Das finanzielle Wohlbefinden der Schweizer:innen ist mehrheitlich hoch. Allerdings zeigen sich Geschlechterunterschiede und Abhängigkeiten von Faktoren wie Bildung und Einkommen. Eine ZHAW-Studie bestätigt, dass die Schweiz eine Sparnation ist und Finanzen weiterhin ein Tabuthema sind.
Einkommen, Vermögen und Sparquoten sind in der Schweiz in den letzten Jahren gestiegen. Objektiv betrachtet geht es den Schweizer Haushalten also gut. Auch mit ihrer finanziellen Situation fühlen sich gemäss einer repräsentativen ZHAW-Studie drei Viertel der Schweizer:innen wohl. Forschende der ZHAW School of Management and Law haben sich mit der subjektiven Sicht des finanziellen Wohlbefindens beschäftigt und im Frühjahr 2023 insgesamt rund 1050 Personen in der Deutschschweiz befragt.
Finanzielles Wohlbefinden ist hoch
«Dem finanziellen Wohlbefinden wird aktuell wenig Beachtung geschenkt, obwohl finanzielle Sorgen sich negativ auf andere Lebensaspekte auswirken können», sagt Selina Lehner von der Abteilung Banking, Finance, Insurance der ZHAW. Unter dem finanziellen Wohlbefinden wird ein Zustand definiert, in dem eine Person finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann und sich in Bezug auf die finanzielle Zukunft sicher fühlt. Gemäss der ZHAW-Studie zeigt sich, dass in der Schweiz nur ein Prozent der Befragten ein sehr tiefes finanzielles Wohlbefinden haben. Ein Viertel der Befragten (25 Prozent) verfügt über ein tiefes bis mittel-tiefes und ein weiteres Viertel (26 Prozent) über ein mittel-hohes finanzielles Wohlbefinden. Ein knappes Drittel (31 Prozent) ordnet das finanzielle Wohlbefinden als hoch ein und 17 Prozent als sehr hoch.
Von vielen Faktoren abhängig
Das finanzielle Wohlbefinden ist von Faktoren wie Einkommen, Vermögen, Bildung und Wohnsituation abhängig. Dabei zeigt die ZHAW-Studie, dass das Alter nur begrenzt einen Einfluss hat. Die ältere Generation fühlt sich finanziell leicht wohler. Allerdings haben Frauen und geschiedene Personen ein tieferes finanzielles Wohlbefinden. «Ähnlich wie im internationalen Vergleich konnten wir feststellen, dass ein Vollzeitjob und eine höhere Bildungsstufe auch zu einer höheren Zufriedenheit führen», erläutert Studienleiterin Selina Lehner von der ZHAW. «Zudem fühlen sich Wohneigentümer:innen finanziell wohler als Mieter:innen.» Naheliegend sei deshalb, dass hinsichtlich Einkommen sowie Vermögen und dem finanziellen Wohlbefinden ein weitestgehend positiver Zusammenhang besteht.
Ein hohes finanzielles Wohlbefinden bedeutet aber nicht automatisch, gesamthaft zufrieden zu sein. «Geld allein macht also nicht glücklich. Geld trägt aber sicher dazu bei, finanzielle Ängste zu reduzieren und sorgenfreier den Alltag bestreiten zu können», sagt ZHAW-Forscherin Selina Lehner.
Schweiz bleibt eine Sparnation
Die aktuelle Studie zeigt auch, dass sich das Sparverhalten im Vergleich zu 2018 nur geringfügig verändert hat: Mit 81 und 86 Prozent zeigen sich eine hohe Spar- und Planungsbereitschaft der Schweizer:innen. «Wir sehen im Jahresvergleich vor allem, dass das Sicherheitssparen an Bedeutung gewonnen hat, um sich gegen Unvorhergesehenes finanziell zu polstern», erläutert Selina Lehner. Knapp drei Viertel (71 Prozent) der befragten Sparer:innen legen für das Sparziel «Sicherheit/Freiheit» Geld zur Seite, gefolgt von «Ferien» und der «Altersvorsorge». Personen mit einem höheren finanziellen Wohlbefinden sparen eher und sorgen fürs Alter vor.
«Dennoch ist gerade Sparen für einige nicht einfach – sei es aufgrund des sozioökonomischen Status oder aufgrund der persönlichen Einstellung. Ebenfalls ist unklar, was das finanzielle Verhalten treibt: Möchte jemand sparen, kann aber nicht? Oder will jemand nicht sparen, aber er könnte?», so ZHAW-Forscher Holger Hohgardt. Was Ursache und Wirkung ist, lasse sich nur schwer abschätzen und benötige weitere Untersuchungen.
Finanzthemen sind Tabuthemen
Die Umfrageergebnisse bestätigen, dass über finanzielle Themen in der Schweiz nicht gerne gesprochen wird. So möchten sogar mit guten Bekannten nur 26 Prozent der Befragten über ihre finanzielle Situation sprechen. «Das ist schade. Denn Finanzen sollten – auch aufgrund ihrer Bedeutung für das alltägliche Leben – vermehrt thematisiert werden», sagt Selina Lehner. «Es zeigt sich, dass das finanzielle Wohlbefinden auch mit Disziplin im Spar- und Planungsverhalten sowie einem besseren Finanzwissen erreicht werden kann.» Die Studienverantwortlichen sind deshalb der Meinung, dass das finanzielle Wohlbefinden zukünftig auf verschiedenen Ebenen einbezogen und gefördert werden sollte. So könnte es beispielsweise ergänzend bei Beratungsgesprächen von Finanzdienstleistenden oder innerhalb des betrieblichen Gesundheitsmanagements thematisiert werden.
«Mehr Einkommen, weniger finanzielle Sorgen?»
Die repräsentative Studie «Mehr Einkommen, weniger finanzielle Sorgen? – Erkenntnisse zum finanziellen Wohlbefinden in der Schweiz» der ZHAW untersucht die Psychologie der Haushaltsfinanzen, also die Auswirkungen der Finanzen auf die Psychologie eines privaten Haushalts. Für die Studie wurden im Frühjahr 2023 insgesamt 1054 Personen in der Deutschschweiz befragt. Mit den Ergebnissen aus der Umfrage wurden Vergleiche zu Befragungen aus dem Jahr 2018 gezogen und internationale Vergleiche angestellt.
Selina Lehner, Institut für Wealth & Asset Management, ZHAW School of Management and Law, Telefon +41 58 934 46 82, E-Mail selina.lehner@zhaw.ch
https://www.zhaw.ch/storage/hochschule/medien/news/2023/231031_mm_finanzielles-w...
https://www.zhaw.ch/de/ueber-uns/aktuell/news/detailansicht-news/event-news/das-...
Das finanzielle Wohlbefinden in der Schweiz
Einfluss Haushaltseinkommen auf finanzielles Wohlbefinden
Criteria of this press release:
Journalists
Economics / business administration, Psychology
transregional, national
Research projects, Research results
German
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