Ein verwitterter Grabstein eines Bremer Kaufmanns aus dem Jahr 1573 – warum liegt er in einer abgelegenen Bucht auf den Shetlandinseln? Bereits im 16. Jahrhundert gab es rege Handelsbeziehungen zwischen Hamburg, Bremen, Shetland und Orkney – doch historische Briefe dokumentieren nicht nur den Handel mit Gütern wie Salz, Fisch und Butter – sie zeichnen auch das plastische Bild einer rauen Zeit, in der Gewalt und Seeraub zum Alltag gehörten. Die Sonderausstellung „IMMER WEITER – Die Hanse im Nordatlantik“ lädt ab 24. März im Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte zur archäologischen Spurensuche ein.
Seetauglichkeit reichte als Eigenschaft für Hansekaufleute im 16. Jahrhundert nicht aus, um auf den Shetland- und Orkneyinseln Handelsgüter erfolgreich unters Volk zu bringen. Dokumente, die in der Ausstellung „IMMER WEITER – Die Hanse im Nordatlantik“ zu sehen sind, zeigen, dass die Kaufleute eine ordentliche Portion Abenteuerlust, Entschlossenheit und Mut brauchten. Politische Unruhen, Kaperei und Schiffbruch waren ständige Gefahren. Briefe aus dem Staatsarchiv Bremen rollen beispielsweise lebhaft das Schicksal der Bremer Brüder Cord und Gerd Hemeling auf. Cord starb an Bord eines Handelsschiffes nach einer Auseinandersetzung mit dem Schiffszimmermann. Sein Bruder Gerd sah sich 1566 gezwungen, James Hepburn, Earl of Bothwell und Herzog von Orkney - bekannter als der letzte Ehemann der schottischen Königin Maria Stuart - ein Schiff zu überlassen. Hepburn war nach einer verlorenen Schlacht in Schottland auf der Flucht. Gerd Hemeling ersuchte später durch diverse Schreiben um eine Entschädigung, die ihm jedoch nicht gewährt wurde.
Der Bremer Kaufmann Segebad Detken hatte mehr Glück und baute 1573 eine störungsfreie Handelsbeziehung nach Shetland auf, wie die Inschrift seines Grabsteins belegt. Demnach war er 52 Jahre als Händler auf den Inseln aktiv – und fand dort auch seine letzte Ruhestätte.
Dr. Bart Holterman, Kurator der Ausstellung, hat viele Quellen gesichtet und die spannendsten Dokumente für die Schau ausgesucht. „Die historischen Briefe zeichnen ein genaues Bild von den damaligen Händlern. Nach näherer Beschäftigung habe ich fast den Eindruck, die Personen zu kennen.“ Holterman arbeitet wie sein Kuratorenkollege Dr. Philipp Grassel in dem Projekt „Looking in from the Edge“ (LIFTE). Forschende aus Großbritannien und Deutschland untersuchen dafür, wie die Orkney- und Shetlandinseln im frühneuzeitlichen Europa in einen größeren Wirtschaftsraum integriert wurden.
IMMER WEITER zeigt als Erweiterung der Dauerausstellung in der Kogge-Halle nun eine neue Perspektive der Menschen, die bereits seit dem 15. Jahrhundert Handel auf den Inseln nördlich von Schottland trieben. „Wir machen die Forschung sichtbar und ergänzen damit die aktuelle Dauerausstellung zur Hansegeschichte“, so Holterman. Er und Philipp Grassel besuchten Grabungen auf Orkney und Shetland, knüpften Kontakte zu dortigen Forschenden und liehen verschiedene Funde aus dem Shetland Museum and Archives und der Hanseatic Booth auf Whalsay für die Ausstellung in Bremerhaven aus.
Der Arbeitsalltag der Forschenden soll in der Schau deutlich werden. Die Drohnenaufnahme eines Gehöfts in Orkney, das etwa tausend Jahre lang durchgängig bewirtschaftet wurde, funktioniert als Grabungsstätte. Besuchende sind eingeladen, dort auf archäologische Spurensuche zu gehen und Zeugnisse aus verschiedenen Epochen zu finden. Die Kuratoren hoffen, auf diese Weise das Gefühl für das Puzzeln mit Fragmenten der Vergangenheit zu erzeugen.
Filme zeigen die Methoden der Archäologie und ein Modell demonstriert, mit welchen Schiffen sich die Kaufleute im 16. und 17. Jahrhundert in der Nordsee bewegten. Fest steht: Koggen waren zu diesem Zeitpunkt bereits durch modernere Segelschiffe abgelöst worden.
Zu sehen ist ebenfalls eines der ältesten Bücher der DSM-Bibliothek aus dem Jahr 1620. Darin befindet sich eine Seekarte der Shetlandinseln mit einem spannenden Detail. Eine Stelle ist als „Bremer oder Hamburger Haven“ kartiert. „Merkwürdigerweise wissen wir nur wenig über diese Bucht und ihre Verbindung mit den Hansekaufleuten von einst. Aber das ist gelebter Alltag in der Forschung, es gibt immer neue unbeantwortete Fragen“, sagt Holterman.
„IMMER WEITER – Die Hanse im Nordatlantik“ vom 24. März bis 2024 in der Kogge-Halle.
Kuratorenführung mit Bart Holterman, 18. Juni, 15 Uhr, Kogge-Halle, Teilnahme im Museumseintritt inbegriffen, 6 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Dr. Bart Holterman
Holterman@dsm.museum
Alte Seekarte der Shetlandinseln, auf der die Bucht "Bremer oder Hamburger Haven" eingezeichnet ist.
Bart Holterman
DSM / Bart Holterman
Criteria of this press release:
Journalists
Cultural sciences, History / archaeology, Oceanology / climate
transregional, national
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German
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