Der rheinland-pfälzische Landtag lässt die Auseinandersetzung von einheimischen und migrantischen Familien in Rheinland-Pfalz mit dem Thema Nationalsozialismus durch die Universität Koblenz in Kooperation mit der Hochschule Koblenz und der Touro University Berlin erforschen. Die dritte und vierte Generation nach der Ära des Nationalsozialismus stehen dabei besonders im Fokus. Nun liegen erste Zwischenergebnisse vor.
Zunächst wurde im Rahmen des Forschungsprojekts durch einen Online-Fragebogen ein Stimmungsbild zur Thematik in Rheinland-Pfalz erarbeitet. Hieran nahmen bis Anfang April 446 Rheinland-Pfälzer*innen teil. Bei der Frage nach der Wichtigkeit der Shoah für die eigene Familie und die eigene Zukunft antworteten knapp 60 Prozent der 60 bis 84-Jährigen, dass das Thema wichtig beziehungsweise sehr wichtig sei. Im Vergleich dazu sind es in der Gruppe der 36- bis 59-Jährigen rund 37 Prozent. Die geringste Zustimmung findet man in der Gruppe der 10- bis 35-Jährigen. „Dies lässt darauf schließen, dass es bei den Älteren ein deutlich größeres Bewusstsein über die zukünftige Relevanz der Shoah gibt“, sagte Dr. Inka Engel von der Universität Koblenz.
Auf diesen Ergebnisse aufbauend werden noch bis September 2023 Familien im städtischen und ländlichen Raum zu ihren Familiennarrativen interviewt: „In den bis-herigen Erzählungen gibt die interviewte Kriegsgeneration an, dass sie während des Krieges nichts von den Vernichtungslagern und dem Tötungssystem der Nationalso-zialisten wusste“, so Peter-Erwin Jansen von der Hochschule Koblenz.
"Einige Menschen möchten nichts von der Rolle ihrer Vorfahren im Nationalsozialis-mus wissen und haben offensichtlich einen Schutzwall des Nicht-Wissens gebildet. Ich erachte es jedoch als unsere Verantwortung, Risse in diesen Schutzwall zu bringen und Erzählungen zu hinterfragen", erklärte Landtagspräsident Hendrik Hering. Zugleich gebe es aus den nachkommenden Generationen das Bestreben, die Spuren der Vorfahren wieder aufzunehmen. "Dies ist eine Chance, Erinnerungs- und Gedenkkultur in einer heute heterogenen Gesellschaft begreifbar zu machen und nachvollziehbar zu erhalten", betonte Hendrik Hering. Erinnerungskultur sei eine zentrale Säule für unsere Demokratie, unsere Identität und unser Zusammenleben.
Die Endergebnisse der Studie sollen Anfang des kommenden Jahres zusammen mit dem Landtag präsentiert werden.
Hintergrund für das Forschungsprojekt sind insbesondere Ergebnisse der Studie „MEMO Deutschland - Multidimensionaler Erinnerungsmonitor“ aus dem Jahr 2020 im Auftrag des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Darin verneinen fast 68 Prozent, dass ihre Vorfahren unter den Täter*innen während der NS-Zeit waren. Über 50 Prozent der Befragten vernei-nen, dass Vorfahren von ihnen Mitläufer*innen waren.
Dr. Inka Engel
Universität Koblenz
Universitätsstraße 1
56070 Koblenz
Tel.: 0261 287 1850
E-Mail: transfer@uni-koblenz.de
Criteria of this press release:
Journalists
Social studies
transregional, national
Research results
German
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