Die Bergbefestigung von Rabana-Merquly im heutigen Irakisch-Kurdistan gehörte zu den großen regionalen Zentren des Partherreiches, das sich vor rund 2.000 Jahren über Teile Irans und Mesopotamiens erstreckte. Zu diesem Schluss kommt ein Team von Archäologen am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie der Universität Heidelberg. Gemeinsam mit irakischen Kollegen haben die Forscher die Überreste der Festung untersucht.
Pressemitteilung
Heidelberg, 18. Juli 2022
Auf den Spuren der verlorenen Stadt Natounia
Archäologische Untersuchungen liefern neue Erkenntnisse zur parthischen Siedlungsgeschichte in Irakisch-Kurdistan
Die Bergbefestigung von Rabana-Merquly im heutigen Irakisch-Kurdistan gehörte zu den großen regionalen Zentren des Partherreiches, das sich vor rund 2.000 Jahren über Teile Irans und Mesopotamiens erstreckte. Zu diesem Schluss kommt ein Team von Archäologen unter Leitung von Dr. Michael Brown, Wissenschaftler am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie der Universität Heidelberg. Gemeinsam mit irakischen Kollegen hat er die Überreste der Festung untersucht. Die Arbeiten liefern wichtige Hinweise auf Siedlungsstrukturen und Geschichte der Parther, über die – obwohl als Großmacht in die Geschichtsbücher eingegangen – nur erstaunlich lückenhaftes Wissen existiert, wie Dr. Brown betont. Möglicherweise handelt es sich bei Rabana-Merquly zudem um die verlorene Stadt Natounia.
An den südwestlichen Hängen des Berges Piramagrun im Zagros-Gebirge gelegen umfasst die Steinfestung von Rabana-Merquly neben den knapp vier Kilometer langen Bewehrungen zwei kleinere Siedlungen, nach denen sie benannt ist. Aufgrund ihrer Lage hoch am Berg war die Kartierung der Anlage nur mit Drohnen möglich. Im Rahmen von mehreren Grabungskampagnen, die ab 2009 und zuletzt zwischen 2019 und 2022 durchgeführt wurden, konnte das internationale Forschungsteam die archäologischen Überreste vor Ort untersuchen. Bis heute erhalten geblieben sind Strukturen, die auf eine militärische Nutzung schließen lassen, darunter die Überreste mehrerer rechteckiger Gebäude, die als Barracken gedient haben könnten. Die Forscher fanden außerdem einen religiösen Komplex, der der zoroastrischen iranischen Göttin Anahita gewidmet gewesen sein könnte.
Eine besondere Bedeutung kommt den Wandreliefs am Eingang der Festung zu, ebenso wie der geographischen Lage der Bergbefestigung im Wassereinzugsgebiet des Unteren Zab – im Altertum unter seinem griechischen Namen Kapros bekannt. Die Wissenschaftler vermuten, dass es sich bei Rabana-Merquly um die verlorene Stadt Natounia handelt. Die Existenz der auch als Natounia am Kapros oder alternativ als Natounissarokerta bezeichneten Königsstadt ist bislang nur auf wenigen Münzen aus dem ersten Jahrhundert vor Christus dokumentiert. Nach einer wissenschaftlichen Lesart setzt sich der Ortsname Natounissarokerta aus dem königlichen Namen Natounissar, dem Begründer der adiabenischen Königsdynastie, und dem parthischen Wort für Graben oder Festung zusammen. „Eine solche Beschreibung könnte auf Rabana-Merquly zutreffen“, so Dr. Brown.
Nach den Worten des Heidelberger Archäologen könnten die Wandreliefs am Festungseingang den Stadtgründer zeigen, entweder Natounissar selbst oder einen direkten Nachfahren. Wie der Wissenschaftler erklärt, ähneln die Reliefs in ihrer Darstellung dem Abbild eines Königs, das im etwa 230 Kilometer entfernten Hatra gefunden wurde – einem reichen Fundort der Partherzeit. Die Bergbefestigung Rabana-Merquly liegt an der Ostgrenze von Adiabene, das von den Königen einer lokalen Dynastie, die von den Parthern abhängig war, regiert wurde. Sie könnte unter anderem dazu gedient haben, Handel mit den Hirtenvölkern im Hinterland zu treiben, diplomatische Beziehungen zu unterhalten oder militärischen Druck auszuüben. „Der erhebliche Aufwand, der für die Planung, Errichtung und den Unterhalt einer Festung dieser Größe aufgewendet worden sein muss, lässt auf staatliches Handeln schließen“, betont Dr. Brown.
Die aktuellen Forschungsarbeiten in Rabana-Merquly wurden im Rahmen des Schwerpunktprogrammes 2176 „Das iranische Hochland: Resilienzen und Integration in vormodernen Gesellschaften“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, parthische Siedlungen und parthische Gesellschaft im Zagros-Hochland auf beiden Seiten der iranisch-irakischen Grenze zu erforschen. Bei den aktuellen Grabungen in Rabana-Merquly arbeitete Dr. Brown mit Kollegen des Directorate of Antiquities in Sulaymaniyah, einer Stadt in der Autonomen Region Irakisch-Kurdistan, zusammen. Die Ergebnisse der Heidelberger Untersuchungen wurden in der Zeitschrift „Antiquity“ veröffentlicht.
Kontakt:
Universität Heidelberg
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Dr. Michael Brown
Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie
Heidelberg Centre for Transcultural Studies
Telefon (06221) 54-4359
m.brown@uni-heidelberg.de
M. Brown, K. R. Raheem, H. H. Abdulla: Rabana-Merquly: a fortress in the kingdom of Adiabene in the Zagros Mountains. Antiquity (20 July 2022), https://doi.org/10.15184/aqy.2022.74
http://www.asia-europe.uni-heidelberg.de/en/research/hcts-projects/mountain-fort... - Projektwebsite Rabana-Merquly
http://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/philosophie/zaw/ufg/mitarbeiter/brown_m... - Website von Michael Brown
Ausgrabung der Umfassungsmauer am Eingang des Rabana-Tals.
Archäologisches Projekt Rabana-Merquly
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
History / archaeology
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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