Ein Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Biologie in Tübingen hat bedeutende Fortschritte erzielt in der Frage, wie Bakterien im menschlichen Darm gedeihen. Die Forschenden untersuchten, wie Bakterien Inositol-Lipide produzieren. Diese chemischen Stoffe sind für viele Zellprozesse bei Menschen und anderen Eukaryoten notwendig, wurden bislang aber selten in Bakterien beobachtet. Die nun in der Fachzeitschrift Nature Microbiology publizierten Ergebnisse deuten darauf hin, dass Inositol-Lipide Auswirkungen auf die Symbiose zwischen Bakterien und ihren Wirten haben.
Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze bevölkern den menschlichen Darm und wirken am Stoffwechsel, dem Immunsystem und anderen Körperfunktionen mit. Um den Einfluss des Mikrobioms auf den Menschen zu verstehen, versuchen Forschende nicht nur zu bestimmen, welche Mikroorganismen im Darm vorhanden sind, sondern auch die molekularen Mechanismen des Zusammenspiels zwischen Mikrobiom und Wirt aufzuklären.
Ein Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Biologie in Tübingen hat nun untersucht, wie Darmbakterien die Stoffgruppe der sogenannten Inositol-Lipide produzieren, und dadurch unser Verständnis dieses Zusammenwirkens einen entscheidenden Schritt vorangebracht.
Inositol-Lipide regulieren Kommunikation zwischen Zellen und Entzündungen
Inositol-Lipide spielen wichtige Rollen für viele Zellprozesse bei Menschen und den meisten anderen nicht-bakteriellen Lebewesen: Sie regulieren, wie Zellen einander Signale senden, wirken auf Entzündungsprozesse ein und helfen Proteinen, ihren korrekten Wirkungsort innerhalb einer größeren Zelle zu finden. Störungen des Inositol-Spiegels werden mit Krankheiten wie dem polyzystischen Ovar-Syndrom in Verbindung gebracht, der häufigsten Hormonstörung bei Frauen im gebärfähigen Alter.
Im Unterschied zu Menschen und anderen Eukaryoten, für die Inositol-Lipide lebenswichtig sind, produzieren Bakterien diese relativ selten. Das Forschungsteam unter Leitung von Ruth Ley, Wissenschaftlicher Direktorin am MPI für Biologie, konnte nun Inositol-Lipid-Synthese bei Bacteroides thetaiotaomicron beschreiben, einem im Dickdarm weitverbreiteten Bakterium und beliebten Modellorganismus der Mikrobiomforschung.
Indem die Forschenden einen bislang noch nicht beschriebenen Stamm der Art Bacteroides thetaiotaomicron entwickelten, bei sich die Inositol-Lipid-Produktion kontrollieren lässt, konnten sie nachweisen, dass diese Stoffe die Physiologie der Bakterien beeinflussen. „Wir verstehen zwar noch nicht ganz die genaue Rolle der Inositol-Lipide für die Bakterien, aber wir konnten beobachten, dass sie für das erfolgreiche Gedeihen im Darm des Wirts nötig sind“, sagt Stacey Heaver, Erstautorin der wissenschaftlichen Veröffentlichung. Das Team fand Inositol in der Bakterien-Kapsel, einer Schicht, die die Bakterien davor schützt, von Immunzellen des Wirts verschlungen zu werden. Außerdem ändern Inositol-Lipide die Resistenz von Bacteroides thetaiotaomicron gegen antimikrobielle Peptide, chemische Stoffe, mit denen der Wirt Krankheitserreger bekämpft.
Mögliche Wechselwirkungen zwischen Lipiden von Bakterien und Wirt
Die Forschenden beschrieben außerdem die Stoffwechselwege der Inositol-Lipid-Synthese, das heißt die Kette chemischer Reaktionen, die zur Produktion von Inositol-Lipiden führt. Des Weiteren identifizierten sie einen zweiten, mutmaßlichen Stoffwechselweg, den Bakterien für die Synthese von Inositol-Lipiden nutzen könnten. „Die Stoffwechselwege herauszufinden ist interessant, weil so vorhersagen können, welche anderen Mikroben auf dieselbe Weise wie unser Modellorganismus Inositol-Lipide herstellen könnten“, erklärt Heaver. „Mit diesem Wissen können wir vielleicht sogar Inositol-Lipid-Produktion in die Wege leiten oder beeinflussen.“
Heaver blickt mit Spannung auf künftige Forschung dazu, ob und wie bakterielle Inositol-Lipide dem Wirtsorganismus nützen könnten: „Es ist möglich, dass es Wechselwirkungen zwischen den Lipiden der Bakterien und denen des Wirtssäugers gibt“, sagt sie. „Wir einen großen Schritt weitergekommen im Unterfangen, das Ausmaß solcher Interaktionen zu verstehen.“
Stacey Heaver
Max-Planck-Institute für Biologie, Tübingen
eMail: stacey.heaver@tuebingen.mpg.de
Stacey L. Heaver, Henry H. Le, Peijun Tang, Arnaud Baslé, Claudia Mirretta Barone, Dai Long Vu, Jillian L. Waters, Jon Marles-Wright, Elizabeth L. Johnson, Dominic J. Campopiano, Ruth E. Ley: Characterization of inositol lipid metabolism in gut-associated Bacteroidetes. Nat Microbiol (2022). https://doi.org/10.1038/s41564-022-01152-6
Department for Microbiome Research, MPI for Biology
Jean-Claude Winkler
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Biology
transregional, national
Research results
German
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