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06/14/2004 12:08

Rückführung von 125 Bd. der "Nouveaux Mémoires de l'Académie Royale des sciences et belles lettres"

Renate Nickel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

    "Habent sua fata libelli" oder die Heimkehr der Bücher in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

    Das bekannte Wort des römischen Schriftstellers Terenz, daß Bücher ihr eigenes Schicksal haben, könnte das Motto abgeben für die Geschichte und Geschichten der Bücher - aber auch der Archivalien und Forschungsprojekte - der ehemaligen "Preußischen Akademie der Wissenschaften" (PAW). Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs sind ausgelagerte Bibliotheks- und Archivbestände der PAW nicht wieder an die "Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften" (BBAW) gelangt oder nach 1945 mit entsprechenden Forschungsprojekten in den Westen verlagert worden, von wo sie teilweise bis heute noch nicht wieder an die BBAW zurückgekehrt sind. Mit diesen "Schicksalen" ist die BBAW als Nachfolgeorganisation der PAW heute konfrontiert. Mit den Büchern verbinden sich Schicksale von Wissenschaft, Forschung und Wissenschaftlern in den verschiedenen politischen Systemen in Deutschland, - vom Nationalsozialismus über die Teilung in das sozialistische und demokratische Deutschland bis zur neuen Einheit unter dem Grundgesetz. Um die verschlungenen Wege der fehlenden Bücher, Archivalien und Projektunterlagen ausfindig zu machen, waren umfangreiche Recherchen notwendig, die Wissenschaftsgeschichte und politische Geschichte zugleich repräsentieren. Eine Fehlbilanz an Büchern der BBAW zeigte das sehr instruktive Buch von Dr. Joachim Rex über die "Geschichte der Berliner Akademiebibliothek" (2002), die den Präsidenten der BBAW - Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Simon - veranlaßte, den Fehlbeständen nachzugehen. Mit den Recherchen wurde Dr. jur. Heinz Mohnhaupt vom "Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte" beauftragt.
    Im Mittelpunkt der Recherchen über die Bücherschicksale steht Prof. Dr. Helmuth Scheel, seit 1939 Professor für Orientalistik und zugleich Direktor der PAW. In dieser Eigenschaft leitete er die kriegsbedingte Auslagerung der reichen Buchbestände und teilweise auch deren Rückführung. Im November 1946 war Scheel als Mitglied der NSDAP entlassen worden und ging im Groll in den Westen, wo er am 9.7.1949 maßgeblich an der Gründung der "Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur" beteiligt war und bis zu seinem Tode im Jahr 1967 deren Generalsekretär blieb. Die Mainzer Akademie bot Scheel die Plattform, die von ihm aus Ostberlin abgezogenen Projekte der ehemaligen PAW weiter zu leiten, an andere Universitäts-Institute zu verlagern, an gleichfalls in den Westen gewechselte Kollegen der PAW zu übertragen und so das Bild vom Fortbestand der alten PAW zu verbreiten. In Ostberlin wurde die Mainzer Akademie als "Emigranten-Akademie" bezeichnet. Scheel empfand sich als Sachwalter der PAW, betrachtete seine Entlassung als rechtswidrig und leitete daraus für sich die Legitimation ab, weiterhin "Direktor der PAW" zu sein und als solcher handeln zu können. Er hatte offensichtlich keine Skrupel, Dienstsiegel und Briefpapier der PAW zu benutzen und damit seinen Amtsanspruch zu stützen. Es gelang ihm, zwei Lastwagen mit Büchern aus Ostberlin nach Mainz zu schaffen, offensichtlich auch die Rückkehr von Büchern aus den kriegsbedingten Auslagerungsstätten in den Westen umzuleiten. Diese Bestände bildeten und bilden den Gegenstand der umfangreichen Recherchen. Diese ergeben heute folgenden Befund:
    I. Buchbestände:
    1.) Über 250 Titel, die die Turfanforschung der PAW betreffen, befinden sich heute in der Seminarbibliothek für Iranistik der Universität Hamburg. Die Rückführung an die BBAW ist inzwischen zugesichert und dank der kooperativen Haltung der dortigen Verantwortlichen sehr bald zu erwarten.
    2.) Über 500 Bände befinden sich heute in der Universitätsbibliothek Mainz, die dort als "Geschenke" aus dem Jahr 1946 akzessioniert sind. Sehr wahrscheinlich befinden sich weitere Bücher in der Spezialbibliothek des Seminars für Orientkunde und des "Instituts für Sprachwissenschaft". Zusagen für eine "ergebnisorientierte Diskussion" liegen vor, jedoch noch keine Ergebnisse. Bemühungen um Klärung und Rückführung reichen bis in das Jahr 1995 zurück.
    3.) Den im Moment erfreulichsten und glücklichsten Rückgewinnungsfall bildet der in der "Akademie der Wissenschaften und der Literatur" in Mainz vorhandene Bestand von ca. 125 Bänden des "Nouveaux Mémoires de lŽAcadémie Royale des Sciences et Belles Lettres". Die Rückgabe konnte dank der äußerst hilfreichen Haltung des Generalsekretärs der Mainzer Akademie - Herrn Dr. Wulf Thommel - problemlos arrangiert werden. Die "Heimkehr" dieser verloren geglaubten Bücher der alten PAW boten den Anlaß für das heutige "Pressefrühstück". Auch ein Stempel der PAW, den Scheel einfach aus Berlin mitgenommen hatte, sowie Akten Scheels aus seiner Amtszeit in Berlin, sind von der Mainzer Akademie wieder an die BBAW zurückerstattet worden.

    II. Projekte der PAW:
    Die Ermittlung von Unterlagen und Arbeitsmaterialien zu den von Scheel in den Westen verlagerten Einzelprojekten gestaltet sich wesentlich schwieriger. Verfolgt werden zur Zeit:
    1) "Vocabularium Iurisprudentiae Romanae" (VIR)
    Das Projekt geht auf Theodor Mommsen zurück und betrifft einen Index zur römischen Rechtssprache. Scheel hatte Projektunterlagen nach Mainz bzw. nach Marburg verbringen können, wo Prof. Fritz Schwarz (ehemals PAW) die Arbeiten fortführte. Nach dessen Tod gelangetn die Unterlagen nach Linz in Österreich, wo Frau Prof. Dr. Meinhart das Projekt glücklich abschließen konnte. Zur Zeit läuft die Suche nach fehlenden Projektunterlagen beim Institut für römisches Recht an der Universität Linz. Ergebnisse liegen noch nicht vor.
    2) "Geschichte des Fixsternhimmels"
    Das Projekt hatte das Ziel, einen Index für sämtliche vorliegenden Sternverzeichnisse von 1750 bis 1900 aufzustellen. Das umfangreiche Vorhaben hatte Scheel an Prof. Johannes Haas (ehemals PAW) übertragen, der an der Sternwarte der Universität Bonn diese Arbeiten fortführte. Eine erste Anfrage wurde an den jetzigen Direktor der Bonner Sternwarte gerichtet.
    3) Für das Aufspüren weiterer Unterlagen zweier Einzelprojekte (Leibniz; Wörterbücher) der ehemaligen PAW müssen noch besondere Recherchen angestellt werden.
    Die Aufklärungsarbeit im vereinigten Deutschland läßt manchmal auch psychologische Probleme erkennen, die aus dem verständlichen Spannungsverhältnis zwischen Rückgabewünschen und Besitzstandswahrung innerhalb der glücklich vereinigten Bibliotheks- und Forschungslandschaft resultieren.

    Weitere Informationen: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften,Presse-und Öffentlichkeitsarbeit, Gisela Lerch, Tel: 030/20370 657, Fax: 030/20370 366, email: glerch@bbaw.de


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Science policy
    German


     

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