idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
04/30/2004 08:20

Palliativmedizin: Klinische Versorgung - Lehre und Forschung- Weiterbildung

S. Nicole Bongard Kommunikation und Medien
Klinikum der Universität München

    Die universitäre Forschung und Lehre im Bereich der Palliativmedizin sowie die palliativmedizinische Fort- und Weiterbildung ist in Deutschland im Vergleich zu angloamerikanischen Ländern unterentwickelt. Gesundheitspolitisch wurde die Bedeutung der Palliativmedizin erkannt - unter anderem durch einen Beschluss des Deutschen Ärztetages 2003. Derzeit gibt es in Nordrhein-Westfalen drei Lehrstühle für Palliativmedizin (Aachen, Köln und Bonn), weitere Lehrstühle sind in Göttingen und Jena in Planung.

    Das diese Woche eröffnete Interdisziplinäre Zentrum für Palliativmedizin (IZP) am Klinikum der Universität München ist in seiner Art das erste in Deutschland und bietet aufgrund der räumlichen und personellen Ausstattung sowie des hervorragenden wissenschaftlichen und klinischen Umfelds beste Voraussetzungen, um einen wichtigen Beitrag für die Etablierung und Weiterentwicklung der Palliativmedizin zu leisten. Ziel des IZP wird es sein, die Akzeptanz und Verbreitung palliativmedizinischer Inhalte in der Medizin zu fördern und Impulse für die Entwicklung dieses Fachgebietes in Krankenversorgung, Forschung und Lehre zu geben.

    DIE DREI SÄULEN DES IZP

    1. Klinische Versorgung
    Mit dem Fortschreiten einer nicht heilbaren Erkrankung leiden Patienten oft unter Schmerzen und anderen Symptomen (z.B. Übelkeit, Erbrechen, Atemnot, Verwirrtheit). Außerdem kann die Lebensqualität durch psychische, soziale und spirituelle Sorgen beeinträchtigt werden. Ziel der Betreuung ist die Verbesserung und Erhaltung der Lebensqualität der Kranken durch schmerz- und symptomlindernde Therapie, um ein erfülltes und möglichst beschwerdefreies Leben bis zuletzt zu ermöglichen.
    Der Palliativmedizinische Konsiliardienst (Ärzte, Pflege, Sozialarbeiter, Seelsorger) bietet eine Mitbetreuung von Patienten während des stationären Aufenthaltes auf allen Stationen des Klinikums an. Auf der Palliativstation L23 werden Patienten betreut, deren medizinische und psychosoziale Situation eine intensivere Begleitung durch ein spezialisiertes Team (Ärzte, Pflegekräfte, Sozialarbeiter, Seelsorger, Physio-, Atem- und Psychotherapeuten) notwendig macht.
    Die Station ist keine Einrichtung der Dauerpflege. Vorrangiges Ziel ist es, eine Weiterbetreuung zu Hause oder in einer anderen (Pflege-) Einrichtung, z.B. einem Hospiz, zu ermöglichen.

    Ziele der klinischen Einheit sind:
    ·Die interdisziplinäre palliativmedizinische Betreuung schwerstkranker und sterbender Patienten und ihrer Angehörigen
    ·Das Initiieren und Durchführen von Forschungsprojekten im Bereich der Palliativmedizin
    ·Das Einbinden palliativmedizinischer Aspekte in das Medizinstudium und die ärztliche Weiterbildung.

    2. Lehre und Forschung
    Lehre
    Besonders deutlich wird die enge Verflechtung von klinischer Einheit und Akademie im Bereich der studentischen Ausbildung. Die LMU hat im Wintersemester 2003/2004 ein neues medizinisches Curriculum eingeführt (MeCuM, www.mecum-online.de). Dabei wurde zum ersten Mal in Deutschland Palliativmedizin als Pflichtlehr- und Prüfungsfach ins Medizinstudium integriert. Das Lehrkonzept wurde von Anfang an gemeinsam mit der APPH erarbeitet, die auch die organisatorische Verantwortung dafür übernehmen wird. Die Studierenden werden in drei Schritten in die Palliativmedizin eingeführt: im 3. Semester (Aufklärung und Arzt-Patienten-Kommunikation), im 6. Semester (psychosoziale und spirituelle Grundlagen der Palliativmedizin) und im 9. Semester (Symptomkontrolle und Schmerztherapie). Im 6. Semester wirken auch die nicht-ärztlichen Berufsgruppen im Palliativteam als Dozenten mit (Pflege, Sozialarbeit, Seelsorge, Psychotherapie, Atemtherapie etc.). Die 440 Medizinstudierenden, die jährlich an der LMU zu unterrichten sind, stellen das IZP vor eine große Herausforderung, zumal der Unterricht in Seminaren mit maximal 15 Teilnehmenden durchgeführt wird. Das palliativmedizinische Lehrkonzept der LMU ist kürzlich mit dem University Award der International Association for Hospice and Palliative Care ausgezeichnet worden.

    Forschung
    Die Palliativmedizin hat sich in den letzten Jahren weltweit von einer empirischen zu einer evidenzbasierten und wissenschaftlich orientierten Disziplin entwickelt. Die Forschung in der Palliativmedizin beschränkt sich nicht auf Schmerztherapie und Tumorerkrankungen, sondern umfasst Erkrankungen aus allen medizinischen Fachgebieten, insbesondere der Neurologie und der nicht-onkologischen Inneren Medizin. Alle Symptome, die bei Palliativpatienten auftreten (z.B. Atemnot, gastrointestinale Symptome, Verwirrtheit, Delir etc.), werden hinsichtlich Ursache und Therapie wissenschaftlich untersucht. Ein wichtiger Zweig der palliativmedizinischen Forschung befasst sich - entsprechend der WHO-Definition der Palliativmedizin - mit der Bedeutung psychosozialer Faktoren für die Lebensqualität schwerstkranker und sterbender Patienten und ihrer Angehörigen. Eine relativ neue Forschungsrichtung untersucht die Rolle der spirituellen Begleitung in diesem Kontext und ihre Auswirkung sowohl auf die Patienten als auch auf die Trauerphase bei den Angehörigen. Die Forschungsaktivitäten der IPE gliedern sich derzeit in vier Bereiche:
    Im Forschungsbereich I (Lebensqualität: Psychosoziale und spirituelle Aspekte) werden Projekte zur psychosozialen Betreuung (Erfassung der Lebensqualität bei Palliativpatienten; Zusammenhang zwischen Wert- und Sinnvorstellungen der Patienten und ihrer Lebensqualität) durchgeführt. Außerdem finden, zum ersten Mal in Deutschland, wissenschaftliche Studien zur Evaluation der spirituellen Begleitung in der Palliativmedizin statt (randomisierte Studie zur spirituellen Anamnese; Untersuchung zur Bedeutung von religiösen/existentiellen Fragen bei fortschreitender Erkrankung; Evaluation von Spiritual-Care-Trainings -). Für Forschung und Lehre im Bereich Seelsorge in der Palliativarbeit haben die evangelische und die katholische Kirche dem IZP Projektstellen bewilligt.
    Im Forschungsbereich II (neurologische Erkrankungen) werden Untersuchungen zur Symptomkontrolle und Lebensqualität von Patienten und Angehörigen bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und malignen Hirntumoren durchgeführt.
    Im Forschungsbereich III (integrierte Versorgungsforschung) werden verschiedene Aspekte der Palliativbetreuung im Hinblick auf eine Optimierung der Qualität und der Ressourcenausnutzung untersucht. Dazu gehören u.a. die Entwicklung von Skalen zur Qualitätsmessung der Palliativbetreuung, die Entwicklung integrierter Versorgungspfade für Palliativpatienten, die Effizienz palliativmedizinischer Konsiliardienste, die palliativmedizinische Bedarfsermittlung im ländlichen Bereich, Palliativmedizin in Alten- und Pflegeheimen, Pädiatrische Palliativmedizin sowie Entscheidungen am Lebensende.
    Im Forschungsbereich IV (Aus-, Fort- und Weiterbildung) wird u.a. das neue Konzept der studentischen Lehre prospektiv evaluiert sowie der Zusammenhang zwischen Lernstilen und Kurserfolg in der ärztlichen Palliativmedizinischen Weiterbildung in einem Projekt untersucht. Für diese Projekte konnten bereits Drittmittel aus dem In- und Ausland (u.a. Sturm-Stiftung, Bayerische Stiftung Hospiz, Fetzer Institute, Max-Kade-Stiftung) eingeworben und nationale sowie internationale Kooperationen (u.a. mit der Harvard University, Boston, der Columbia University, New York, und dem King's College, London) eingerichtet werden. Angesichts des wachsenden öffentlichen Interesses an der Palliativmedizin ist auch in Deutschland von einer Zunahme der für diesen Forschungszweig bereitgestellten Ressourcen auszugehen.

    3. Christophorus Akademie / Weiterbildung
    Die angemessene Versorgung und Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen erfordert von den Betreuenden Spezialwissen und die Fähigkeitzu berufsgruppenübergreifender Zusammenarbeit.
    Für Fachkräfte aus Medizin, Pflege, Sozialer Arbeit und Seelsorge führt die Akademie alle Qualifizierungskurse durch, die nach den Rahmenvereinbarungen zum § 39a SGB V gefordert werden. Die Ärztekurse entsprechen den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. und der (Muster-) Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer zur "Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin". Die Akademie wurde 1999 durch ihren bisherigen Träger, den Christophorus Hospiz Verein e. V., gegründet und seit Beginn durch die Deutsche Krebshilfe e.V. gefördert. Mit dem Wechsel in das universitäre Zentrum erreicht die Akademie wichtige Ziele: Zusätzlich zu ihren ambulanten Wurzeln wird sie nun sowohl klinisch als auch wissenschaftlich eingebunden. Derart enger Praxis-Theorie-Praxis-Transfer ermöglicht eine besonders umfassende, den wachsenden Anforderungen des innovativen Arbeitsfeldes gemäße fachliche Schulung.

    Ziele der Christophorus-Akademie sind:
    ·Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Aus-, Fort- und Weiterbildung in Palliativmedizin, Palliativpflege und Hospizarbeit
    ·Schulung palliativmedizinisch tätiger Dozenten
    ·Förderung des Dialogs zwischen den beteiligten Berufsgruppen
    ·Öffentlichkeitsarbeit
    ·Regionale, überregionale und internationale Zusammenarbeit mit palliativmedizinischen Bildungseinrichtungen
    · Koordination wissenschaftlicher Projekte

    Für Rückfragen:
    Prof. Dr. Gian Domenico Borasio
    Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin
    Klinikum der Universität München - Großhadern
    81377 München
    Tel.: 089 7095 4930, Fax: 089 7095 4939
    Emails: Borasio@med.uni-muenchen.de,
    Website: http://palliativmedizin.klinikum.uni-muenchen.de


    More information:

    http://palliativmedizin.klinikum.uni-muenchen.de


    Images

    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Social studies
    transregional, national
    Research projects, Studies and teaching
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).