idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
02/06/2024 08:48

Neue Geschäftsmodelle für brasilianische Agrarbetriebe

Sybille Fuhrmann Referat für Kommunikation und Marketing, Team Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Technische Hochschule Köln

    Brasilien ist mit weitem Abstand der weltweit bedeutendste Zuckerrohrproduzent – 715 Millionen Tonnen wurden in 2021 geerntet. Dabei fallen auch große Mengen Biorestmasse an. Diese wird bislang zum größten Teil verbrannt. Ein internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung der TH Köln hat neue Erntetechniken und Prozesse entwickelt, um aus dem bisherigen Abfallprodukt ein attraktives Geschäft zu machen.

    „Pro verarbeiteter Tonne Zuckerrohr bleiben etwa 150 bis 300 Kilogramm an ausgepressten, zerfaserten Stängeln übrig, die sogenannte Bagasse. Bei keiner anderen Kulturpflanze fällt so viel Biomasse an. In der Mehrzahl der zuckerrohrverarbeitenden Betriebe wird diese ineffizient im Zucker- und Alkoholherstellungsprozess verbrannt. Um die Bagasse höherwertig weiterzuverwenden, muss der gesamte Prozess ab der Ernte neu gedacht werden. Das war unsere Aufgabe“, sagt Projektleiterin Prof. Dr. Sabine Schlüter vom Institute for Technology and Resources Management in the Tropics and Subtropics (ITT) der TH Köln. Dabei arbeitete die Hochschule mit diversen brasilianischen und deutschen Partnern zusammen.

    Erntemaschine als Grundlage für höherwertige Nutzung

    In Vorgängerprojekten hatte die Hochschule bereits eine Erntemaschine entwickelt, die vor allem für bäuerliche Kleinbetriebe geeignet ist. Diese brennen bisher kontrolliert ihre Felder ab, um die scharfkantigen Blätter der Pflanze zu entfernen. Anschließend ernten sie das eigentliche Zuckerrohr mit der Machete. Alternativ zur manuellen Vorgehensweise werden auf großen Betrieben schwere Vollernter eingesetzt. Diese effizienten Maschinen zerstückeln die Zuckerrohrstangen, was die Logistik in der hochmechanisierten Ernte vereinfacht, aber auch Nachteile mit sich bringt. „Unsere Maschine geht anders vor: Die Zuckerrohrstange wird gegriffen und Bürsten entfernen die Blätter; die Stange wird an der Basis abgeschnitten und abgelegt. So benötigt man kein Feuer und die Stangen bleiben am Stück. Da kein Saft austritt, ist der Zuckerertrag hoch“, so Carl-Friedrich Gaese, Projektmitarbeiter des ITT.

    Die bestehende Technologie entwickelten die Projektpartner weiter und reduzierten vor allem die Komplexität des Prototyps, so dass dieser einfacher zu bedienen ist. Zudem konzipierte der Projektpartner Schumacher Group ein neues Schnittsystem, das die Pflanze nicht so stark verletzt. Dadurch können weniger Krankheiten in die Schnittstellen eindringen und die Regeneration bis zur nächsten Ernte ist besser. Die Maschine ist als Anhänger für den Traktor aufgebaut, wiegt so nur etwa eine Tonne und verursacht deutlich weniger Bodenverdichtung als herkömmliche Erntemaschinen, die bis zu 16 Tonnen wiegen können.

    Durch Pyrolyse entsteht Biokoks

    Zudem sorgt die Neuentwicklung dafür, dass die Stängel deutlich weniger mit Erde verunreinigt sind, was die angestrebte Weiterverarbeitung der Bagasse mittels Pyrolyse erleichtert. „Bei der Pyrolyse werden organische Substanzen ohne Sauerstoffzufuhr stark erhitzt und dabei gespalten ohne zu verbrennen. Das Ergebnis ist unter anderem Biokoks. Unser Partner REW Regenerative Energie Wirtschaftssysteme GmbH hat eine Anlage errichtet, die diese Behandlung in einem vor Ort sinnvollen Maßstab erlaubt“, erläutert Prof. Dr. Frank Rögener vom Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik der TH Köln. Biokoks kann entweder deutlich effizienter verbrannt werden als die Bagasse selbst oder von den Bauern und Bäuerinnen als Dünger eingesetzt werden. Nach einer weiteren physikalisch-chemischen Behandlung ist auch die Verwendung als Adsorber in der Wasseraufbereitung möglich.

    Durch die Veredelung mittels Pyrolyse entsteht somit ein Produkt, das als Pellet oder Brikett leicht zu transportieren ist und für das es einen internationalen Markt gibt. Dabei ist die Technologie für brasilianische Zuckerrohrfabriken kein Neuland, sondern wird teilweise bereits zur Herstellung von Pyrolyseöl eingesetzt. „Durch unsere Forschungen ist es uns gelungen, einen Prozess von der Ernte bis zum fertigen Produkt aufzubauen. Dessen Wirtschaftlichkeit wurde in einer Masterarbeit an unserer Hochschule bestätigt“, so Schlüter.

    Corona-Pandemie erschwerte Forschung

    Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden Verschlechterung der Importmöglichkeiten nach Brasilien konnten nicht alle Teilaspekte des Projekts unter Realbedingungen erprobt werden. So wurde die Pyrolyse mit aus Brasilien eingeführter Bagasse in Deutschland getestet, während die neue Erntetechnologie nur in einem alten Versuchsstand zum Einsatz kam. Die Einbindung der Pyrolyse in bestehende Betriebe in Brasilien war nicht möglich.

    Über das Projekt

    Das Forschungsprojekt „TRABBIO. Transformation brasilianischer Biorestmassen zu umschlagsfähigen Stoff- und Energieträgern“ wurde von April 2019 bis März 2023 unter Leitung der REW Regenerative Energie Wirtschaftssysteme GmbH durchgeführt. Neben der TH Köln waren auf deutscher Seite das Clausthaler Umwelttechnik Forschungszentrum CUTEC der Technischen Universität Clausthal, die TÜV Rheinland Energy GmbH und die Schumacher Group beteiligt. Brasilianische Partner waren unter anderem die Ländliche Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRRJ), die Zuckerrohrkooperative COAGRO, die nationale Agrarforschungseinrichtung für Böden Embrapa solos und das Staatministerium für Landwirtschaft des Bundesstaates Rio de Janeiro. Gefördert wurde das Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von 3,14 Millionen Euro über das Programm „CLIENT II – Internationale Partnerschaften für Nachhaltige Innovationen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

    Die TH Köln zählt zu den innovativsten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Sie bietet Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland ein inspirierendes Lern-, Arbeits- und Forschungsumfeld in den Sozial-, Kultur-, Gesellschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften. Zurzeit sind rund 23.500 Studierende in etwa 100 Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben. Die TH Köln gestaltet Soziale Innovation – mit diesem Anspruch begegnen wir den Herausforderungen der Gesellschaft. Unser interdisziplinäres Denken und Handeln, unsere regionalen, nationalen und internationalen Aktivitäten machen uns in vielen Bereichen zur geschätzten Kooperationspartnerin und Wegbereiterin.


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Mechanical engineering, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).