LMU-Forschende zeigen, dass Schwämme auf Veränderungen ihres Mikrobioms mit weitreichenden Modifikationen der Genregulation reagieren.
Seit einigen Jahren wird immer deutlicher, dass das Mikrobiom – die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die ein Lebewesen besiedeln – mit seinem Wirt auf verschiedene Weise interagiert und zentrale Lebensprozesse beeinflussen kann. Auch Schwämme, die zu den ältesten mehrzelligen Lebewesen der Erde gehören, beherbergen vielfältige mikrobielle Gemeinschaften. LMU-Wissenschaftler um PD Dr. Sergio Vargas und Professor Gert Wörheide vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften und dem GeoBio-Center der LMU haben nun im Modellorganismus Lendenfeldia chondrodes molekulare Mechanismen aufgedeckt, mit denen die Schwämme aktiv auf Veränderungen ihres Mikrobioms reagieren. Nach Ansicht der Forschenden deuten ihre Ergebnisse darauf hin, dass die evolutionären Ursprünge der Interaktion von Mikrobiom und Wirt stammesgeschichtlich weit zurückreichen.
Schwämme sind sehr einfach gebaute Tiere, die sich im Lauf der Evolution bereits vor mehr als 600 Millionen Jahren vom gemeinsamen Stammbaum der Tiere abspalteten. Sie besitzen Proteine, die wahrscheinlich an der Regulierung der Interaktion zwischen Schwamm und Mikrobiom beteiligt sind und können ihre Morphologie als Reaktion auf Veränderungen ihres Mikrobioms modifizieren. „Dies legt nahe, dass sich die Fähigkeit der Tiere, mit dem Mikrobiom zu interagieren, früh entwickelt hat“, sagt Vargas. „Die molekularen Mechanismen, die dahinterstehen, wurden bisher jedoch nur unzureichend untersucht.“ Anhand des häufig in Aquarien gehaltenen Schwamms Lendenfeldia chondrodes haben die Forschenden nun untersucht, ob und auf welche Weise Veränderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms die Genaktivität des Schwamms beeinflussen.
Defektes Mikrobiom verursacht Veränderungen im Schwamm
Lendenfeldia chondrodes gehört zu einer Reihe von Schwammarten, deren Mikrobiom von photosynthetischen Cyanobakterien dominiert wird. Die Schwämme gewinnen Nahrung, indem sie Kleinstlebewesen aus dem Wasser filtern, werden aber auch von ihren Symbionten mit Kohlenstoffverbindungen versorgt. Auf den Verlust der Cyanobakterien – etwa durch Verschattung – reagieren sie mit signifikanten Veränderungen ihrer Morphologie: Die ursprünglich blauen Schwämme mit einer blattartigen Wuchsform verwandelten sich in weiße, fadenförmige Gebilde mit deutlich anderer Mikroanatomie.
Mithilfe transkriptomischer Methoden konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum ersten Mal nachweisen, dass diese Veränderungen mit weitreichenden Modifikationen der Genregulation einhergehen. „Wir haben veränderte Aktivitäten von Genen beobachtet, die an der Immunantwort und der Entwicklung beteiligt sind“, sagt Vargas, „das deutet darauf hin, dass Schwämme Veränderungen in ihrem Mikrobiom wahrnehmen und aktiv über Entwicklungsprozesse darauf reagieren können.“ Die Forschenden vermuten, dass beschattete Schwämme mit der Modifikation ihres Stoffwechsels kompensieren, dass sie weniger Kohlenstoffverbindungen von ihren Symbionten erhalten. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des Mikrobioms für die Ernährung und Entwicklung von Tieren im Allgemeinen und weisen auf eine uralte gemeinsame Evolutionsgeschichte von Tieren und ihren bakteriellen Partnern hin“, sagt Vargas.
PD Dr. Sergio Vargas
Dept. of Earth and Environmental Sciences, Palaeontology & Geobiology
LMU München
tel. +49 (0) 89 2180 6706
s.vargas@lrz.uni-muenchen.de
sergio.vargas@lmu.de
https://www.palaeontologie.geowissenschaften.uni-muenchen.de/personen/wissenscha...
Sergio Vargas, Laura Leiva, Michael Eitel, Franziska Curdt, Sven Rohde, Christopher Arnold, Michael Nickel, Peter Schupp, William D. Orsi, Maja Adamska, Gert Wörheide: Body-plan reorganization in a sponge correlates with microbiome change. Molecular Biology and Evolution, 2023.
https://www.lmu.de/de/newsroom/newsuebersicht/news/schwaemme-und-ihr-mikrobiom-s...
Criteria of this press release:
Journalists
Biology
transregional, national
Research results
German
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