Ob Weltklimarat oder die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen: Auf dem Weg zur Klimaneutralität spielen nicht nur erneuerbare Energien eine entscheidende Rolle, sondern auch das Abtrennen und Speichern von CO2. Der Einsatz dieser Technik war in Deutschland schon vor rund zehn Jahren für Kohlekraftwerke im Gespräch – stieß aber auf massiven Widerstand in der Bevölkerung und wurde daher aufgegeben. In Industrieprozessen wie der Kalk- oder Zementproduktion dagegen lässt sich CO2 nicht durch den Einsatz von erneuerbarem Strom vermeiden, sondern ist notwendiger Teil des chemischen Prozesses.
Eine Befragung des Wuppertal Instituts zeigt jetzt: Wenn CCS hier eingesetzt werden soll, ist die Akzeptanz für die immer noch junge Technik bei vielen Menschen überraschend hoch. Für die Politik ergibt sich die Gelegenheit eines Neustarts.
Wuppertal, 1. Dezember 2023: Eine deutliche Mehrheit der Menschen, die CCS kennen, sieht den Einsatz in der Industrie positiv. Das ist das zentrale Ergebnis einer Befragung des Wuppertal Instituts unter verschiedenen Gruppen der Bevölkerung.
“Wir erleben hier einen überraschenden Meinungswandel gerade bei den Menschen, die sich schon mit dem Thema beschäftigt haben”, sagt Katja Witte, Studienleiterin und kommissarische Leiterin der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme am Wuppertal Institut. “Der Einsatz von CCS in der Industrie wird auch von Expert*innen etwa aus Umweltverbänden anders bewertet als CCS für Gas- und Kohlekraftwerke.”
Das Abtrennen von Kohlendioxid aus den Abgasen von Industrieprozessen und die anschließende Einlagerung des konzentrierten CO2 etwa in alten Gas- oder Öllagerstätten nennen Expert*innen “industrial carbon capture and storage” (iCCS). Gremien wie der Weltklimarat gehen davon aus, dass der Einsatz neben Energiesparen, der Erhöhung der Energieeffizienz und dem Ausbau erneuerbarer Energien notwendig ist, um die im Abkommen von Paris vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen. Auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen (NRW) sieht die Technik als wichtigen und notwendigen Baustein für den Übergang zu einer klimaneutralen Industrie bis 2045.
Das Wuppertal Institut hat vor diesem Hintergrund zwei Akzeptanzstudien durchgeführt.
Befragt wurden Expert*innen aus Gewerkschaften, Umwelt- und Industrieverbänden und Unternehmen sowie die Bürger*innen in NRW.
Menschen, die iCCS bereits kennen, bewerten demnach die Technik mit 59 Prozent positiv. Nur zwölf Prozent positionieren sich ablehnend. Die Bewertung ist umso positiver, je stärker der Klimawandel auch als persönliche Bedrohung wahrgenommen wird.
Die Öffentlichkeit ist noch überwiegend uninformiert
Die Studien zeigen aber auch, dass 63 Prozent der Bürger*innen noch “nichts” über die Technik wissen. Und auch diejenigen, die sich schon mit dem Thema beschäftigt haben, sehen zum Teil “hohe Risiken”, etwa beim Transport von CO2 per Lkw und Schiff.
Insbesondere Vertreter*innen der Umweltverbände scheinen weiter die Sorge zu haben, dass CCS doch wieder für die CO2-Abscheidung bei fossilen Kraftwerken quasi “durch die Hintertür” eingeführt wird. Ihnen ist es daher wichtig, dass die Technik eindeutig nur für die Industrie eingesetzt wird.
“Es ist notwendig, die Bürger*innen über den Einsatz von CCS in der Industrie zu informieren und sie proaktiv einzubinden”, ergänzt Katja Witte. Zumal die Befragungen zeigen, dass das Vertrauen gerade in Industrie und Politik am schwächsten ausgeprägt ist.
Das Wuppertal Institut empfiehlt daher im aktuellen In Brief „Akzeptanz von industriellem CCS in Nordrhein-Westfalen – Empfehlungen für Politik und Industrie”, dass:
- bei konkreten CCS-Projekten der Industrie die Sorgen vor Ort ernst genommen und adressiert werden,
- die Einstellungen gegenüber iCCS weiter laufend abgefragt werden und
- die Einsatzbereiche von iCCS klar begrenzt werden, um Vertrauen in die Technik zu schaffen.
“Die Politik kann nun dieses Gelegenheitsfenster nutzen, um mit den Bürger*innen in einen transparenten und umfassenden Austausch für die Planung nächster Schritte zur Umsetzung von iCCS zu kommen”, ist Witte überzeugt.
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Pressemitteilung
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
VisdP: Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer
Kontakt: Christin Hasken, Leitung Kommunikation
Tel.: +49 202 2492-187
E-Mail: christin.hasken@wupperinst.org
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Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Das Wuppertal Institut ist ein führender Think Tank für eine impact- und anwendungsorientierte Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung. Kernauftrag des 1991 gegründeten Wuppertal Instituts ist es, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse einen Beitrag dafür zu leisten, die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Transformationspfaden in eine klimagerechte und ressourcenschonende Zukunft. Dafür entwickeln die Wissenschaftler*innen System-, Ziel- und Transformationswissen und erforschen praxisnahe Leitbilder und Strategien für die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – auf lokaler Ebene, in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt.
→ wupperinst.org
Felix Große-Kreul
Researcher
Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme
Forschungsbereich Strukturwandel und Innovation
Wuppertal Institut
Tel.: +49 202 2492-323
felix.grosse-kreul@wupperinst.org
https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/8382 In Brief: Akzeptanz von industriellem CCS in Nordrhein-Westfalen - Empfehlungen für Politik und Industrie
https://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/1953 Projekt Protanz.NRW
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars
Energy, Environment / ecology, Oceanology / climate, Politics, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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