idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
04/28/2022 12:00

Neue Erdbebenanalysen stärken Katastrophenvorsorge in Europa

Peter Rüegg Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    Europäische Wissenschaftlerinnen unter Beteiligung des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich haben eine aktualisierte Erdbebengefährdungskarte und erstmals eine Erdbebenrisikokarte für Europa herausgegeben.

    Im zwanzigsten Jahrhundert forderten Erdbeben in Europa mehr als 200'000 Todesopfer und verursachten Schäden in Höhe von über 250 Milliarden Euro. Umfassende Analysen der Erdbebengefährdung und des Erdbebenrisikos sind deshalb wichtig, um die Auswirkungen katastrophaler Erdbeben zu verringern. Denn bis heute können Erdbeben weder verhindert noch genau vorhergesagt werden.

    Ein internationales Team von europäischen Seismologinnen, Geologen und Ingenieurinnen, mit führender Beteiligung des Schweizerischen Erdbebendienstes und der Gruppe für Seismologie und Geodynamik der ETH Zürich hat deshalb das seit 2013 bestehende Erdbebengefährdungsmodell überarbeitet und ein erstes Erdbebenrisikomodell für ganz Europa erstellt.

    Diese Modelle beschreiben, wo durch Erdbeben ausgelöste Erschütterungen zu erwarten sind, wie stark und wie häufig diese auftreten und welche möglichen Auswirkungen sie auf die bebaute Umwelt und auf Menschen haben. Sie ermöglichen es, wirksame Vorsorgemassnahmen festzuschreiben und damit die Auswirkungen auf Gebäude und ihre Nutzerinnen und Bewohner erheblich zu verringern.

    Die Forschenden aktualisierten und harmonisierten die den Modellen zugrundeliegenden Datensätze – ein komplexes Unterfangen angesichts der riesigen Datenmengen und der unterschiedlichen tektonischen Gegebenheiten in Europa. Eine solche Harmonisierung ist jedoch nötig, um wirksame länderübergreifende Strategien zur Katastrophenvorsorge einzurichten, wie etwa die Festlegung von Versicherungskonzepten oder die Bestimmung von zeitgemässen Bauvorschriften auf europäischer und nationaler Ebene.

    Das aktualisierte europäische Erdbebengefährdungsmodell sowie das neue Erdbebenrisikomodell sind frei zugänglich, inklusive der ihnen zugrundeliegenden Datensätze.

    Verbessertes Erdbebengefährdungsmodell

    Die Erdbebengefährdung beschreibt potenzielle Bodenerschütterungen durch künftige Erdbeben und beruht auf dem Wissen über vergangene Erdbeben, der Geologie, Tektonik und den lokalen Bedingungen an beliebigen Orten in ganz Europa.

    In die aktuelle Version des Gefährdungsmodelles wurden erweiterte Datensätze integriert. Diese erlauben es, die Erdbebengefährdung in Europa umfassender und neu zu beurteilen. Das hat dazu geführt, dass im Vergleich zum Modell von 2013 die Einschätzungen der zu erwartenden Bodenerschütterungen in den meisten Teilen Europas nach unten korrigiert wurden. Davon ausgenommen sind einige Regionen in der westlichen Türkei, Griechenland, Albanien, Rumänien, im Süden Spaniens und Portugals. Dort wurden die Einschätzungen der zu erwartenden Bodenerschütterungen nach oben angepasst.

    Das aktualisierte Modell bestätigt die Türkei, Griechenland, Albanien, Italien und Rumänien als die Länder mit der höchsten Erdbebengefährdung in Europa, gefolgt von den anderen Ländern des Balkans. Aber auch in Regionen mit niedriger oder mässiger Gefährdungseinschätzung können jederzeit schadenbringende Erdbeben auftreten.

    Eine erdbebengerechte Bauweise ist eine der wirksamsten Massnahmen, um die Bevölkerung besser vor Erdbeben zu schützen. Das aktualisierte europäische Erdbebengefährdungsmodell ist eine wesentliche Informationsgrundlage für die zweite Auflage der europäischen Baunormen (Eurocode-8-Normen). Auf Länderebene sind allerdings die vorhandenen nationalen Gefährdungsmodelle massgebend für Baunormen und weitere Aspekte der Erdbebenvorsorge.

    Ältere Gebäude bestimmen das Erdbebenrisiko

    Anders als das Gefährdungsmodell beschreibt das erste europäische Erdbebenrisikomodell die erwarteten Folgen eines Erdbebens auf die Bevölkerung und die Wirtschaft. Um dieses Risiko zu bestimmen, benötigen Forschende Informationen über den lokalen Untergrund, die Gebäude- und Bevölkerungsdichte, die Verletzbarkeit von Gebäuden sowie zuverlässige Einschätzungen der Erdbebengefährdung.

    Das Risikomodell zeigt: Besonders gross ist das Erdbebenrisiko in städtischen Gebieten und Zonen mit vielen Bauten aus der Zeit vor 1980 sowie dort, wo die Erdbebengefährdung hoch ist.

    Obwohl die meisten europäischen Länder über neuere Bauvorschriften und -normen verfügen, gibt es noch immer viele nicht oder nur unzureichend gegen Erdbeben gesicherte ältere Gebäude. Sie bergen ein höheres Risiko für ihre Bewohner.

    Das höchste Erdbebenrisiko betrifft daher städtische Gebiete, die oft eine Geschichte von schadenbringenden Erdbeben aufweisen. Dazu zählen Städte wie Istanbul und Izmir in der Türkei, Catania und Neapel in Italien, Bukarest in Rumänien und Athen in Griechenland.

    Allein auf diese vier Länder entfallen fast 80 Prozent des modellierten wirtschaftlichen Schadens von sieben Milliarden Euro, den Erdbeben im jährlichen Durchschnitt in Europa verursachen. Aber auch Städte wie Zagreb, Tirana, Sofia, Lissabon, Brüssel und Basel tragen ein überdurchschnittlich hohes Erdbebenrisiko verglichen mit weniger exponierten Städten wie Berlin, London oder Paris.

    Grosse gemeinsame Anstrengung

    An der Entwicklung der beiden Modelle hat ein Kernteam von Forschenden aus ganz Europa, mit führender Beteiligung der ETH Zürich, gearbeitet. Das Vorhaben begann vor mehr als 30 Jahren. Tausende Fachpersonen aus ganz Europa waren beteiligt. Diese Anstrengungen wurden durch mehrere von der Europäischen Kommission finanzierte Projekte und durch nationale Gruppen unterstützt.

    Forschende des Schweizerische Erdbebendienstes (SED) und der Gruppe für Seismologie und Geodynamik an der ETH Zürich leiteten zahlreiche dieser Projekte. Am SED ist zudem EFEHR (European Facilities for Earthquake Hazard and Risk) beheimatet. EFEHR ist ein gemeinnütziges Netzwerk, das sich der Entwicklung und Aktualisierung von Erdbebengefährdungs- und Risikomodellen in Europa und im Mittelmeerraum verschrieben hat. Die ETH Zürich ist damit eine zentrale Drehscheibe für die Datensammlung- und Aufbereitung, den offenen Zugang zu Erdbebengefährdungs- und Risikomodellen inklusive aller Grundlagendatensätze sowie den Wissensaustausch.


    Contact for scientific information:

    Dr. Michèle Marti
    Schweizerischer Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich
    Telefon: +41 44 632 30 80
    E-Mail: michele.marti@sed.ethz.ch

    EFEHR Büro
    Schweizerischer Erdbebendienst
    ETH Zürich
    Departement Erdwissenschaften
    E-Mail: efehr@sed.ethz.ch


    More information:

    http://www.efehr.org (engl.): Mehr Informationen über die Erdbebengefährdung und das Erdbebenrisiko in Europa.
    http://www.hazard.efehr.org direkter Zugang zum Erdbebengefährdungsmodell (engl.)
    http://www.risk.efehr.org direkter Zugang zum Erdbebenrisikomodell (engl.)


    Images

    Erste europäische Erdbebenrisiko-Karte.
    Erste europäische Erdbebenrisiko-Karte.

    EFEHR


    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Construction / architecture, Economics / business administration, Environment / ecology, Geosciences
    transregional, national
    Cooperation agreements, Press events
    German


     

    Erste europäische Erdbebenrisiko-Karte.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).