idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
08/14/2023 14:58

Neues Glas mit sehr hoher Bruchfestigkeit

Christian Wißler Pressestelle
Universität Bayreuth

    Forscher der Universität Bayreuth haben gemeinsam mit Partnern in China und den USA ein Oxidglas mit bisher unerreichter Bruchfestigkeit hergestellt. Unter hohen Drücken und Temperaturen ist es ihnen gelungen, ein Aluminosilikatglas parakristallisieren zu lassen. Die dadurch entstandenen kristallähnlichen Strukturen bewirken, dass das Glas sehr hohen Belastungen standhält, und bleiben unter normalen Umgebungsbedingungen erhalten. Die Parakristallisation erweist sich damit als vielversprechendes Verfahren zur Herstellung extrem bruchfester Gläser. In "Nature Materials" stellen die Forscher ihre Ergebnisse vor, an denen auch das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg beteiligt war.

    Glas ist in vieler Hinsicht ein attraktiver Werkstoff für moderne Technologien. Allerdings schränkt seine Sprödigkeit, die leicht zu Rissen und Brüchen führt, seine Anwendungsmöglichkeiten ein. Forschungsansätze mit der Absicht, die Bruchfestigkeit von Glas unter Beibehaltung seiner vorteilhaften Eigenschaften stark zu erhöhen, haben bisher größtenteils nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Der in „Nature Materials“ vorgestellte neue Ansatz geht von Oxidgläsern aus, die eine eher ungeordnete innere Struktur aufweisen. Sie zählen zu den am häufigsten kommerziell genutzten Glasmaterialien. Am Beispiel eines Aluminosilikatglases, das Silizium, Aluminium, Bor und Sauerstoff enthält, ist es dem Forscherteam in Deutschland und China gelungen, dem Oxidglas eine neue Struktur zu geben. Dazu nutzten sie Hochdruck- und Hochtemperaturtechnologien am Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth.

    Bei einem Druck zwischen 10 und 15 Gigapascal und einer Temperatur von etwa 1.000 Grad Celsius gruppierten sich die Silizium-, Aluminium-, Bor- und Sauerstoffatome zu kristallähnlichen Strukturen. Diese Strukturen werden als "parakristallin" bezeichnet, weil sie sich deutlich von einer völlig unregelmäßigen Struktur unterscheiden, aber nicht die völlig regelmäßige Struktur von Kristallen haben. Sowohl empirische Analysen mit Hilfe spektroskopischer Techniken als auch theoretische Berechnungen zeigten deutlich diesen Zwischenzustand zwischen Kristallstrukturen und amorpher Unregelmäßigkeit. Selbst nach einem Druck- und Temperaturabfall auf normale Umgebungsbedingungen bleiben die parakristallinen Strukturen im Aluminosilikatglas erhalten. Die Durchdringung des Glases mit diesen Strukturen führt dazu, dass die Bruchfestigkeit des Glases um ein Vielfaches höher ist als vor der Parakristallisation. Sie erreicht nun einen Wert von bis zu 1,99 ± 0,06 MPa (m)¹/². Dies ist eine nie zuvor für Oxidgläser gemessene Bruchfestigkeit. Gleichzeitig wird die Transparenz des Glases durch die parakristallinen Strukturen nicht ernsthaft beeinträchtigt.

    Die außergewöhnliche Festigkeit des Glases erklären die Forscher damit, dass von außen auf das Glas einwirkende Kräfte, die normalerweise zu Brüchen oder inneren Rissen führen würden, sich vor allem gegen die parakristallinen Strukturen richten. Sie lösen Teilbereiche dieser Strukturen auf und überführen sie wieder in einen amorphen, zufälligen Zustand. Auf diese Weise erhält das Glas insgesamt eine größere innere Plastizität, so dass es nicht bricht oder reißt, wenn es von außen sehr starken Kräften ausgesetzt ist.

    "Unsere Entdeckung weist auf eine wirksame Strategie für die Entwicklung hochgradig schadenstoleranter Glasmaterialien hin, die wir in den kommenden Jahren mit unserer Forschung weiter verfolgen wollen", sagt Dr. Hu Tang, Erstautor der neuen Studie. "Die Erhöhung der Bruchfestigkeit durch Parakristallisation zeigt, dass strukturelle Veränderungen auf atomarer Ebene einen erheblichen Einfluss auf die Eigenschaften von Oxidgläsern haben können. Hier liegt ein großes Optimierungspotenzial für den Werkstoff Glas, das noch lange nicht ausgeschöpft ist", ergänzt Prof. Dr. Tomoo Katsura vom Bayerischen Geoinstitut (BGI).


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Tomoo Katsura
    Lehrstuhl für Struktur und Dynamik des Erdmaterials
    Bayerisches Geoinstitut (BGI)
    Universität Bayreuth
    Telefon: +49 (0)921 / 55-3791
    E-Mail: tomo.katsura@uni-bayreuth.de


    Original publication:

    Hu Tang et al.: Toughening oxide glasses through paracrystallization. Nature Materials (2023), DOI: https://doi.org/10.1038/s41563-023-01625-x


    Images

    Dr. Hu Tang, Erstautor der Studie, vor einer Hochdruckpresse im Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth.
    Dr. Hu Tang, Erstautor der Studie, vor einer Hochdruckpresse im Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Un ...
    Foto: UBT / Chr. Wißler.

    Simulierte Struktur von glasartigem (li.) und parakristallinem (re.) Grossular, einem Silikat. Die Atome der Elemente O, Si, Al und Ca (von klein bis groß) sind desto heller eingefärbt, je höher der Grad der Ordnung in der umgebenden Struktur ist.
    Simulierte Struktur von glasartigem (li.) und parakristallinem (re.) Grossular, einem Silikat. Die A ...
    Bild: Hu Tang.


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Chemistry, Materials sciences
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Dr. Hu Tang, Erstautor der Studie, vor einer Hochdruckpresse im Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth.


    For download

    x

    Simulierte Struktur von glasartigem (li.) und parakristallinem (re.) Grossular, einem Silikat. Die Atome der Elemente O, Si, Al und Ca (von klein bis groß) sind desto heller eingefärbt, je höher der Grad der Ordnung in der umgebenden Struktur ist.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).