Im Laufe der Evolution haben sich Wildschweine (Sus scrofa) weltweit verbreitet und werden in dieser Hinsicht nur vom Menschen und dessen Dauerbegleitern Maus (Mus musculus) und Ratte (Rattus norvegicus) übertroffen. Wesentlicher Faktor der hohen Anpassungsfähigkeit auf unterschiedlichste Umweltbedingungen ist die ausgeprägte Fähigkeit der Wildschweine zur Regulierung ihrer Körpertemperatur. Laut einer aktuellen Studie des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien könnte dadurch der globale Klimawandel für Wildschweine nur geringe Auswirkungen haben.
Evolutionär stammt das Wildschwein von warmen Inseln in Südostasien, ist heute aber auf allen Kontinenten, außer in der Antarktis zu finden. Nahe liegend wäre es, diesen Siegeszug auf die steigenden Umwelttemperaturen zurückzuführen. Für ihre Studie überprüften die Wissenschafter:innen die Hypothese, ob die Temperatur als Lebensraumfaktor im Vergleich zu anderen Lebensraumfaktoren unwichtig ist, weil Wildschweine ausgezeichnete Thermoregulatoren sind. Untersucht wurden 13 erwachsene Weibchen, die im Burgenland in einem Freigehege leben. Ausgestattet waren die Wildschweine mit Sensoren für Herzschlag und Körpertemperatur. Laut den Forscher:innen der Vetmeduni wirkt die Temperatur nur indirekt. Wichtiger ist demnach die reichliche Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen, sie kann die negativen Auswirkungen kalter Winter vollständig ausgleichen.
Wildschweine zeigen hohe Resilienz gegenüber Temperaturunterschieden
„Wir fanden heraus, dass die thermoneutrale Zone im Sommer etwa 6 bis 24°C beträgt. Im Winter liegt die thermoneutrale Zone bei 0 bis 7°C. Zudem ist der Anstieg der Herzfrequenz und des Energieverbrauchs bei Kälte vergleichsweise gering“, so Studien-Erstautor Thomas Ruf vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni. „Dieser relativ geringe Anstieg des Energieverbrauchs bei Kälteexposition stellt das Wildschwein in die Reihe der arktischen Tiere, wie z. B. des Eisbären, während tropische Säugetiere ihren Energieverbrauch um ein Vielfaches erhöhen. Andererseits war die Reaktion der von uns untersuchten Wildschweine auf hohe Umgebungstemperaturen zu allen Jahreszeiten schwach.“
Vorteil in Zeiten des globalen Klimawandels
Für die Thermoregulation sind Wildschweine auf tägliche Zyklen angewiesen, insbesondere auf Rhythmen der subkutanen Temperatur. Dazu Studien-Letztautorin Claudia Bieber, Leiterin des FIWI der Vetmeduni: „Diese ermöglichen es ihnen, mit geringem Energieaufwand große Unterschiede der Haut- und Körperkerntemperatur aufzubauen, was wiederum den Wärmeverlust verringert.“ Laut den Forscher:innen führte vor allem diese Fähigkeit – zusammen mit wirksamen Verhaltensstrategien zum Ausgleich von Hitze – dazu, dass Wildschweine heute die klimatisch unterschiedlichsten Gebiete der Welt bewohnen.
Laut den Wissenschafter:innen wäre es vor diesem Hintergrund keine Überraschung, wenn Wildschweine nur geringe Reaktionen auf den globalen Klimawandel zeigen würden. Allerdings könnte die mit der Klimaerwärmung verbundene, zunehmende Trockenheit zu einer geringeren Nahrungsverfügbarkeit führen und Wildschweine damit vor ein anderes Problem stellen.
Ao.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Thomas Ruf
Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI)
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni)
Thomas.Ruf@Vetmeduni.ac.at
Der Artikel „Thermoregulation in the wild boar (Sus scrofa)“ von Thomas Ruf, Sebastian G. Vetter, Johanna Painer-Gigler, Gabrielle Stalder und Claudia Bieber wurde in „Journal of Comparative Physiology B“ veröffentlicht.
https://link.springer.com/article/10.1007/s00360-023-01512-6
https://www.vetmeduni.ac.at/universitaet/infoservice/presseinformationen/pressei...
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Biology, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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