Forschende von Helmholtz Munich und der LMU haben herausgefunden, dass bei Hirnverletzungen bestimmte Zellen im Gehirn aktiv werden und Eigenschaften von neuronalen Stammzellen aufweisen. Regulator dieser Stammzelleigenschaften ist ein bestimmtes Protein, welches für neue therapeutische Ansätzen genutzt werden könnte. Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft zu einer besseren Behandlung von Hirnverletzungen beitragen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht.
Neurologische Erkrankungen wie Trauma, Schlaganfall, Epilepsie und verschiedene neurodegenerative Krankheiten führen zu einem unumkehrbaren Verlust von Nervenzellen, den Neuronen. Damit beinträchtigen sie die Gehirnfunktion stark. Obwohl diese Erkrankungen weltweit stetig zunehmen, fehlen immer noch effektive Behandlungsoptionen. Die Ursachen sind zum einen, dass verlorene Nervenzellen nicht ersetzt werden können und zum anderen, dass Zellen um die Verletzung herum möglicherweise nicht förderlich für die Genesung sind.
Erkenntnisse aus der präklinischen Forschung zu einem spezifischen Typ von Gliazellen, den sternförmigen Astrozyten, machen jedoch Hoffnung. Gliazellen sind neben den Neuronen eine entscheidende Komponente des Nervensystems und haben eine schützende Funktion. Die neue Forschung zeigt, dass Gliazellen die Zellteilung wieder aufnehmen können und so das Eindringen von Immunzellen bei Hirnschäden verhindern. Darüber hinaus erlangen einige dieser Astrozyten neuronale Stammzelleigenschaften. Stammzellen sind Zellen, die sich selbst erneuern können und verschiedene Zelltypen eines Organs bilden. Neurale Stammzellen können sich selbst erneuern und Neuronen sowie Gliazellen erzeugen. Diese Zellen wurden im Gehirn von Mäusen nach Verletzungen wie Trauma oder Schlaganfall nachgewiesen, bei denen die Blut-Hirn-Schranke beschädigt wurde und so Blut oder Cerebrospinalflüssigkeit, eine schützende Flüssigkeit um das Gehirn herum, eindringen konnte.
Spezifische Reaktion der Astrozyten offenbart neuartige Biomarker und Reparaturquelle im menschlichen Gehirn
Wissenschaftler:innen um Prof. Magdalena Götz von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) zeigen nun, dass sich Astrozyten in erwachsenen menschlichen Gehirnen vermehren und neuronale Stammzelleigenschaften erwerben, sobald die Blut-Hirn-Schranke krankheitsbedingt beschädigt wurde. Die Forschenden endeckten, dass diese Plastizität der Astrozyten eng mit der Hochregulierung des Proteins Galectin 3 verbunden ist. Das Protein ist somit ein Marker für sich teilende menschliche Astrozyten.
Dr. Swetlana Sirko, Erstautorin der Studie, erklärt: "Unsere Ergebnisse sind für die Diagnose und die Beurteilung des neuropathologischen Zustands von Patienten relevant. Die Zusammensetzung der Cerebrospinalflüssigkeit und insbesondere eine Hochregulierung des Galectin 3-Bindeproteins (LGALS3BP) geben Aufschluss über die Astrozytenplastizität im menschlichen Gehirn. Obwohl die genauen Mechanismen noch zu klären sind, könnte die Identifizierung der Galectin 3-LGALS3BP-Achse für die Regulation der Astrozytenplastizität wesentlich zur Entdeckung von Biomarkern für die Vorhersage der proliferativen Astrogliose und ihrer vorteilhaften Modulation im betroffenen Hirngewebe beitragen."
Die Identifikation der zwei entscheidenden Regulatoren der Astrozytenproliferation nach Gehirnschäden ist eine wichtige Grundlage für eine zukünftige klinische Anwendbarkeit dieser Biomarker. Die Biomarker zeigen sowohl die positive Wirkung der Gliazellen und gleichzeitig auch den Stammzellcharakter bei Hirnschäden von Patient:innen. Ein besseres Verständnis der Reaktion von Gliazellen auf Verletzungen ist entscheidend für die Behandlung. Magdalena Götz, Letztautorin der Studie, betont: "Unsere Analyse des vermeintlich langweiligen Stützzelltyps hat die Anwesenheit von neuronalen Stammzellen in den Gehirnen von Patienten mit Trauma oder Schlaganfall gezeigt. Dies ist eine neue und unerwartete Quelle, um abgestorbene Nervenzellen wieder ersetzen zu können."
Über Helmholtz Munich:
Helmholtz Munich ist ein biomedizinisches Spitzenforschungszentrum. Seine Mission ist, bahnbrechende Lösungen für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Interdisziplinäre Forschungsteams fokussieren umweltbedingte Krankheiten, insbesondere die Therapie und die Prävention von Diabetes, Adipositas, Allergien und chronischen Lungenerkrankungen. Mittels künstlicher Intelligenz und Bioengineering transferieren die Forschenden ihre Erkenntnisse schneller zu den Patient:innen. Helmholtz Munich zählt mehr als 2.500 Mitarbeitende und hat seinen Sitz in München/Neuherberg. Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, mit mehr als 43.000 Mitarbeitenden und 18 Forschungszentren die größte Wissenschaftsorganisation in Deutschland. Mehr über Helmholtz Munich (Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH): www.helmholtz-munich.de
Prof. Dr. Magdalena Götz, Direktorin am Institut für Stammzellforschung bei Helmholtz Munich, Lehrstuhlinhaberin des Instituts für Physiologische Genomik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und Wissenschaftlerin beim Munich Cluster for Systems Neurology (SyNergy)
Kontakt: magdalena.goetz@helmholtz-munich.de
PD Dr. Swetlana Sirko, Wissenschaftlerin am Institut für Stammzellforschung bei Helmholtz Munich und am Institut für Physiologische Genomik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Kontakt: swetlana.sirko@med.uni-muenchen.de
Sirko et al. (2023): Injury-specific factors in the cerebrospinal fluid regulate astrocyte plasticity in the human brain. Nature Medicine DOI: 10.1038/s41591-023-02644-6
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Medicine
transregional, national
Research projects, Scientific Publications
German
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