Eine Studie der Universität Koblenz hat untersucht, welche sprachlich-kommunikativen Strategien Politiker*innen und Journalist*innen anwenden, um digital in Social Media bestimmte Identitäten zu (er-)schaffen.
Die ethnografische Studie umfasst dabei Begleitungen und Tiefeninterviews mit Spitzenpolitiker*innen. Sie zeigt, dass trotz gestiegener Bedeutung von Social Media der direkten Face-to-Face-Interaktion immer noch Priorität im kommunikativen Alltag eingeräumt wird. „Es lässt sich nachweisen, dass Plattformen wie Twitter und Facebook vor allem dann zum Einsatz kommen, wenn Politiker*innen zwischen zwei Terminen freie Zeit haben, sie im Plenum sitzen oder an Veranstaltungen teilnehmen, also meist in eher entspannten Situationen. Das Smartphone oder Tablet fungiert dann auch als mobiles Büro, denn zwischen Terminen lassen sich so auch Mails beantworten oder Pressemitteilungen erstellen“, erklärt Dr. Sascha Michel, der die Studie an der Universität Koblenz realisiert hat.
Aus den Tiefeninterviews mit den Politiker*innen, die in zwei Phasen von 2013 bis 2014 und von 2018 bis 2019 geführt wurden, geht hervor, dass Twitter heute kritischer betrachtet wird, da der Ton zunehmend rauer geworden sei. Viele Politiker*innen sehen in Instagram zwar eine Alternative, eine Art Wohlfühloase, da dort die positiven Reaktionen überwiegten, allerdings bleibt Twitter nach wie vor essenziell, um Kolleg*innen der gleichen und anderer Parteien sowie Journalist*innen zu erreichen.
Aus den Interviews lassen sich zudem Twitter-Nutzertypen ableiten: Unter diesen Typen finden sich der Neuling, der Twitter noch zögerlich gebraucht, der Pragmatiker, der Twitter strategisch und stark zielgruppenorientiert nutzt, der Profi, der verschiedene Social Media-Kanäle verwendet, der Souverän mit einer übergreifenden Kommunikationsstrategie, der auf Vernetzung setzt, aber auch der Skeptiker/Kritiker, der Twitter ablehnend gegenübersteht. „Interessanterweise findet sich jüngst nicht nur ein Ausbau an immer neuen Kanälen, sondern häufig auch ein Rückbau. Gerade Politiker*innen in ihrer letzten Legislaturperiode reduzieren den Gebrauch sozialer Medien aus strategischen Gründen“, erläutert Michel.
Auch mit politischen Journalist*innen wurden im Rahmen der Studie Tiefeninterviews im angegebenen Zeitraum geführt. Anders als bei Politiker*innen spielt Instagram hier kaum eine Rolle, man setzt vorwiegend auf Twitter, um zu recherchieren, die eigenen Artikel zu verbreiten oder Stellungnahmen einzuholen. Vor allem in den jüngeren Interviews steht jedoch auch das Selbstverständnis der Journalist*innen im Zentrum, über Twitter politisch Stellung zu beziehen: „Zur digitalen Identitätsbildung von Journalist*innen gehört es, sich zu bestimmten Themen politisch zu positionieren, um so eine Diskursmacht zu etablieren – mitunter entgegen den jeweiligen redaktionellen Leit- und Richtlinien des Medium, dem man angehört“, resümiert Michel.
Dr. Sascha Michel
Universität Koblenz
Institut für Kulturwissenschaft
Seminar Medienwissenschaft
Universitätsstraße 1
56070 Koblenz
E-Mail: michel@uni-koblenz.de
Michel, Sascha (2022): Mediatisierungslinguistik. Theorie und Fallanalysen zur Kommunikation von Politiker*innen am Beispiel von Twitter. Berlin u. a.: Lang (= Wissen – Kompetenz – Text 17)
Überraschende neue Erkenntnisse zur Nutzung von Social Media hat eine Studie der Universität Koblenz ...
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Criteria of this press release:
Journalists
Media and communication sciences, Politics
transregional, national
Research results
German
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