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09/06/2023 13:26

Princeton-Professorin spricht in Kiel über Pathogenevolution und Bevölkerungsimmunität

Eva Sittig Presse, Kommunikation und Marketing
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    US-Evolutionsbiologin Jessica Metcalf berichtet als eine Hauptrednerin bei der „Evolution by the Sea“-Konferenz der Kieler evolutionsbiologischen Forschungsinitiativen

    Seit Montag, 4. September, findet die Jahrestagung „Evolution by the Sea“ der Kieler Evolutionsforschenden bereits zum dritten Mal an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) statt. Der Leibniz-WissenschaftsCampus Evolutionäre Medizin der Lunge (EvoLUNG) und das DFG-Graduiertenkolleg (GRK) Translationale Evolutionsforschung (TransEvo) richten die Veranstaltung gemeinsam aus. Rund 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den evolutionswissenschaftlichen Forschungsverbünden der CAU und ihren Partnerinstitutionen diskutieren mit internationalen Expertinnen und Experten über aktuelle Entwicklungen in der Evolutionsforschung.

    Den inhaltlichen Rahmen der Veranstaltung bildet erneut der Begriff der Translationalen Evolutionsforschung, der die Übertragung von grundlegenden Erkenntnissen aus der Evolutionsbiologie in verschiedene Anwendungsfelder wie die Medizin, den Artenschutz oder die Landwirtschaft umschreibt. In 20 Vorträgen und verschiedenen Austauschformaten stellen die Teilnehmenden ihre Forschungsarbeiten aus diesem Spektrum dar. Dabei geht es zum Beispiel um die Bedeutung der Koevolution von Krankheitserregern und Wirten für die Bevölkerungsimmunität, evolutionäre Strategien zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen oder neuartige Therapieansätze zur Bekämpfung von Atemwegserkrankungen.

    Eine der Plenarrednerinnen ist Professorin Jessica Metcalf von der US-amerikanischen Princeton University. Die Evolutionsbiologin erforscht die Zusammenhänge von Pathogenevolution und menschlicher Immunität gegenüber verschiedenen Krankheitserregern auf der Bevölkerungsebene. Besonders relevant für die menschliche Gesundheit sind ihre Forschungsarbeiten im Zusammenhang des globalen Wandels, der bei vielen Pathogenen zu einem erhöhten Gefahrenpotenzial führt. Metcalf arbeitet mit ihrem Team daran, die grundlegenden Triebfedern der Immunität während der gemeinsamen Evolution des Menschen mit einer Vielzahl von Krankheitserregern zu erforschen und daraus Strategien für eine Verbesserung der öffentlichen Gesundheit abzuleiten.

    „Jessica Metcalfs Arbeiten sind für die Kieler Evolutionsforschenden eine besondere Inspiration“, betont CAU-Evolutionsbiologe Professor Hinrich Schulenburg, Sprecher des GRK TransEvo und Mit-Organisator der Tagung. „Die bessere Erforschung der Zusammenhänge von Pathogenevolution und Bevölkerungsimmunität ist in Zeiten drastischer Umweltveränderungen von fundamentaler Bedeutung. Metcalf leistet auf diesem Gebiet wertvolle Pionierarbeit“, so Schulenburg weiter. Besonders für die Nachwuchsforschenden in Kiel, die nach dem Konzept der Translationalen Evolutionsforschung im medizinischen Bereich arbeiten, seien ihre Ansätze also von großem Interesse. In Kiel spricht Metcalf zum Thema "Ko-evolvierte Immunität und ein sich verändernder Planet" und stellt ihre neuesten Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet vor.

    Das Prinzip der Evolutionären Rettung

    Bei den in Kiel behandelten evolutionsbiologischen Forschungsfragen steht insbesondere ihre Übertragbarkeit auf verschiedene Anwendungsgebiete im Sinne der Translationalen Evolutionsforschung im Mittelpunkt. Dabei verfolgen die verschiedenen Forschungsverbünde an der CAU und ihren Partnerinstitutionen unterschiedliche evolutionsbiologische Strategien zur Lösung der Herausforderungen des Anthropozäns. Die Gegenwart ist generell durch dramatische, vom Menschen verursachte Umweltveränderungen gekennzeichnet, die zum Beispiel durch intensive Landwirtschaft, Industrialisierung, umfassende medizinische Behandlungen und den aktuellen Klimawandel verursacht werden. Dadurch entsteht ein starker Selektionsdruck auf natürliche Systeme, auf den Lebewesen mit dem Prozess der sogenannten Evolutionären Rettung (Englisch: Evolutionary Rescue) reagieren können: Sie können dem Aussterben entgehen, wenn sie in der Lage sind, sich durch evolutionäre Veränderungen anzupassen.

    Die Evolutionäre Rettung ist eine Herausforderung für sich langsam entwickelnde Lebewesen wie größere Tiere und insbesondere den Menschen. Kurzlebige Arten mit großen Populationen, wie dies bei Mikroorganismen der Fall ist, können hingegen meist schnell auf rasche Veränderungen der Umweltbedingungen reagieren. Die Fähigkeit oder Unfähigkeit zur schnellen Anpassung hat wichtige Konsequenzen: Sie erhöht das Risiko des Aussterbens von Arten und des Verlusts wichtiger biologischer Vielfalt, sie kann zu drastischen Ertragseinbußen in der Landwirtschaft führen und die menschliche Gesundheit durch die rasche Evolution von Resistenzen gegen Medikamente bedrohen. "Unsere Forschungsansätze zielen daher auf ein besseres Verständnis dieser vom Menschen beeinflussten Selektionsprozesse ab. Dadurch hoffen wir, in Zukunft den Herausforderungen der Gegenwart wie der Antibiotikakrise, der Erhaltung natürlicher Ressourcen und der Sicherung der Nahrungsmittelproduktion besser begegnen zu können", betont Professorin Tal Dagan, Vorstandsmitglied im Kiel Evolution Center (KEC), dem Netzwerk der evolutionsbiologischen Forschungsinitiativen in Kiel und Umgebung.

    Nachwuchsförderung und Karriereentwicklung in der Evolutionsforschung

    Besonderes Augenmerk legt das Organisationsteam der „Evolution by the Sea“-Tagung auch in diesem Jahr auf die Nachwuchsforschenden. Dies findet zum Beispiel in einem Programmpunkt Ausdruck, der sich ausdrücklich um die Karrierechancen für Evolutionsforschende im privaten Sektor dreht. Hierfür sind Vertreterinnen und Vertreter aus der Biotech-Branche oder dem Journalismus eingeladen, die über berufliche Perspektiven außerhalb des akademischen Betriebs berichten. Ein Beispiel liefert die Gastrednerin Sylvia Varland, die das Münchner Unternehmen smartbax GmbH repräsentiert, das an der kommerziellen Entwicklung von Antibiotika mit neuartigen Wirkmechanismen arbeitet. Damit will das Organisationsteam auf die besondere Bedeutung des Transfers hinweisen, der zum Beispiel auch im erleichterten Wechsel von Personal zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bestehen kann.

    Zudem bildet die „Evolution by the Sea“-Jahrestagung Anlass, um erfolgreiche junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den beteiligten Forschungsverbünden auszuzeichnen. Es werden zwei mit jeweils mit 5000 Euro dotierte Isabelle-Olivieri-Medaille für herausragende Veröffentlichungen im Bereich der translationalen Evolutionsforschung vergeben. Diese gehen an Hanna Schenk und Kwi Han für ihre Arbeiten zur Bedeutung von ökologischen wie evolutionären Veränderungen aufgrund von Überfischung sowie zum besonderen Wert der Diversität im Mikrobiom. Zudem wird der TransEvo-Innovationspreis als Anschubfinanzierung für ein interdisziplinäres und innovatives Postdoc-Projekt im Bereich der translationalen Evolutionsforschung nach Abschluss der Doktorarbeit verliehen. Die mit jeweils 45.000 Euro ausgestattete Auszeichnung konnten Florian Buchholz und Freya Pappert entgegennehmen, um Forschungsprojekte im Bereich Antibiotikaresistenzevolution und Veränderungen in Geschlechterrollen im Tierreich in Angriff zu nehmen.

    Die intensive Nachwuchsförderung in der Kieler Evolutionsforschung ist auch Ausdruck und Effekt der Bemühungen des KEC, das seit einigen Jahren aktiv an der Bündelung der evolutionswissenschaftlichen Aktivitäten und Forschungsinitiativen in der Kieler Region arbeitet. Seitdem ist es der Landesuniversität und ihren Partnerinstitutionen, unter anderem Beispiel dem Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön, dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und dem Forschungszentrum Borstel, gelungen, mehrere große Forschungskonsortien wie EvoLUNG oder TransEvo einzuwerben. „Diesen erfolgreichen Kurs wollen wir beibehalten und an der CAU und in der Kieler Region interdisziplinäre Spitzenforschung rund um das Thema Evolution in einem deutschlandweit einzigartigen, exzellenten Kompetenzzentrum zusammenführen“, kommentiert KEC-Sprecher Schulenburg die Zukunftsperspektiven für die Evolutionsforschung im Rahmen des CAU-Forschungsschwerpunkts Kiel Life Science (KLS).

    Fotos stehen zum Download bereit:

    https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2023/214-evobysea-group.jpg
    Bildunterschrift: Rund 80 Forschende diskutieren beim „Evolution by the Sea“-Meeting an der CAU über aktuelle Entwicklungen in der Evolutionsforschung.
    © Christian Urban, Uni Kiel

    https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2023/214-evobysea-hs-jm.jpg
    Bildunterschrift: Plenarrednerin Professorin Jessica Metcalf aus Princeton, hier mit Professor Hinrich Schulenburg, erforscht die Zusammenhänge von Pathogenevolution und menschlicher Immunität.
    © Prof. Hinrich Schulenburg

    https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2023/214-evobysea-talk.jpg
    Bildunterschrift: Die Veranstaltung dreht sich um die Translationale Evolutionsforschung, bei der es um die Übertragung von grundlegenden Erkenntnissen aus der Evolutionsbiologie in verschiedene Anwendungsfelder geht.
    © Dr. Sabrina Köhler, Uni Kiel

    https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2023/214-evobysea-awards.jpg
    Bildunterschrift: Ehrungen für den Nachwuchs in der Translationalen Evolutionsforschung: Hanna Schenk (2. v.r.) und Kwi Han (r.) erhalten die Isabelle-Olivieri-Medaille, Florian Buchholz und Freya Pappert (2. v.l.) werden mit dem TransEvo-Innovationspreis ausgezeichnet.
    © Dr. Sabrina Köhler, Uni Kiel

    Weitere Informationen:


    DFG-Graduiertenkolleg “Translational Evolutionary Research” (TransEvo), CAU:
    https://transevo.de

    Leibniz-WissenschaftsCampus Evolutionary Medicine of the Lung (EvoLUNG):
    https://www.leibniz-gemeinschaft.de//forschung/leibniz-wissenschaftscampi/evolut...

    Kiel Evolution Center (KEC), CAU:
    https://www.kec.uni-kiel.de

    Über EvoLUNG:
    Trotz großer Fortschritte in Diagnostik und Behandlung sind Lungenerkrankungen weltweit auf dem Vormarsch und gehören zu den häufigsten Todesursachen. Ziel des Leibniz-WissenschaftsCampus "Evolutionary Medicine of the Lung (EvoLUNG)" ist es, die Entstehung und Entwicklung chronischer Lungenerkrankungen wie Tuberkulose oder Asthma besser zu verstehen. Dazu untersuchen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in interdisziplinären Teams zum einen die Ausbreitung und Herkunft multiresistenter Erreger in der Lunge. Sie erforschen andererseits die Evolution von Genvarianten des Menschen, die Lungenerkrankungen begünstigen, sowie das komplexe Zusammenspiel von Krankheitsgenen, Mikroorganismen, Krankheitserregern und Umweltfaktoren bei der Entstehung von Erkrankungen der Lunge. Langfristig sollen in EvoLUNG bessere Diagnostika entwickelt und Therapien für Erkrankungen wie Asthma, Tuberkulose, zystische Fibrose oder chronische Bronchitis verbessert werden. Ein besonderer Fokus liegt auf der Vermeidung der Resistenzentwicklungen im Verlauf der Tuberkulose oder der zystischen Fibrose sowie auf einem besseren Verständnis der Rolle der körpereigenen Mikrobiota bei der Entstehung von Asthma. EvoLUNG wird von Professor Stefan Niemann vom Forschungszentrum Borstel (FZB) geleitet und umfasst neben dem FZB auch die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und das Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön (MPI-EB).

    Über das GRK TransEvo:
    Das Graduiertenkolleg TransEvo ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Graduiertenkolleg GRK 2501) gefördertes Graduiertenkolleg an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Ziel ist es, die Relevanz evolutionärer Prinzipien für angewandte Probleme zu untersuchen und zu fördern. Unbeabsichtigte Folgen menschlicher Eingriffe resultieren oft aus Handlungen, die die natürliche Auslese beeinflussen, zum Beispiel der Einsatz von Antibiotika oder Krebsmedikamenten in der Medizin, von Pestiziden in der Landwirtschaft oder menschliche Eingriffe in die Ökosysteme der Erde. Überraschenderweise werden evolutionäre Konzepte nur selten genutzt, um unser Verständnis für diese angewandten Herausforderungen zu verbessern und neue nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Das übergreifende Ziel des Graduiertenkollegs TransEvo ist es, bei Doktorandinnen und Doktoranden zwei Hauptkompetenzen zu schulen: die Nutzung von Wissen und Konzepten aus der evolutionsbiologischen Grundlagenforschung, um unser Verständnis für aktuelle Herausforderungen in angewandten Bereichen zu verbessern, und die Nutzung der neu gewonnenen Erkenntnisse, um unser Verständnis der Evolution zu bereichern.

    Über das KEC:
    Das Kiel Evolution Center (KEC) als interaktive Wissenschaftsplattform an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) setzt sich zum Ziel, Evolutionsforscherinnen und -forscher in der Region Kiel besser zu koordinieren. Daneben sollen unter dem Schlüsselbegriff „Translationale Evolutionsforschung“ gezielt Brücken zwischen Grundlagenforschung und Anwendung geschlagen werden. Neben der Förderung der Wissenschaft stehen ausdrücklich auch Lehre und Öffentlichkeitsarbeit im Fokus des Kiel Evolution Center. Daran beteiligt sind neben der CAU auch Forschende vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, dem Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön (MPI-EB) und dem Forschungszentrum Borstel (FZB), Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften.


    Contact for scientific information:

    Prof. Hinrich Schulenburg 

    Sprecher Graduiertenkolleg (GRK) „Translationale Evolutionsforschung“ (TransEvo), CAU:

    Tel.: 0431-880-4141

    E-Mail: hschulenburg@zoologie.uni-kiel.de


    More information:

    https://transevo.de
    https://www.leibniz-gemeinschaft.de//forschung/leibniz-wissenschaftscampi/evolut...
    https://www.kec.uni-kiel.de


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    Rund 80 Forschende diskutieren beim „Evolution by the Sea“-Meeting an der CAU über aktuelle Entwicklungen in der Evolutionsforschung.
    Rund 80 Forschende diskutieren beim „Evolution by the Sea“-Meeting an der CAU über aktuelle Entwickl ...
    © Christian Urban, Uni Kiel
    © Christian Urban, Uni Kiel

    Plenarrednerin Professorin Jessica Metcalf aus Princeton, hier mit Professor Hinrich Schulenburg, erforscht die Zusammenhänge von Pathogenevolution und menschlicher Immunität.
    Plenarrednerin Professorin Jessica Metcalf aus Princeton, hier mit Professor Hinrich Schulenburg, er ...
    © Prof. Hinrich Schulenburg
    © Prof. Hinrich Schulenburg


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research projects, Scientific conferences
    German


     

    Rund 80 Forschende diskutieren beim „Evolution by the Sea“-Meeting an der CAU über aktuelle Entwicklungen in der Evolutionsforschung.


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