idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
06/09/2023 09:25

Auf der Suche nach der gläsernen Ordnung

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Forscher der Professur Simulation naturwissenschaftlicher Prozesse der TU Chemnitz beleuchten die geometrischen Grundlagen des Phasenübergangs in ungeordneten Magneten

    Magnetische Systeme sind aus dem Alltag und vielen technischen Anwendungsfeldern – etwa in Elektromotoren, Lautsprechern, Festplatten oder auch MRTs – nicht mehr wegzudenken. Die bekannte Anziehungskraft ist ein Resultat der gleichförmigen, geordneten magnetischen Ausrichtung der enthaltenen Atome, die letztlich zu diesem spürbaren Effekt führt. Solche Ordnungen sind jedoch nur unterhalb einer materialspezifischen Übergangstemperatur vorhanden, ähnlich wie flüssiges Wasser erst bei einer Temperatur unter null Grad zu Wasserkristallen gefriert. Wie aber läuft dieser Ordnungsprozess ab? Im aktuellen Fachblatt „Physical Review E“ bringen Prof. Dr. Martin Weigel, Inhaber der Professur Simulation naturwissenschaftlicher Prozesse an der Technischen Universität Chemnitz, und sein Doktorand Lambert Münster nun Licht ins Dunkel, indem sie das Verhalten für frustrierte Magnete mit Verunreinigungen, sog. Spingläser, erklären.

    Der Artikel wurde von der Zeitschrift für seine besondere Bedeutung für das Verständnis der Physik der Spingläser gewürdigt und mit der Empfehlung der Herausgeber („Editors’ Suggestion“) ausgezeichnet.

    Wie breitet sich Ordnung in einem verunreinigten Magneten aus? Indem ein dünnes Netzwerk von zusammenhängenden magnetischen Momenten das gesamte Gitter überspannt. Ein Magnet besteht aus magnetischen Atomen, gewissermaßen winzigen Elementarmagneten, die in einem Kristallgitter angeordnet sind. In einfachen magnetischen Systemen ohne Verunreinigungen, wie dem Kühlschrankmagneten, ist schon lange bekannt, dass das Einsetzen von langreichweitiger Ordnung beim Phasenübergang, also die regelmäßige Ausrichtung der magnetischen Momente beim Herunterkühlen des Systems, mit einem Perkolationsphänomen zusammenhängt. Sobald das Netzwerk von gleich ausgerichteten winzigen Magneten zum ersten Mal das gesamte Gitter durchdringt, ist der geordnete Zustand erreicht.

    Wie die Chemnitzer Forscher berichten, zeigt sich für Spingläser ein anderes Verhalten: Hier bilden sich zunächst zwei etwa gleichgroße solche Netzwerke, die parallel existieren und das Gitter überspannen. Dieser Prozess reicht aber noch nicht aus, um die Spinglasordnung zu erzeugen. Erst bei niedrigeren Temperaturen beginnt eines der beiden Netzwerke zu wachsen und das andere zu schrumpfen. Den Prozess kann man sich wie beim Verschmelzen von Seifenblasen vorstellen, bei denen sich die großen Blasen die kleinen gewissermaßen „einverleiben“. Diese Dichteungleichheit markiert dann das Einsetzen der Spinglasordnung.

    Durch ausgedehnte Computersimulationen untersuchten die beiden Chemnitzer Forscher das Verhalten einer ganzen Reihe möglicher Netzwerkdefinitionen beim Herunterkühlen eines Spinglassystems in einer dünnen Schicht. Dabei rücken die Temperaturen, an denen die Netzwerke das System zuerst überspannen („perkolieren“) mit zunehmender Systemgröße immer weiter nach unten – ein Anzeichen für das Eintreten in die Spinglasphase, die für dieses System erst bei verschwindender Temperatur auftritt.

    In geplanten Folgestudien wollen Prof. Weigel und sein Team analoge Untersuchungen an Systemen in drei Dimensionen durchführen und die Nutzbarkeit der Erkenntnisse für die Konstruktion besonders effizienter Algorithmen für die Simulation von Spingläsern eruieren. Die Bedeutung dieser Arbeit ergibt sich auch aus der Vielzahl von Anwendungen von Spinglasmodellen, die von magnetischen Systemen über Modelle sozialer Interaktion bis zur Theorie neuronaler Netze in Anwendungen der künstlichen Intelligenz reichen.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Martin Weigel, Telefon +49 (0) 371 531-34570, E-Mail martin.weigel@physik.tu-chemnitz.de


    Original publication:

    L. Münster and M. Weigel, Cluster percolation in the two-dimensional Ising spin glass, Phys. Rev. E, 107, 054103 (2023), DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevE.107.054103


    Images

    Lambert Münster (l.) und Prof. Dr. Martin Weigel von der Professur Simulation naturwissenschaftlicher Prozesse der TU Chemnitz betrachten am Bildschirm Kurvenverläufe, welche die Überlappung von Netzwerken in Spingläsern beschreiben. Foto: Jacob Müller
    Lambert Münster (l.) und Prof. Dr. Martin Weigel von der Professur Simulation naturwissenschaftliche ...
    Foto: Jacob Müller

    Die Grafik zeigt Netzwerke in einem Spinglassystem, von denen zwei das System überspannen und unterschiedlich groß sind. Die roten Bindungen gehören zum größten Netzwerk und die grünen Bindungen zum zweitgrößten Netzwerk.
    Die Grafik zeigt Netzwerke in einem Spinglassystem, von denen zwei das System überspannen und unters ...

    Professur Simulation naturwissenschaftlicher Prozesse


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students
    Chemistry, Electrical engineering, Materials sciences, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Lambert Münster (l.) und Prof. Dr. Martin Weigel von der Professur Simulation naturwissenschaftlicher Prozesse der TU Chemnitz betrachten am Bildschirm Kurvenverläufe, welche die Überlappung von Netzwerken in Spingläsern beschreiben. Foto: Jacob Müller


    For download

    x

    Die Grafik zeigt Netzwerke in einem Spinglassystem, von denen zwei das System überspannen und unterschiedlich groß sind. Die roten Bindungen gehören zum größten Netzwerk und die grünen Bindungen zum zweitgrößten Netzwerk.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).