idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
12/21/2023 20:38

Die Fragilität der industriellen Landwirtschaft

Caroline Link Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Wie sich langfristige Stromausfälle auf die Ernährungssicherheit auswirken können – Studie in „Global Challenges“ publiziert

    Die moderne Nahrungsmittelproduktion beruht auf einem komplexen, weltweit vernetzten industriellen Landwirtschaftssystem. Maschinen, Düngemittel und Pestizide ermöglichen hohe Erträge, machen das System jedoch auch anfällig für Störungen. Wie würde sich eine großflächige Beschädigung des Stromnetzes auf die globale Nahrungsmittelproduktion auswirken? Mit diesem Szenario hat sich ein Team von Forschenden unter anderem von der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) beschäftigt. Ihre Studie zeigt: Ein langfristiger globaler Stromausfall könnte zu Ernteausfällen von bis zu 75 Prozent führen. Betroffen wären insbesondere Europa, Nord- und Südamerika sowie Teile Asiens; fehlen würden vor allem Dünger und Pflanzenschutzmittel. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Global Challenges“ veröffentlicht.

    Schwere Schäden an der elektrischen Infrastruktur können zum Beispiel durch Cyberangriffe, geomagnetische Sonnenstürme oder nukleare Detonationen verursacht werden. Derartige Schäden hätten Auswirkungen auf die moderne Landwirtschaft, die stark auf Kraftstoffe wie Diesel und Benzin, sowie Düngemittel und Pflanzenschutzmittel angewiesen ist, für deren Produktion Energie benötigt wird. In der Studie hat das Forschungsteam daher simuliert, dass diese Reserven nach und nach aufgebraucht werden und nicht in den erforderlichen Mengen weiter produziert werden können. Sie konzentrierten sich dabei auf die Auswirkungen auf den Anbau der Grundnahrungsmittel Mais, Reis, Sojabohnen und Weizen.

    „Nach unseren Berechnungen gibt es eine durchschnittliche Ertragsminderung von bis zu 37 Prozent im ersten Jahr nach der Katastrophe, die auf bis zu 48 Prozent ansteigt, wenn alle Bestände aufgebraucht sind“, sagt Mit-Autor Dr. Florian Ulrich Jehn vom Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement an der JLU. „Regional können die Ernteverluste sogar bis zu 75 Prozent erreichen. Dies verdeutlicht, wie anfällig die moderne Landwirtschaft bei einem Zusammenbruch der Energieversorgung ist.“

    Die Auswirkungen eines globalen Stromausfalls wären jedoch nicht auf allen Kontinenten gleich groß: Nach den Prognosen des Forschungsteams wird es besonders hohe Ertragsminderungen bei der Nahrungsmittelproduktion in Europa, in Nord- und Südamerika sowie in Teilen Indiens, Chinas und Indonesiens geben. Afrikanische Länder hingegen, in denen die Landwirtschaft bislang weniger technisch ausgerichtet ist, sind der Studie zufolge bei dem Stromausfall-Szenario widerstandsfähiger.

    „Unsere Studie zeigt, dass es dringend erforderlich ist, landwirtschaftliche Systeme robuster für derartige Störungen zu machen“, so Dr. Jehn. Hier gibt es verschiedene Maßnahmen: Sinnvoll wäre die Produktion einer breiteren Vielfalt an Grundnahrungsmitteln, was gleichzeitig die Biodiversität erhöhen würde. Mit verstärktem ökologischen Landbau ließe sich zudem der Einsatz von künstlichem Mineraldünger und von Pflanzenschutzmitteln verringern. „Darüber hinaus ist eine Reduktion des Energieeinsatzes in der Landwirtschaft notwendig“, sagt Dr. Jehn. „Dies würde auch zum Klimaschutz beitragen.“

    An der Studie waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JLU, der Alliance to Feed the Earth in Disasters (ALLFED) und der University of Canterbury (Neuseeland) beteiligt.


    Contact for scientific information:

    Dr. Florian Ulrich Jehn
    Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement an der JLU
    E-Mail: florian.u.jehn@umwelt.uni-giessen.de
    florian@allfed.info


    Original publication:

    J. Moersdorf, M. Rivers, D. Denkenberger, L. Breuer, F. U. Jehn, The Fragile State of Industrial Agriculture: Estimating Crop Yield Reductions in a Global Catastrophic Infrastructure Loss Scenario. Global Challenges 2023, 2300206.
    https://doi.org/10.1002/gch2.202300206


    Images

    Globale Auswirkungen eines langfristigen Stromausfalls auf die Weizenerträge für Phase 1 (rationierte Düngemittel, Kraftstoff und Pestizide) und Phase 2 (keine Düngemittel, Kraftstoff und Pestizide). Je dunkler die Farbe, desto höher die Ernteeinbußen.
    Globale Auswirkungen eines langfristigen Stromausfalls auf die Weizenerträge für Phase 1 (rationiert ...
    Grafik: Florian Ulrich Jehn


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students
    Energy, Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Globale Auswirkungen eines langfristigen Stromausfalls auf die Weizenerträge für Phase 1 (rationierte Düngemittel, Kraftstoff und Pestizide) und Phase 2 (keine Düngemittel, Kraftstoff und Pestizide). Je dunkler die Farbe, desto höher die Ernteeinbußen.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).