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06/02/2022 15:02

Klimaschutz in Klinik und Praxis: Diagnostik und Therapie müssen umweltfreundlicher werden

DGGG e.V. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.

    Der Medizinsektor hat in Deutschland und weltweit einen hohen Anteil am Klimawandel. Mit einfachen niederschwelligen Maßnahmen wäre es möglich, wesentliche Bereiche in Klinik und Praxis klimafreundlich umzustellen. Dazu bräuchte es den Willen zum Umdenken – auf allen Ebenen.

    Bitte berücksichtigen Sie die unten stehende Pressemitteilung im Rahmen Ihrer Recherche. Vielen Dank!

    Berlin, im Juni 2022 – In diesem Jahr fiel der Earth Overshooot Day für Deutschland auf den
    4. Mai 2022. Seit diesem Tag verbraucht die Bundesrepublik mehr natürliche Ressourcen als
    bis zum 31. Dezember wieder nachwachsen könnten. Neben bekannten Branchen wie der
    Automobilindustrie und der Landwirtschaft trägt der Medizinsektor überproportional zum
    Klimawandel bei – weltweit ist er verantwortlich für etwa 6 Prozent der
    Treibhausgasemissionen. Für uns Menschen ist der Klimawandel in vielerlei Hinsicht
    gesundheitsschädigend. So ist für die Frauenheilkunde längst ein Zusammenhang zwischen
    mütterlicher Feinstaubbelastung und einem assoziierten Frühgeburtsrisiko belegt. Hinzu
    kommen vor allem auch Krebsleiden, die durch Luftverschmutzung mitverursacht werden
    können. Einen drastischen Anstieg gibt es darüber hinaus bei der Zahl von Hitzetoten. Allein
    im Jahr 2018 erlagen laut Deutschem Ärzteblatt über 20.000 Menschen in Deutschland der
    Hitze. ExpertIinnen fordern deshalb dringlich, dass Klimaschutz zeitnah in die Bemühungen
    für Patientensicherheit einbezogen werden sollte.1
    Die internationale Ärzteschaft hat sich bereits 2019 in einer Resolution zum Klimanotstand
    bekannt. Darin fordern sie die nationalen Regierungen auf, bis 2030 CO2-Neutralität zu
    erreichen, um lebensbedrohliche Gesundheitsfolgen der Klimakrise zu minimieren.2 Die
    Bundesregierung hat sich mit dem Klimaschutzgesetz zum Ziel gesetzt, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu gestalten. Der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung wird erstmals ab 2022 alle zwei Jahre ein Gutachten über die bisher erreichten Ziele, Maßnahmen und Trends vorlegen. Werden die Vorgaben nicht eingehalten, will die Bundesregierung nachsteuern.3

    Abgesehen von nationalen und internationalen Klimaschutzrichtlinien gibt es lokal viele
    Möglichkeiten, in einem Klinikum oder einer Praxis selbst aktiv zu werden.

    „Aus unserer ganz praktischen Arbeitserfahrung einer Frauenklinik ist es essentiell,
    dass gemeinsam kreativ und niederschwellig gedacht wird. So können auch ohne
    unmittelbare große finanzielle Investitionen Sofortmaßnahmen für einen aktiven
    Klimaschutz ergriffen werden, vorausgesetzt, die Klinikleitung zieht hier mit.“
    Prof. Dr. Annette Hanseburg (Universitätsmedizin Mainz)
    Direktorin der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit
    und Mitglied im DGGG-Vorstand

    CO2Reduktion im Klinikalltag – 15 Maßnahmen zur Sofortimplementierung

    Während die energetische Sanierung von Gebäuden großer Investitionen bedarf, gibt es
    Maßnahmen, die kurzfristig und einfach umgesetzt werden können. Hierzu zählen:

    1 Einführung der strukturellen, personellen und fachlichen Voraussetzungen für
    Etablierung eines Nachhaltigkeitskonzepts
    2 Einstellung eines/einer Klimamanager:in
    3 Erstellung von „Nachhaltigkeits-SOPs“
    4 Information und Schulung von Mitarbeiter:innen für Aspekte der Nachhaltigkeit
    5 Aufnahme des Ziels „Klimaneutralität“ in Unternehmensziele
    6 jährliche Bestimmung des CO2 Fußabdrucks zur Erfolgskontrolle
    7 Gebäudemanagement: Nutzung des energetischen Sparpotentials (LED Leuchten,
    Bewegungsmelder, nächtliche Reduktion von Klimaanlagen z.B. in OPs,
    Überarbeitung von Lüftungs- und Heizkonzept)
    8 Reduktion von Einmalartikeln
    9 Konsequentes und funktionierendes Recycling-Konzept in allen Bereichen
    10 Austausch klimabelastender Narkosegase, Scavenging- und Recycling-Systeme
    für Narkosegase
    11 Verwendung erneuerbarer Energien, E-Transporter für Transportdienste
    12 Jobticket, abschließbare Fahrradgaragen, Ladesäule für E-Bikes und E-Autos
    13 Umsetzung der Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)
    14 Papierloses Krankenhaus (digitale Akte), papierloses Semester, umweltfreundliche
    Suchmaschinen
    15 Nutzen der Schwarmintelligenz durch Partizipation (Ideenwettbewerbe,
    Veröffentlichung von Fortschritten in Richtung Nachhaltigkeit...)

    Dass die routinierte flächendeckende Umsetzung selbst einfachster Maßnahmen wie das
    Fensterschließen nach Dienstende kein Automatismus ist, wissen engagierte Mediziner:innen, wie etwa Jun.-Prof. Martin Weiss vom Department für Frauengesundheit an der Universität Tübingen. Er betont, dass der effizienten Koordination von Maßnahmen zwischen ÄrztInnen eine wesentliche Rolle beim gelebten Klimaschutz zukommt. So könnten etwa unnötig wiederholte Tests und überflüssiger ressourcenraubender Medikamentenverbrauch vermieden werden. Zudem könnten klimabelastende halogenierte Narkosegase wie Stickstoffoxid und Desfluran unter Umständen durch intravenöse Betäubungsmittel ersetzt werden, die nur einen Bruchteil an Emissionen verursachen. Die Umwelt schonen würden außerdem wiederaufbereitete Medizinprodukte, die jedoch gerade im ambulanten Bereich so gut wie verdrängt worden seien. Dieser Effekt habe sich seit der COVID-19-Pandemie verstärkt. Grundsätzlich könne, das betonen die beiden VertreterInnen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG e.V.), jede Einrichtung im Gesundheitssektor ihren ökologischen Fußabdruck binnen kurzer Zeit mittels Dienstleister bestimmen lassen.

    „Wenn wohlhabende Länder die verschwenderischen und kohlenstoffintensiven
    Praktiken jetzt reduzieren, haben wir eine echte Chance, einer durch den Medizinsektor
    mitverursachten Umweltkatastrophe zu entgehen.“
    Jun.-Prof. Dr. Martin Weiß (Tübingen)
    Sprecher des Jungen Forums in der DGGG e.V. und Mitglied im DGGG-Vorstand

    Mit Blick auf eine systematische klimafreundliche Sanierungskampagne der deutschen
    Krankenhauslandschaft unterstützt der DGGG-Vorstand den Vorschlag von
    Gesundheitsökonomen wie Prof. Boris Augurzky, Träger des Zukunftspreises vom Verband
    der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V. (VLK).4
    „Die Idee, einen ‚KrankenhausKlimafond‘ aufzulegen, der von Bund und Ländern gefüllt wird, ist sinnvoll. Denn auch aus unserer Sicht haben Krankenhäuser in Deutschland – ob kommunal oder privatwirtschaftlich geführt – flächendeckend nicht die Kraft, um im ausreichenden Maße in Klimaschutz zu investieren“, betont Prof. Anton J. Scharl, DGGG-Präsident. Der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Verknappung der Gasversorgung dürften den Druck auch auf Kliniken und Praxen erhöhen, ressourcenschonender zu agieren und kreativ nach neuen Wegen zur Reduktion des jeweiligen CO2-Abdrucks zu suchen.

    Quellen
    1 Weiss M: Die Spuren, die wir hinterlassen – Umweltbelastung der modernen
    Medizin. FRAUENARZT 2022; 63(4): 238-241
    2 https://www.wma.net/policies-post/wma-resolution-on-climate-emergency/
    3 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/transparenterklimaschu...
    4 Dtsch Arztebl 2022; 119(15): A-648 / B-541


    Contact for scientific information:

    https://www.unimedizin-mainz.de/typo3temp/secure_downloads/32479/0/7c177434d0f33...
    https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/mitarbeiter/1788


    Original publication:

    https://www.dggg.de/presse/pressemitteilungen-und-nachrichten/diagnostik-und-the...


    More information:

    https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/transparenter-klimasch...
    https://www.klik-krankenhaus.de/startseite
    https://www.bibliomedmanager.de/news/45298-augurzky-schlaegt-krankenhaus-klimafo...


    Images

    Attachment
    attachment icon Klimaschutz in Klinik und Arztpraxis

    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students
    Construction / architecture, Energy, Environment / ecology, Medicine, Politics
    transregional, national
    Organisational matters
    German


     

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