Der richtige Knack der Wurst ist nicht zuletzt eine Sache der Physik. Ein Team des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz hat untersucht, wie die Eigenschaften von pflanzlichen Proteinen das Mundgefühl vegetarischer und veganer Würste beeinflussen. Auf Basis der dabei gewonnenen Erkenntnisse haben erste Unternehmen bereits ihre Rezeptur angepasst, damit die Textur der Würste mehr der von Würsten aus Fleisch gleicht.
Sommer ist Grillsaison: Auf den Grill kommen inzwischen auch immer mehr vegane und vegetarische Produkte. Würste aus pflanzlichen Zutaten unterscheiden sich bisher aber immer noch stark von den Varianten aus Fleisch: So ist etwa der Knack einer Fleischwurst ein ganz anderer als der von veganen Würsten. Dies liegt an der unterschiedlichen Basis der Würste. In tierischem Gewebe emulgieren beispielsweise die darin vorhandenen Muskelproteine, Fette und Öle auf ganz andere Weise, als Pflanzenproteine das vermögen.
„Das Mundgefühl einer Wurst ist eine komplexe Angelegenheit“, so Thomas Vilgis, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Polymerforschung. „Am Ende sind hier viele verschiedene physikalische Prozesse auf verschiedenen Längenskalen beteiligt – vom ersten Biss bis zum Zerkleinern in eine breiige Masse. Das macht es für vegetarische und vegane Alternativen so schwierig, an das tierische Produkt heranzukommen.“
Vorhersagen über das Verhalten beim Kauen
Die Forschenden entwickelten ein Modell, mit dem Vorhersagen über das mechanische Verhalten von Würsten, zum Beispiel beim Kauen, getroffen werden können. „Bisher war dieses Vorgehen kaum üblich. Stattdessen ging die Wurstindustrie vor allem nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum vor – man hat also versucht, die Textur durch Ausprobieren zu verbessern.“
Zur Entwicklung ihres Modells haben die Forschenden die Proteine in den Zutaten untersucht und dabei auch die Abfolge der Aminosäuren betrachtet. Knackpunkt des Mundgefühls ist den Untersuchungen zufolge das Netzwerk, das die vielen Proteine – zum Beispiel in tierischen Produkten – bilden. Dieses Netzwerk gilt es, mit veganen oder vegetarischen Alternativen bestmöglich nachzubilden, um ein ähnliches Mundgefühl zu erhalten. „Letztlich können wir vegane und vegetarische Alternativen dem Mundgefühl von Fleischwürsten aber immer nur annähern – denn Pflanzenproteine sind gänzlich anders aufgebaut als Proteine im Fleisch“, erklärt Vilgis.
Wursthersteller haben ihre Rezepturen für vegane Würste angepasst
Um ihr Modell zu validieren, simulierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Kauprozess und bestimmten die Kräfte, mit denen sich die unterschiedlichen Wurstmassen verformen lassen. Diese Messungen geben Aufschluss darüber, wie sich die Würste sowohl beim Kauen als auch beim Bearbeiten mit der Zunge verhalten.
Aus dem theoretischen Modell und den Messungen leiteten die Forschenden ab, wie vegane und vegetarische Wurstmassen ergänzt oder verändert werden müssen, damit sie mit ihrer Textur ein ähnliches Mundgefühl erzeugen wie Fleischwürste. Die Erkenntnisse des Mainzer Teams hatten auch bereits praktische Konsequenzen. Denn auf ihrer Basis hat ein Wursthersteller seine Rezeptur für vegetarische und vegane Würste inzwischen angepasst und für den typischen Knack von Fleischwürsten optimiert.
Prof. Dr. Thomas Vilgis
Tel.: +49 6131 379-143
vilgis@mpip-mainz.mpg.de
Ghebremedhin, M.; Bächle, M.; Vilgis, T. A.: Meat-, vegetarian-, and vegan sausages: Comparison of mechanics, friction, and structure. Physics of Fluids 34 (4), 047112 (2022)
https://dx.doi.org/10.1063/5.0083730
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars
Chemistry, Nutrition / healthcare / nursing, Physics / astronomy
transregional, national
Scientific Publications
German
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