Ein internationales Forscherteam hat nachgewiesen, dass ein bisher kaum beachtetes, repetitives DNA-Element, das so genannte „Long Interspersed Nuclear Element“ (L1), zur Erhaltung neuronaler Vorläuferzellen (NPCs) beiträgt und damit eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns von Säugetieren spielt. Die Studie, die kürzlich in der Zeitschrift Cell Reports veröffentlicht wurde, wurde von Tomohisa Toda, Professor für Neuronale Epigenomik an der Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), die mit dem Max- Planck-Zentrum für Physik und Medizin, Erlangen, assoziiert ist, zusammen mit Professor Rusty Gage, PhD, vom Salk Institute, La Jolla, CA USA, angeleitet.
Das menschliche Genom liefert den grundlegenden Bau- und Schaltplan für die komplexe Entwicklung des Gehirns. Je nachdem, welche Gene „ein-“ oder „ausgeschaltet“ sind, vermehren sich Zellen und reifen gezielt zu Neuronen oder anderen Gehirnzellen heran. Ein komplexes Zusammenspiel genetischer und molekularer Faktoren, das noch nicht vollständig erforscht ist, sorgt dafür, dass die Zellen zur richtigen Zeit und am richtigen Ort entstehen, wandern und reifen.
Repetitive Elemente – also DNA-Sequenzen – die aus sich wiederholenden Abschnitten bestehen, machen mehr als die Hälfte des menschlichen Genoms aus. Eines der am häufigsten vorkommenden Elemente ist L1, das fast 20 % des Genoms von Mensch und Maus ausmacht. L1 sind Retrotransposons, d. h. sie können sich selbst an andere Stellen innerhalb der Chromosomen kopieren und einfügen und haben so zur Evolution der Säugetiergenome beigetragen. Repetitive Elemente wie L1 wurden früher als genomischer Müll betrachtet. Zellen unterdrücken L1 typischerweise, da eine unkontrollierte Expression zu genomischer Instabilität führen und die Expression benachbarter Gene negativ beeinflussen kann, was schließlich zu Krebs oder altersbedingten neurodegenerativen Erkrankungen führen kann.
Im Gegensatz zu den bisherigen Erkenntnissen haben Toda, Gage und ihr Team nun gezeigt, dass die Expression dieses sich wiederholenden Elements für die Gehirnentwicklung entscheidend ist. Mit Hilfe komplexer genetischer Experimente, die Tier- und menschliche Stammzellmodelle kombinierten, zeigten die Wissenschaftler, dass das Unterdrücken von L1 eine frühe neuronale Differenzierung auslöst. Im Gegensatz dazu verhinderte die Verstärkung der L1-Expression die frühe Differenzierung in neuronale Vorläuferzellen. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass L1 möglicherweise als epigenetischer Faktor zur Regulierung neuronaler Vorläuferzellen dient.
„Aktiv transkribierende mobile L1-Elemente galten lange Zeit als gefährlich oder schädlich für die Zellen, die sie exprimieren“, so Gage. „Unsere Studie belegt, dass diese evolutionär gesehen sehr alten genetischen Elemente so angepasst wurden, dass sie eine positive Rolle bei der neuronalen Entwicklung spielen.“ Toda fügt hinzu: „In Zukunft könnte das Verständnis, wie L1 die NPCs reguliert, Aufschluss darüber geben, wie sich das menschliche Gehirn entwickelt hat und wie L1 zur pathophysiologischen Entwicklung bei Hirnerkrankungen beiträgt.“
Prof. Dr. Tomohisa Toda / Division ›Neural Epigenomics‹
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
www.fau.de / tomohisa.toda@fau.de
Prof. Rusty Gage, PhD
Laboratory of Genetics
Salk Institute for Biological Studies
www.salk.edu / gage@salk.edu
Originalpublikation in Cell Reports
Toda et al., Long interspersed nuclear elements safeguard neural progenitors from precocious differentiation, Cell Reports (2024)
DOI: https://doi.org/10.1016/j.celrep.2024.113774
Professor Tomohisa Toda, Erlangen (links), und Professor Rusty Gage, La Jolla (rechts)
© Salk Institute
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Medicine, Physics / astronomy
transregional, national
Scientific Publications
German
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