idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
01/27/2023 11:56

Das zelluläre Postleitzahlsystem entschlüsseln

Christina Anders Kommunikation
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Forschende vermuten, dass es zu neurodegenerativen Erkrankungen kommt, wenn sich Boten-RNA (mRNA) in der Nervenzelle verirrt. Mit einer neuen Methode identifiziert Marina Chekulaeva „Postleitzahlen“, die mRNAs ihrem Bestimmungsort zuordnen. Ihr Vorgehen stellt sie nun im Fachblatt „Nature Neuroscience“ vor.

    Bei neurodegenerativen Erkrankungen führt der Untergang von Nervenzellen zu vielfältigen Ausfällen. So sorgt bei Morbus Alzheimer ein Massensterben von Nervenzellen im Gehirn dafür, dass kognitive Fähigkeiten verloren gehen. Bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) gehen motorische Nervenzellen zugrunde, so dass Befehle aus dem Gehirn nicht mehr bei den Muskelzellen im Körper ankommen. Eine fortschreitende Lähmung ist die Folge.

    „Viele dieser Erkrankungen beginnen damit, dass Nervenzell-Verzweigungen verloren gehen“, sagt Dr. Marina Chekulaeva, Leiterin einer unabhängigen Arbeitsgruppe am Berlin Institute for Medical Systems Biology (MDC-BIMSB) des Max Delbrück Centers. Chekulaeva geht davon aus, dass fehlgeleitete Boten-RNA-Moleküle (mRNA) für diesen Verlust verantwortlich sind. Die mRNAs enthalten die Bauanleitung für wichtige Eiweißmoleküle, die auch für die Interaktion von Nervenzellen wichtig sind. Kommen sie nicht an ihrem eigentlichen Bestimmungsort an, fehlt den Nervenzellen eine wichtige Funktion. Kontakte zwischen Neuronen kommen abhanden, Nervenbahnen sind unterbrochen und die Zellen selbst sterben ab. Ein funktionierendes Postsystem für mRNAs ist demnach eine Grundvoraussetzung dafür, dass Nervenzellen ihre wichtige Arbeit verrichten können.

    „Wir wissen, dass es in Zellen Hunderte bis Tausende von lokalisierten mRNA-Molekülen gibt“, sagt Chekulaeva. „Also können wir davon ausgehen, dass auch Mechanismen existieren, die die mRNAs an ihren Bestimmungsort bringen.“ Noch weiß niemand genau, wie dieses zelluläre Postsystem im Detail funktioniert. Doch es gibt Hinweise: Bereits in den 1990er Jahren haben US-amerikanische Forschende bei einem einzelnen mRNA-Molekül entdeckt, dass es über eine Art Postleitzahl verfügt – eine Sequenz am „hinteren“ Ende der mRNA. Mit ihrer Hilfe ordnen die Transportsysteme, die Postboten der Zelle, die mRNAs ihrem Bestimmungsort zu. In der Fachzeitschrift „Nature Neuoscience“ hat Chekulaeva Team nun ein Verfahren vorgestellt, das die Postleitzahlen von weiteren mRNAs identifizieren kann.

    Kartierung von tausenden mRNA-Sequenzen

    Das Team um Chekulaeva hat den Aufenthaltsort der mRNAs in der Zelle bestimmt und mit Hilfe von einem eigens entwickelten Verfahren jene Sequenzen ermittelt, die für den Transport dorthin relevant sind. „Das Besondere an unserem Verfahren ist, dass wir auf diese Weise tausende von RNA-Sequenzen gleichzeitig untersuchen können“, sagt Samantha Mendonsa, eine der Erstautor*innen der Studie. „So können wir für verschiedene lokalisierte mRNAs die Postleitzahl identifizieren, die sie ihrem Bestimmungsort zuordnet.“

    Die Forschenden am Max Delbrück Center können damit nicht nur vielfältige, bislang unbekannte Postleitzahlen ausfindig machen. Sie haben auch ein Werkzeug kreiert, mit dem sich das Postsystem in verschiedenen anderen polarisierten Zelltypen detailliert untersuchen lässt. „Die Postleitzahlen helfen uns, das gesamte Postsystem zu entschlüsseln – mit all seinen Transportmolekülen und Empfängern, die dafür notwendig sind, dass lokalisierte mRNAs an ihren Bestimmungsort gelangen“, sagt Chekulaeva.

    Das wiederum kann Aufschluss darüber geben, was beispielsweise im Postsystem von ALS-Patienten schief läuft, wenn es zum Verlust von Nervenzell-Verzweigungen und später ganzer motorischer Nervenzellen kommt. So hoffen die Forschenden künftig einen Beitrag zum besseren Verständnis dieser neurodegenerativen Erkrankung zu leisten und sogar den Weg für neue Therapieansätze zu ebnen.


    Contact for scientific information:

    Dr. Marina Chekulaeva
    Heisenberg-Position am Max Delbrück Center
    marina.chekulaeva@mdc-berlin.de


    Original publication:

    Mendonsa S et al.: “Massively parallel identification of mRNA localization elements in primary cortical neurons”, in Nat Neurosci. Doi: 10.1038/s41593-022-01243-x.


    More information:

    https://www.mdc-berlin.de/de/news/news/das-zellulaere-postleitzahlsystem-entschl... Artikel auf mdc-berlin.de
    https://www.mdc-berlin.de/de/news/news/die-logistik-der-boten-rna-den-nervenzell... Die Logistik der Boten-RNA
    https://www.mdc-berlin.de/de/news/news/rna-biologin-im-heisenberg-programm RNA-Biologin im Heisenberg-Programm
    https://www.mdc-berlin.de/chekulaeva AG Chekulaeva
    https://www.chekulaevalab.org/ Chekulaevas externe Lab-Webseite


    Images

    Primary cortical neuron
    Primary cortical neuron

    Samantha Mendonsa, MDC


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Primary cortical neuron


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).