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO die Gründe, warum die digitale Transformation in vielen Unternehmen in Deutschland nur langsam vorankommt. Handlungsoptionen für Politik, Verbände und Unternehmen zeigen auf, wie die identifizierten Hemmnisse bei der Digitalisierung aus dem Weg geräumt werden können. Die Expertise fokussiert auf produzierende Unternehmen.
Unternehmen, die bei der digitalen Transformation weit fortgeschritten sind, profitieren gleich mehrfach: Sie produzieren effizienter und kostengünstiger als ihre Wettbewerber, die Produktqualität verbessert sich und mit ihr die Kundenzufriedenheit. Allerdings gibt es immer noch viele Unternehmen, die bei der Digitalisierung nur langsam vorankommen oder noch gar nicht damit begonnen haben.
„Digitalisierung, insbesondere im Rahmen von Industrie 4.0, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor im globalen Wettbewerb“, so Christina Franke (Robert Bosch GmbH), Mitglied des Forschungsbeirats der Plattform Industrie 4.0. „Es muss uns gelingen, entlang der Wertschöpfungsketten die Potenziale zu heben, die Industrie 4.0 bietet, um zukünftig noch flexibler auf die Anforderungen der Märkte reagieren zu können.“
Was der Digitalisierung im Weg steht
Der mangelnde Fortschritt bei der Umsetzung der digitalen Transformation hat vor allem zwei Ursachen: Einerseits entscheiden sich manche Unternehmen bewusst gegen die Digitalisierung, weil sie der Auffassung sind, dass sich digitale Lösungen für sie nicht rechnen. Andererseits gibt es mehrere interne, unternehmensspezifische Faktoren, welche die digitale Transformation hemmen. „Oft fehlt zunächst einfach ein Startimpuls für die Digitalisierung“, sagt Holger Kett vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. „Wenn ein Unternehmen ökonomisch solide dasteht, fehlt der Leidensdruck, sich mit Digitalisierungsthemen auseinanderzusetzen.“
Hinzu kommt oft eine fehlende Digitalisierungsaffinität im Management. Selbst wenn die Unternehmensführung offen für Veränderungen ist, kann die digitale Transformation an vielen Hemmnissen scheitern, etwa an mangelnden Strategiefähigkeiten und einer unklaren Nutzenevaluation digitaler Projekte. Operativ kommt es in nahezu allen Unternehmen zu kapazitiven Engpässen, weil es an Fachkräften mit digitalem Kompetenzprofil mangelt und diese auch nur schwer rekrutiert werden können.
Aber auch unzureichende äußere Rahmenbedingungen können die digitale Transformation hemmen: Dazu zählen fehlende Standards und Normen, unpassende, schwer zugängliche Förderangebote oder die unzureichende Anbindung an das Internet in strukturschwachen Regionen.
Was Unternehmen jetzt tun sollten
»Die Hemmnisse lassen sich allesamt aus dem Weg räumen«, sagt Malte Volkwein von der Abteilung Unternehmensstrategie und -entwicklung am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA.
Wichtig sei zunächst, dass die Digitalisierung von höchster Stelle im Unternehmen getragen und getrieben sein müsse. »Die Digitalisierung ist kein Thema, das nur in der IT-Abteilung verortet werden darf«, warnt Volkwein. »Erfolgreiche digitale Projekte beziehen eine Vielzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein und sind geprägt von bereichsübergreifender Kooperation und klarer übergeordneter Koordination.« Die Unternehmensführung müsse klare Visionen, Missionen und Ziele formulieren, an denen alle Digitalisierungsmaßnahmen ausgerichtet werden.
Handlungsoptionen für das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure
Ein Zusammenwirken von Politik, Verbänden, Unternehmen und Umsetzungsakteuren ist für die Beseitigung der Digitalisierungshemmnisse erforderlich. Die Expertise beschreibt fünf Dimensionen der Handlungsoptionen für die beteiligten Akteure, darunter Nutzerbewertung, Förderlandschaft und Innovationsumfeld. Eine weitere Dimension ist die Etablierung einer Digitalisierungskultur – „vom Azubi bis zum Eigentümer“, die mit der festen Verankerung der Digitalisierung in der gesamten Gesellschaft einhergehen sollte. Die Dimension der Qualifizierung reicht von digitalen Inhalten in schulischen Lehrplänen über die Ausrichtung von Studiengängen und Berufsausbildungen an zukünftige Bedarfe bis hin zu passenden Weiterbildungsformaten.
Die Expertise steht auf der acatech Webseite zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Über die Expertisen des Forschungsbeirats der Plattform Industrie 4.0
Als Sensor von Entwicklungsströmungen beobachtet und bewertet der Forschungsbeirat der Plattform Industrie 4.0 die Leistungsprofilentwicklung von Industrie 4.0 und konzentriert sich inhaltlich auf folgende Themenfelder: Wertschöpfungsnetzwerke, Technologische Wegbereiter, Neue Methoden und Werkzeuge und Arbeit und Gesellschaft. Hier setzen die Expertisen des Forschungsbeirats an. Vor dem Hintergrund der Themenfelder werden klar umrissene Problemstellungen aufgezeigt, Forschungs- und Entwicklungsbedarfe definiert und Handlungsoptionen für eine erfolgreiche Gestaltung von Industrie 4.0 abgeleitet. Die Expertisen liegen in der inhaltlichen Verantwortung der jeweiligen Autorinnen und Autoren.
Alle bisher erschienenen Publikationen des Forschungsbeirats sind hier zur finden: https://www.acatech.de/publikationen/?_p=20309
Über den Forschungsbeirat der Plattform Industrie 4.0
Der Forschungsbeirat der Plattform Industrie 4.0, der aus dem Wissenschaftlichen Beirat Industrie 4.0 aus dem Jahre 2013 hervorgeht, konstituierte sich 2018 in seiner aktuellen Zusammensetzung neu. Im Forschungsbeirat sind 19 Vertreter aus der Wissenschaft und 13 Repräsentanten aus der Wirtschaft tätig, um die Plattform Industrie 4.0, ihre Arbeitsgruppen und die Bundesministerien, insbesondere das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), unabhängig zu beraten. Die Arbeit des Forschungsbeirats zielt darauf ab, über die Erarbeitung von wissenschaftsbasierten Forschungsempfehlungen, die Weiterentwicklung und Umsetzungsplanung von Industrie 4.0 in der deutschen Wirtschaft voranzutreiben. Der Forschungsbeirat versteht sich als Impulsgeber für künftige Forschungsthemen und Berater zur Umsetzung von Industrie 4.0. Die Arbeit des Forschungsbeirats wird durch acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften koordiniert und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Über das Fraunhofer IPA
Das Fraunhofer IPA beschäftigt annähernd 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese befassen sich mit organisatorischen und technologischen Fragestellungen aus der Produktion. Die Fachabteilungen decken dabei den gesamten Bereich der Produktionstechnik ab. Die Themenfelder reichen von der vernetzten Produktion mit IT und Planungsthemen bis hin zu Oberflächen- und Materialtechnik. Hierfür entwickelt und erprobt das Fraunhofer IPA Methoden, Komponenten und Geräte bis hin zu kompletten Maschinen und Anlagen und setzt diese exemplarisch ein.
Über das Fraunhofer IAO
Wie arbeiten und leben Menschen in Zukunft? Zu dieser und ähnlichen Fragen forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und bringen ihre Erkenntnisse ergebnisorientiert in die Anwendung. Die Expertinnen und Experten gestalten das Zusammenspiel von Mensch, Technik und Organisation ganzheitlich und kundenindividuell. Das Fraunhofer IAO unterstützt Unternehmen und Institutionen, Potenziale neuer Technologien zu erkennen, diese gewinnbringend einzusetzen und attraktive Zukunftsmärkte zu erschließen.
Kristina Fornell
Referentin Kommunikation
T +49 89/52 03 09-865
fornell@acatech.de
acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
Geschäftsstelle
Karolinenplatz 4
80333 München
https://www.acatech.de/publikation/blinde-flecken-i40/
https://www.acatech.de/projekt/forschungsbeirat-industrie-4-0/
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Economics / business administration, Electrical engineering, Information technology, Mechanical engineering, Politics
transregional, national
Research results, Transfer of Science or Research
German
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