In der Zelle werden vielen Proteinen zusätzliche Schwefelatome angeheftet. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum haben nun erstmals das für die Übertragung des Schwefels verantwortliche Enzym gefunden. Außerdem haben sie Hinweise auf die Funktion der bislang rätselhaften Schwefelanheftung: Sie kann Proteine vor oxidativen Schäden schützen. Besonders stoffwechselaktive Tumorzellen, die oft freien Radikalen ausgesetzt sind, könnten durch die Schwefelanheftung möglicherweise dem Zelltod entgehen.
Die meisten Proteine in der Zelle werden nach ihrem Zusammenbau durch chemische Markierungen in ihrer Funktion reguliert. Die chemischen Gruppen werden dabei nur vorübergehend an ein Protein angehängt. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Protein-Phosphorylierung: Bestimmte Enzyme (Kinasen) übertragen Phosphatgruppen auf Zielproteine, während andere Enzyme (Phosphatasen) sie wieder entfernen. Der Grad der Phosphorylierung bestimmt über die Aktivität des Proteins.
Eine weitere sehr verbreitete Markierung, die sogenannte Protein-Persulfidierung, wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt. Hierbei trägt die Aminosäure Cystein, ein Bestandteil fast aller Proteine, ein zusätzliches Schwefelatom. Die resultierende Persulfid-Gruppe (-S-S-H) geht normalerweise verloren, wenn man Proteine aus einer Zelle isoliert, um sie zu untersuchen. Nur mit besonderen Vorkehrungen lassen sich Persulfid-Gruppen konservieren und nachweisen. Deshalb ist diese Art der Modifikation trotz ihrer Häufigkeit lange Zeit nicht aufgefallen.
Warum Proteine persulfidiert werden, ist rätselhaft und interessiert immer mehr Wissenschaftler. Denn die Protein-Persulfidierung nimmt unter Stressbedingungen zu. Und die Fähigkeit einer Zelle Proteine zu persulfidieren, scheint mit zunehmendem Alter schwächer zu werden. Ungelöst ist aber auch die grundlegende Frage, durch welches Enzym Proteine überhaupt persulfidiert werden.
Forscher um Tobias Dick am Deutschen Krebsforschungszentrum identifizierten nun in menschlichen Zellen erstmals ein Enzym, dass die Persulfidierung von Proteinen verursacht. Es handelt sich um ein Enzym des Schwefel-Stoffwechsels namens Mercaptopyruvat-Schwefeltransferase (MPST), das man bisher mit anderen Funktionen in Verbindung brachte. Brandan Pedre und Deepti Talwar vom DKFZ, gemeinsame Erstautoren der aktuellen Publikation, entdeckten, dass MPST höchst effizient Schwefelatome auf andere Proteine überträgt. Als sie das Enzym in menschlichen Zellen ausschalteten, verschwand die Persulfidierung auf Dutzenden von Proteinen, interessanterweise vor allem auf solchen, die dem Schutz der Zelle dienen.
Was ist die Funktion der Protein-Persulfidierung? Ergebnisse der DKFZ Forscher aus dem letzten Jahr geben bereits einen Hinweis. Denn Persulfide existieren auch in Form kleiner Moleküle, die sich von der freien Aminosäure Cystein ableiten. Wie die Arbeitsgruppe um Tobias Dick bereits zeigen konnte, sind diese kleinen Persulfide ausgezeichnete Radikalfänger. Sie wirken an der Zellmembran und schützen diese vor oxidativen Schäden. Die Forscher vermuten nun, dass Proteine mit Persulfid-Gruppen ausgestattet werden, um auch sie gezielt vor Schäden zu schützen. Auch könnte die Persulfidierung, ähnlich wie bei der Phosphorylierung, eine zusätzliche Aktivierung schützender Proteine bewirken. Diese Möglichkeiten werden nun weiter untersucht.
Auch für die Krebsforschung ist die Protein-Persulfidierung von Interesse. Die besonders stoffwechselaktiven Tumorzellen sind oft freien Radikalen ausgesetzt. Um zu überleben, müssen sie die Ferroptose verhindern, einen durch Radikale ausgelösten Zelltod. Die Protein-Persulfidierung könnte das Überleben von Tumorzellen fördern und wäre somit auch ein möglicher Angriffspunkt für zukünftige Medikamente.
Pedre B, Talwar D, Barayeu U, Schilling D, Luzarowski M, Sokolowski M, Glatt S, Dick TP : 3-Mercaptopyruvate sulfur transferase is a protein persulfidase
Nature Chemical Biology 2023, DOI: 10.1038/s41589-022-01244-8
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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Pedre B, Talwar D, Barayeu U, Schilling D, Luzarowski M, Sokolowski M, Glatt S, Dick TP : 3-Mercaptopyruvate sulfur transferase is a protein persulfidase
Nature Chemical Biology 2023, DOI: 10.1038/s41589-022-01244-8
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Research results, Scientific Publications
German
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