idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
04/27/2022 16:13

Nanoplastikteilchen suchen Anschluss: Bayreuther Forscher*innen analysieren Polyethylen-Abbau in der Umwelt

Christian Wißler Pressestelle
Universität Bayreuth

    Weltweit besteht fast ein Drittel der Kunststoffabfälle aus Polyethylen, einem preiswerten und leicht zu verarbeitenden Kunststoff. Ein interdisziplinäres Team der Universität Bayreuth hat jetzt erstmals den fortschreitenden Abbau von Polyethylen in der Umwelt erforscht. Dieser Prozess führt zu einer Fragmentierung in immer kleinere Partikel. Dennoch sind vereinzelte Nanoplastikteilchen kaum in der Umwelt zu finden. Der Grund: Diese Zerfallsprodukte bleiben nicht gern allein. Sie hängen sich rasch an größere kolloidale Systeme an, die in der Umwelt natürlicherweise vorkommen. In der Zeitschrift „Science of the Total Environment“ stellen die Forscher*innen ihre Ergebnisse vor.

    Polyethylen ist ein Kunststoff, der in verschiedenen molekularen Strukturen vorkommt. Polyethylen niedriger Dichte (low-density polyethylene, LDPE) wird häufig für Verpackungen alltäglicher Konsumgüter, beispielsweise im Lebensmittelbereich, verwendet und ist infolge der steigenden Nachfrage einer der am häufigsten vorkommenden Polymere weltweit. Bislang gab es nur Schätzungen darüber, wie dieser weit verbreitete Kunststoff abgebaut wird, nachdem er als Abfall in die Umwelt gelangt ist. Ein Forschungsteam des Sonderforschungsbereichs „Mikroplastik“ an der Universität Bayreuth ist dieser Frage jetzt erstmals systematisch nachgegangen. Die Wissenschaftler*innen haben dafür eine neuartige, technisch anspruchsvolle Versuchsanordnung entwickelt. Diese ermöglicht es, zwei bekannte und in der Umwelt miteinander verknüpfte Prozesse des Kunststoffabbaus unabhängig voneinander im Labor zu simulieren: die Photooxidation, bei der sich die langen Polyethylen-Ketten unter Lichteinfluss schrittweise in kleinere, potenziell wasserlöslichere Moleküle aufspalten, und die zunehmende Fragmentierung durch mechanische Beanspruchung. Auf dieser Basis war es möglich, detaillierte Einblicke in die komplexen physikalischen und chemischen Prozesse des Abbaus von LDPE zu gewinnen.

    Für Untersuchungen, die sich mit den möglichen Auswirkungen der Umweltbelastung durch Polyethylen befassen, ist vor allem das letzte Stadium des LDPE-Abbaus von großem Interesse. Wie die Forscher*innen herausgefunden haben, endet dieser Abbau nicht bei der Zersetzung des in die Umwelt gelangten Verpackungsmaterials in viele Mikro- und Nanoplastik-Partikel, die einen hohen Kristallinitätsgrad aufweisen. Denn diese winzigen Partikel haben eine starke Neigung zur Aggregation: Sie hängen sich rasch an größere kolloidale Systeme an, die aus organischen oder anorganischen Molekülen bestehen und Teil des Stoffkreislaufs in der Umwelt sind. Beispiele für solche kolloidalen Systeme sind Tonminerale, Huminsäuren, Polysacharide oder auch biologische Partikel aus Bakterien und Pilzen.

    „Dieser Prozess der Aggregation verhindert, dass einzelne, durch Polyethylen-Abbau entstandene Nanopartikel frei in der Umwelt verfügbar sind und mit Tieren und Pflanzen wechselwirken. Aber das bedeutet keine Entwarnung. Größere Aggregate, die am Stoffkreislauf in der Umwelt teilhaben und Nanoplastik enthalten, werden oft von lebenden Organismen aufgenommen. So kann Nanoplastik schließlich in die Nahrungskette gelangen“, sagt Teresa Menzel, eine der drei Erstautorinnen der neuen Studie und Doktorandin im Bereich Polymere Werkstoffe.

    Für die Identifizierung der Abbauprodukte, die beim Zerfall von Polyethylen entstehen, nutzten die Forscher*innen eine Methode, die bisher in der Mikroplastik-Forschung nicht sehr häufig verwendet wurde: die Kreuzpolarisation mit multiCP-Sequenzen bei der Festkörper-NMR-Spektroskopie. „Dieses Verfahren ermöglicht uns sogar eine Quantifizierung der Abbauprodukte, die durch die Photooxidation entstehen“, sagt Mitautorin Anika Mauel, Doktorandin im Bereich Anorganische Chemie.

    Die Bayreuther Forscher*innen haben darüber hinaus entdeckt, dass der Abbau und Zerfall von Polyethylen auch zur Entstehung von Peroxiden führt. „Peroxide stehen seit langem im Verdacht, dass sie zytotoxisch sind, also eine giftige Wirkung auf lebende Zellen haben. Auch in dieser Hinsicht stellt die Degradation von LDPE eine potenzielle Bedrohung für natürliche Ökosysteme dar. Diese Zusammenhänge müssen künftig noch genauer untersucht werden“, ergänzt Mitautorin Nora Meides, Doktorandin im Bereich Makromolekulare Chemie.

    Die detaillierte Analyse der am Abbau von Polyethylen beteiligten chemischen und physikalischen Prozesse wäre nicht möglich gewesen ohne die interdisziplinäre Vernetzung und den koordinierten Einsatz modernster Forschungstechnologien auf dem Bayreuther Campus. Dazu zählen insbesondere die Rasterelektronenmikroskopie (SEM), die energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDS), die Röntgendiffraktometrie (XRD), die NMR-Spektroskopie, die Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FTIR) und die Differential-Scanning-Kalorimetrie (DSC).


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Holger Ruckdäschel
    Polymer Engineering
    Universität Bayreuth
    Telefon: +49 (0)921 / 55-7470
    E-Mail: holger.ruckdaeschel@uni-bayreuth.de

    Prof. Dr. Jürgen Senker
    Anorganische Chemie III
    Universität Bayreuth
    Telefon: +49 (0)921 / 55-2532
    E-Mail: juergen.senker@uni-bayreuth.de


    Original publication:

    Teresa Menzel et al.: Degradation of low-density polyethylene to nanoplastic particles by accelerated weathering. Science of The Total Environment (2022), DOI:
    http://dx.doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.154035


    Images

    Ablauf des dreistufigen Abbaus von Polyethylenpartikeln. In der Umwelt findet die Aggregation insbesondere mit natürlichen kolloidalen Systemen statt.
    Ablauf des dreistufigen Abbaus von Polyethylenpartikeln. In der Umwelt findet die Aggregation insbes ...

    (c) N. Meides, T. Menzel, A. Mauel.

    Die Bayreuther Doktorandinnen und Erstautorinnen Teresa Menzel (Polymere Werkstoffe) und Nora Meides (Makromolekulare Chemie) an einem Mikroskop, das bei der Analyse des Polyethylen-Abbaus zum Einsatz kam.
    Die Bayreuther Doktorandinnen und Erstautorinnen Teresa Menzel (Polymere Werkstoffe) und Nora Meides ...
    Foto: UBT / Chr. Wißler.


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Chemistry, Environment / ecology, Materials sciences
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Ablauf des dreistufigen Abbaus von Polyethylenpartikeln. In der Umwelt findet die Aggregation insbesondere mit natürlichen kolloidalen Systemen statt.


    For download

    x

    Die Bayreuther Doktorandinnen und Erstautorinnen Teresa Menzel (Polymere Werkstoffe) und Nora Meides (Makromolekulare Chemie) an einem Mikroskop, das bei der Analyse des Polyethylen-Abbaus zum Einsatz kam.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).