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05/19/2004 00:00

Eingriffe im Gesicht: Die Ästhetik im Mittelpunkt

Dipl. Biol. Barbara Ritzert Pressearbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    (Bad Homburg) Bei Operationen im Gesicht und bei der Implantation künstlicher Zahnwurzeln geht es nicht nur um die Wiederherstellung von Funktionen wie Kauen, Sprechen, Schlucken. Ästhetische Aspekte spielen eine immer größere Rolle. Darüber diskutieren rund 1000 Experten auf einer Fachtagung für Kieferchirurgen und Zahnmediziner in Bad Homburg.

    Das Gesicht ist die persönlichste "Visitenkarte" des Menschen. Seine individuelle Ausdruckskraft und Mimik entstehen durch das Zusammenspiel komplexer anatomischer Strukturen. Schon kleinste Änderungen können darum Aussehen und Ausdruck beeinflussen. Diese komplizierten Zusammenhänge müssen die Ärzte bei Operationen im Gesichtsbereich berücksichtigen, wenn sie beispielsweise schwere Gesichtsverletzungen, Tumoren oder Fehlbildungen behandeln, Kieferfehlstellungen beheben oder ein Gesichtsprofil harmonisieren. "Zwar geht es bei solchen Eingriffen in den meisten Fällen um die Wiederherstellung wichtiger Funktionen wie kauen, atmen, sprechen oder schlucken, doch die Ästhetik spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle", erklärt Professor Friedrich W. Neukam von der Klinik für MKG-Chirurgie der Universität Erlangen und Leiter der 55. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie. Daher steht die Tagung, an der rund 1000 Experten teilnehmen, unter dem Motto: "Ästhetik - Maßstab kieferchirurgischer Eingriffe".

    Auch beim Zahnersatz spielt die Ästhetik eine große Rolle. Darum werden künstliche Zahnwurzeln als Träger für festsitzenden Zahnersatz immer beliebter. 1980 ließen sich gerade einmal 5000 Menschen die kleinen Pfeiler aus Titan implantieren, im vergangenen Jahr waren es bereits 180000. Die jährlichen Zuwachsraten liegen bei zehn Prozent. Denn es gibt auch hier neue Möglichkeiten, welche die Belastung des Patienten reduzieren und die Sicherheit der Behandlung erhöhen.

    Darum findet die Tagung der Arbeitsgemeinschaft Kieferchirurgie erstmals in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Implantologie e.V. statt, der größten implantologischen Fachgesellschaft Europas, die auf der Tagung in Bad Homburg auch ihr zehnjähriges Bestehen feiert.

    Ein harmonisches Profil. Menschen mit Kieferfehlstellungen haben nicht nur Probleme beim Kauen und Sprechen. Auch der psychische Leidensdruck ist enorm. Aufgrund besserer Operationstechniken und neuer technischer Möglichkeiten ist die Korrektur des Profils inzwischen ein Routine-Eingriff. Falls nötig können beispielsweise Kiefer und Nase gleichzeitig korrigiert werden. Entsprechend steigen die Fallzahlen, da Aufwand und Belastung die Patienten nicht mehr abschrecken. Die Funktionalität ist für die Betroffenen allerdings nicht mehr der einzige Maßstab. Die Ästhetik des Gesichtes wird immer wichtiger. Darum haben die Kieferchirurgen begonnen, neue Strategien für die OP-Planung und zur Vorhersage der Therapieresultate zu entwickeln.

    Bei der Korrektur schwerer Fehlbildungen oder der Operation von Tumoren im Kopf- und Gesichtsbereich können die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen den Eingriff auf dem Computerbildschirm simulieren. Dazu werden die computertomographischen Aufnahmen des Patientenschädels in dreidimensionale Modelle "umgerechnet", an denen die komplexen anatomischen Situationen zu erkennen sind.

    Auf dem Weg zur besseren Vorhersage. Doch bei Kieferverlagerungen liefern solche Simulationen keine Hinweise auf das wahrscheinliche ästhetische Behandlungsergebnis. Denn zu diesem trägt nicht nur die veränderte knöcherne Struktur, sondern auch das Verhalten der Weichgewebe bei. Wenn bei dem Eingriff durch die Mundhöhle der Kieferknochen freigelegt, durchtrennt und zumeist um einige Millimeter nach vorne oder hinten verlagert wird, weiß der Chirurg zwar, wie der Knochen danach stehen wird. Doch wie sich das Weichgewebe verhält, wie sich danach Nase, Wangen und Stirn ästhetisch in das neue Profil einfügen, lässt sich nicht sicher prognostizieren. Darum tasten sich die Chirurgen vor allem in komplizierten Fällen an das erwünschte Ergebnis heran: Oft folgen auf den ersten Eingriff mehrere kleinere.

    Um dies den Patienten zu ersparen und das wahrscheinliche Operationsergebnis besser vorhersagen zu können, hat ein Team von MKG-Chirurgen um PD Dr. Dr. Emeka Nkenke und Professor Neukam damit begonnen, die Gesichter von Patienten vor und ein Jahr nach einem Eingriff dreidimensional mit einem speziellen Aufnahmeverfahren zu erfassen und die jeweilige OP-Technik mit dem Ergebnis in Beziehung zu setzen. Wir gehen nicht von der knöchernen Unterlage, sondern von der Oberfläche der Weichgewebe aus, denn diese ist für den ästhetischen Gesamteindruck entscheidend", erklärt Neukam. "Das Prinzip der dreidimensionalen Vorhersage der Gesichtsoberfläche soll zukünftig auf einem Vergleich des Patientengesichts mit ähnlichen Fällen aus einer Datenbank beruhen", erläutert Nkenke die neue Strategie, die in abgewandelter Form auch die Meteorologie sicherer gemacht hat. "Ausgehend von einer größeren Datenbasis - in unserem Fall von vielen Patienten mit ähnlichen Fehlstellungen - können wir vergleichbare Fälle heraussuchen und das wahrscheinliche Ergebnis vorhersagen." Inzwischen befinden sich in den Computern der Experten die Daten von 70 Patienten mit Kieferfehlstellungen - und es kommen jeden Monat 2-3 neue Fälle hinzu.

    Die Methodik lässt sich auch für andere Fragestellungen in modifizierter Form einsetzen. Sie kann z.B. im Operationssaal angewendet werden, wenn es darum geht, die Position eines durch einen Unfall oder eine angeborene oder erworbene Fehlbildung verlagerten Augapfel über einen Symmetrievergleich mit hoher Präzision der gesunden Gegenseite anzupassen.

    Zahnimplantate: Den Kinderschuhen entwachsen. Neue technische Möglichkeiten und die Assistenz des Computers treiben auch bei Zahnimplantaten die Entwicklung rasant voran. "Dank der Fortschritte auf dem Gebiet der Implantologie sind wir heute in der Lage, bei Zahnverlust das Gebiss wieder komplett und erfolgreich zu restaurieren", erklärt Dr. Dr. Roland Streckbein, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie.

    Es gibt neben ästhetischen allerdings auch medizinische Gründe, warum verloren gegangene Zähne möglichst frühzeitig ersetzt werden sollten. In zahnlosen Kieferabschnitten beginnt der Knochen im Laufe der Zeit zu schrumpfen, weil er nicht mehr ausreichend belastet wird. Wird Zahnersatz indes an einer künstlichen Zahnwurzel verankert, erhält der Kieferknochen weiterhin die notwendige Stimulation.

    Mit Hilfe von Implantaten können Zahnärzte bereits einzelne Zähne ersetzen, ohne dass gesunde Nachbarzähne beschliffen werden müssen, um an ihnen den Zahnersatz zu verankern. "Auch heute noch werden bei seitliche fehlenden Zähnen fast automatisch Brücken eingesetzt ohne den Patienten über die Vorteile von Implantaten zu informieren ", kritisiert Streckbein. Dadurch werde nicht nur Zahnsubstanz geopfert, sondern unter den Brücken setzt auch der Knochenverlust ein.

    Ist dieser Knochenverlust bereits eingetreten, können die Spezialisten durch spezielle Techniken den Knochen kondensieren und damit festigen. Wenn dies nicht genügt, wird Knochen an einer anderen Stelle, etwa weiter hinten im Kiefer, entnommen und verpflanzt.

    Neue Zähne in einer Stunde. Um die Belastung des Patienten durch die Zahnersatz-Prozedur zu reduzieren erproben die Spezialisten inzwischen auch den Assistenten Computer. So können Experten inzwischen auf der Grundlage einer CT-Aufnahme an einem dreidimensionalen Modell am Computer den optimalen Sitz der Implantate planen. Das Modell zeigt beispielsweise genau, wo ein ausreichendes Knochenangebot zur Verfügung steht. Gleichzeitig kann der Zahnarzt auch die prothetische Versorgung neu planen oder eine existierende Prothese berücksichtigen.

    Auf der Grundlage dieser Berechnungen erstellt ein Speziallabor eine so genannte Bohrschablone und fertigt den Zahnersatz. Beim Eingriff sorgt die Bohrschablone im Mund des Patienten dafür, dass die Implantate exakt nach der Planung gesetzt werden. Der Zahnarzt bohrt Löcher mit einem Durchmesser von etwa vier Millimetern für die Implantate in den Kieferknochen, ohne das Zahnfleisch großflächig zu eröffnen. Unmittelbar nach der Implantation wird der vorgefertigte Zahnersatz auf den Implantaten verankert. Diese neue Technik ermöglicht es den Experten, die Implantate optimal zu positionieren. In einer Stunde ist der ganze Eingriff - Implantation und "Montage" des Zahnersatzes - erledigt. Die Operationszeit ist deutlich kürzer und der Eingriff weniger invasiv.

    Sofort-Implantation und Sofort-Belastung. Während die Zahnärzte früher zwischen Zahnextraktion und Implantation mehrere Monate verstreichen ließen, pflanzen sie die künstliche Wurzel heute unmittelbar nach der Extraktion in das vorhandene Zahnfach ein. Nur bei akuten oder ausgeprägten chronischen Entzündungen sowie ausgedehnten Schäden an Weichteilen und Knochen ist diese Sofort-Implantation nicht empfehlenswert. In solchen Fällen muss man die Heilung abwarten, was nach etwa sechs bis zwölf Wochen der Fall ist.

    Die Veränderung der Implantat-Oberfläche ist eine Möglichkeit, den Heilungsprozess zu beschleunigen. Bereits etabliert ist beispielsweise die Erhöhung der Rauigkeit. Ebenso gibt es Versuche, die Oberfläche von Implantaten chemisch oder biochemisch zu verändern. Durch solche Beschichtungen versuchen Forscher, biologische Verhältnisse zu imitieren, damit das Implantat schneller im Knochen verankert wird.

    Ebenso arbeiten die Wissenschaftler an Beschichtungen, die Wachstumsfaktoren und andere Signalmoleküle freisetzen, welche etwa die Zellteilung oder auch andere Funktionen der umgebenden Zellen beeinflussen. Auch dies könnte die Verankerung von Implantaten im Knochen beschleunigen. "Aber hier stehen wir erst am Anfang", betont Professor Henning Schliephake von der Universität Göttingen und Vizepräsident der DGI.

    Erste Studien deuten darauf hin, dass sich Knochengewebe bei einer früheren Belastung besser an das Implantat anlagert als wenn dieses bis zur völligen Einheilung gar nicht belastet wird. Die "absolute Schonphase", die der Ruhigstellungsphase bei einem Knochenbruch entspricht, reduzieren manche Experten inzwischen auf vier bis sechs Wochen. Danach werden die Implantate steigend belastet, um das Knochenwachstum zu stimulieren.

    Pressestelle DGI
    Barbara Ritzert, ProScience Communications GmbH, Andechser Weg 17, 82343 Pöcking
    Tel. 08157/9397-0, Fax: 08157/9397-97, ritzert@proscience-com.de


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results, Scientific conferences
    German


     

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