idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
04/01/2022 09:57

Studie zeigt: Fische können rechnen

Johannes Seiler Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Buntbarsche und Stachelrochen können im Zahlenraum bis Fünf einfache Additionen und Subtraktionen durchführen. Das zeigt eine aktuelle Studie der Universität Bonn, die nun in der Zeitschrift Scientific Reports erschienen ist. Wozu die Tiere ihre mathematischen Fähigkeiten benötigen, ist nicht bekannt.

    Mal angenommen, auf der Tischplatte vor Ihnen liegen einige Münzen. Bei einer kleinen Anzahl können Sie auf Anhieb sagen, wieviele es genau sind. Sie müssen sie dazu nicht einmal zählen – ein einziger Blick reicht Ihnen. Buntbarsche und Stachelrochen sind uns in diesem Punkt erstaunlich ähnlich: Auch sie sind dazu in der Lage, kleine Mengen exakt zu erfassen – und zwar vermutlich ebenfalls ohne zu zählen. Sie lassen sich zum Beispiel so trainieren, dass sie zuverlässig Dreier- von Vierermengen unterscheiden.

    Diese Tatsache ist schon seit einiger Zeit bekannt. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Vera Schlüssel vom Institut für Zoologie der Universität Bonn hat nun aber gezeigt, dass beide Arten sogar rechnen können. „Wir haben den Tieren beigebracht, einfache Additionen und Subtraktionen durchzuführen“, erklärt Schlüssel. „Dabei mussten sie einen Ausgangswert um eins erhöhen oder vermindern.“

    Blau heißt „addiere eins“, gelb „ziehe eins ab“

    Doch wie fragt man einen Buntbarsch nach dem Ergebnis von „2+1“ oder „5-1“? Die Forschenden nutzten dazu eine Methode, mit der andere Arbeitsgruppen bereits erfolgreich die mathematischen Fähigkeiten von Bienen getestet hatten: Sie zeigten den Fischen eine Ansammlung geometrischer Formen – zum Beispiel vier Quadrate. Waren diese Objekte blau gefärbt, bedeutete das „addiere eins“. Gelb hieß dagegen „subtrahiere eins“.

    Danach wurde die Aufgabe ausgeblendet. Stattdessen bekamen die Tiere zwei neue Abbildungen zu sehen – eine mit fünf und eine mit drei Quadraten. Schwammen sie zu dem richtigen Bild (also bei der „blauen“ Rechenaufgabe zu den fünf Quadraten), wurden sie mit Futter belohnt. Bei der falschen Antwort gingen sie leer aus. Mit der Zeit lernten sie so, die blaue Farbe mit der Erhöhung der anfangs gezeigten Menge um eins zu assoziieren, die gelbe Zahl dagegen mit ihrer Verminderung.

    Doch konnten die Fische diese Erkenntnis auch auf neue Aufgaben anwenden? Hatten sie also tatsächlich die mathematische Regel hinter den Farben verinnerlicht? „Um das zu überprüfen, hatten wir beim Training einige Berechnungen absichtlich ausgelassen“, erklärt Schlüssel. „Und zwar 3+1 und 3-1. Nach der Lernphase bekamen die Tiere diese beiden Aufgaben zum ersten Mal zu sehen. Und auch in diesen Fällen schwammen sie meistens zu den korrekten Ergebnissen.“ Das galt sogar dann, wenn sie sich nach der Aufgabe „3+1“ zwischen vier und fünf Objekten entscheiden mussten – also zwei Resultaten, die beide größer waren als der Ausgangswert.

    Rechnen ohne Großhirnrinde

    Diese Leistung hat die Forschenden selbst überrascht – zumal die gestellten Aufgaben in der Realität sogar noch ein Stück schwieriger waren als eben geschildert. So bekamen die Fische nicht Objekte derselben Form gezeigt (also etwa vier Quadrate), sondern eine Kombination unterschiedlicher Formen. Eine „Vier“ konnte zum Beispiel durch einen kleinen und einen größeren Kreis, ein Quadrat und ein Dreieck repräsentiert werden, in einer anderen Berechnung dagegen durch drei unterschiedlich große Dreiecke und ein Quadrat.

    „Die Tiere mussten also die Menge der abgebildeten Objekte erkennen und zugleich aus ihrer Farbe auf die Rechenvorschrift schließen“, sagt Schlüssel. „Sie mussten beides im Arbeitsgedächtnis behalten, als das ursprüngliche Bild gegen die beiden Ergebnisbilder ausgetauscht wurde. Und sie mussten sich danach für das richtige Resultat entscheiden. Insgesamt ist das eine Leistung, die komplexe Denkfähigkeiten erfordert.“

    Das ist auch deshalb erstaunlich, weil Fische keinen Neocortex besitzen – den Teil des Gehirns, der auch als „Großhirnrinde“ bekannt ist und bei uns für die meisten komplexen kognitiven Aufgaben zuständig ist. Zudem ist von beiden Fischarten nicht bekannt, dass sie in ihrer ökologischen Nische ein besonders gutes Zahlenverständnis benötigen würden. Andere Arten mögen auf die Streifenzahl ihrer Sexualpartner achten oder die Menge der Eier in ihrem Gelege. „Von Stachelrochen und Buntbarsche kennt man das jedoch nicht“, betont die Zoologie-Professorin der Universität Bonn.

    Sie sieht in dem Ergebnis der Experimente auch eine Bestätigung dafür, dass wir Menschen dazu neigen, andere Spezies zu unterschätzen – insbesondere solche, die nicht zu unserer engeren Verwandtschaft zählen. Fische sind zudem nicht besonders niedlich und haben auch kein kuschliges Fell oder Gefieder. „Entsprechend weit unten stehen sie in unserer Gunst – und entsprechend wenig scheren wir uns darum, wenn sie etwa im industriellen Fischfang qualvoll verenden“, sagt Vera Schlüssel.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Vera Schlüssel
    Institut für Zoologie der Universität Bonn
    Tel. +49 228 735476
    E-Mail: vschlu@uni-bonn.de


    Original publication:

    V. Schluessel, N. Kreuter, I. M. Gosemann & E. Schmidt: Cichlids and stingrays can add and subtract ‘one’ in the number space from one to five; Scientific Reports; https://doi.org/10.1038/s41598-022-07552-2


    Images

    Stachelrochen (links) und Buntbarsche können im Zahlenraum bis 5 einfache Additionen und Subtraktionen durchführen.
    Stachelrochen (links) und Buntbarsche können im Zahlenraum bis 5 einfache Additionen und Subtraktion ...

    Foto: Prof. Dr. Vera Schlüssel/Uni Bonn

    Beispiel für zwei Testaufgaben: Die Tiere schwammen nach dem erfolgreichen Training meist zu der korrekten Lösung.
    Beispiel für zwei Testaufgaben: Die Tiere schwammen nach dem erfolgreichen Training meist zu der kor ...

    Abbildung: Esther Schmidt


    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Biology
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Stachelrochen (links) und Buntbarsche können im Zahlenraum bis 5 einfache Additionen und Subtraktionen durchführen.


    For download

    x

    Beispiel für zwei Testaufgaben: Die Tiere schwammen nach dem erfolgreichen Training meist zu der korrekten Lösung.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).