idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/04/2024 10:41

Hate Speech-Forschung: „BoTox“ soll strafrechtlich relevante Hasskommentare im Netz automatisiert erkennen und melden

Simon Colin Hochschulkommunikation
Hochschule Darmstadt

    Es wird gepöbelt, gehetzt, gelogen und zu Gewalt aufgerufen: Hass in den sozialen Netzwerken ist ein Massenphänomen geworden. Doch wie lassen sich mögliche Straftatbestände in Hasskommentaren und Fake News automatisiert erkennen, herausfiltern und schneller ahnden? Damit beschäftigt sich das Forschungsprojekt „BoTox“ der Hochschule Darmstadt (h_da) in Kooperation mit der Hochschule Fresenius. Es wird bis 2025 vom hessischen Innenministerium mit 292.000 Euro gefördert.

    Rassistische, menschenverachtende und sexistische Beschimpfungen, Shit-Stürme oder auch Bedrohungen sind trauriger Alltag in den sozialen Medien. „Wenn aber Sätze auftauchen wie: Ich habe mir eine Waffe gekauft – dann muss die rote Warnlampe aufleuchten“, sagt Prof. Dr. Melanie Siegel. „Das bedeutet eine mögliche konkrete Gefahr, die strafrechtlich erkannt und automatisch an die richtigen Stellen weitergemeldet werden muss.“ Genau daran arbeiten die Computerlinguistin und ihr Forschungsteam vom Fachbereich Media der h_da aktuell in ihrem Forschungsprojekt „BoTox – Bot- und Kontexterkennung im Umfeld von Hasskommentaren“. Hierzu kooperieren sie mit der Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ des Landes Hessen.

    „Unser Fokus liegt auf der Erkennung der strafrechtlichen Relevanz von Hasskommentaren“, sagt Prof. Dr. Melanie Siegel. Die Forschenden wollen ein System entwickeln, das automatisch erkennt, wann Textbeiträge und Kommunikationsverläufe mögliche Aspekte wie etwa Beleidigung, Volksverhetzung oder auch den Aufruf zur Gewalt erfüllen. „Wir haben zwölf unterschiedliche Straftatbestände herausgearbeitet“, so die Professorin. Die neue Anwendung soll mit Hilfe automatischen Lernens und künstlicher Intelligenz diese Inhalte nicht nur erkennen, auswerten und vorklassifizieren, sondern sie auch gleich an die Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ weiterleiten.

    Ziel ist, die Arbeit der Meldestelle zu unterstützen, zu erleichtern und effizienter zu machen. „Damit bei einer Bedrohung schneller agiert werden kann“, sagt die Computerlinguistin. Dafür braucht das Forschungsteam auch juristische Kenntnisse und Grundlagen. Die steuert Prof. Dr. Dirk Labudde von der Hochschule Fresenius in Idstein bei, mit dem Mela-nie Siegel schon bei früheren Projekten zusammengearbeitet hat. Labudde ist juristischer Gutachter und Professor für digitale Forensik.

    Erforschen will das h_da-Team weitere Aspekte. Relevant ist nämlich auch, ob der Hasskommentar von einem Bot, also einem Computerprogramm, oder einem Menschen verfasst wurde. In Zeiten von KI-Anwendungen wie Chat GPT gar nicht so leicht herauszufinden, sagt Siegel. Texte automatisch zu generieren ist wesentlich einfacher geworden. Zwar haben die Entwickler von Open AI ethische Leitplanken in ihre Software eingebaut, aber die lassen sich umgehen, „wenn man die richtigen Fragen und Aufgaben stellt“, so die Professorin.

    Anschauen will sich das Team auch den Kontext, in dem Hass und Hetze auftauchen: Wie verbreitet ist Hassrede insgesamt im Netz und was passiert, wenn User dagegenhalten? Wird es dann besser oder schlimmer? Ist es sinnvoller, die Trolle nicht zu „füttern“, oder sollte man bewusst toxische Aussagen kritisieren? „Was kann man gegen Hasskommentare tun?“, beschreibt die h_da-Expertin den Ansatz.

    Um die Software auf die automatische Erkennung von Hassrede und all diese Aspekte zu trainieren, ist eine große Datenmenge nötig. Damit das System überhaupt lernt zu unterscheiden, brauchen die Forschenden eine ausreichend große Anzahl zutreffender Beispiele von Hasskommentaren, aber auch eine Vielzahl unzutreffender Aussagen. Die Daten sollen zudem die Realität abbilden.

    Hate Speech, sagt Prof. Dr. Melanie Siegel, wird deutlich häufiger von Männern als von Frauen gepostet. Ultrarechte Gruppierungen sind dabei aktiver als ultralinke, so die Erkenntnis. Auch das müssen die Datensätze widerspiegeln. Wichtig ist ebenso die Bewertungsgrundlage. Drei ihrer studentischen Hilfskräfte lesen dieselben Kommentare und be-werten diese dann. Ist es eine extreme Meinung, beleidigend oder schon volksverhetzend? Fallen die Bewertungen ähnlich aus? „Eine Sisyphos-Arbeit“, sagt Siegel.

    Hierbei greifen die Forschenden auf Daten von Social Media-Plattformen wie Telegram, Facebook und You tube zurück. Jedoch nicht mehr auf X (vormals Twitter), da die Kosten für Forschungslizenzen nicht mehr leistbar sind, sagt die Professorin. Hilfreich sind die Daten der Meldestelle „Hessen gegen Hetze“, die zunehmend bekannter wird. Meldeten Userinnen und User anfänglich rund 2000 Kommentare pro Monat, ist es heute die gleiche Anzahl pro Woche.

    Prof. Dr. Melanie Siegel befasst sich als Professorin für semantische Technologien seit 2017 mit Hass und Lügen im Netz und war eine der ersten Wissenschaftlerinnen, die dieses Phänomen im deutschsprachigen Raum intensiv untersucht haben. Die „offensive Sprache im Internet“, so der Fachterminus, ist einer ihrer Forschungsschwerpunkte.

    Ein ausführlicher Artikel zum Thema findet sich in unserem Wissenschaftsmagazin impact: https://impact.h-da.de/

    Hochschule Darmstadt (h_da)
    Die Hochschule Darmstadt (h_da) ist eine der größten deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs). Sie bietet ihren aktuell 14.500 Studierenden ein praxisnahes und anwendungsorientiertes Studium in den Bereichen MINT, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Architektur, Medien und Design. Viele Projekte und Inhalte in Studium, Forschung und gesellschaftlichem Transfer beschäftigen sich mit den Zukunftsthemen Nachhaltige Entwicklung, Mobilität und Digitalisierung. Die h_da betreibt ein eigenes Promotionszentrum Nachhaltigkeitswissenschaften und vergibt als erste und einzige deutsche Hochschule den akademischen Grad eines Doktors der Nachhaltigkeitswissenschaften. Visionär ist die europäische Hochschulallianz „European University of Technology (EUT+)“, der die h_da angehört: Gemeinsam mit acht weiteren Hochschulpartnern und gefördert von der EU-Kommission möchte die h_da zu einem neuen Hochschultyp zusammenwachsen – zur „Europäischen Universität“.

    Website h_da: https://h-da.de/
    Website EUT+: https://www.univ-tech.eu/


    Contact for scientific information:

    Fachliche Ansprechperson für die Medien
    Hochschule Darmstadt
    Fachbereich Media

    Prof. Dr. Melanie Siegel
    Max-Planck-Straße 2 – 64807 Dieburg
    Tel +49 6151 – 533 69394
    Mail melanie.siegel@h-da.de


    Images

    Erforscht das Phänomen Hate Speech: Computerlinguistin Prof. Dr. Melanie Siegel von der Hochschule Darmstadt.
    Erforscht das Phänomen Hate Speech: Computerlinguistin Prof. Dr. Melanie Siegel von der Hochschule D ...
    Steven Wolf
    Hochschule Darmstadt/Steven Wolf


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Information technology, Language / literature, Law
    transregional, national
    Cooperation agreements, Research projects
    German


     

    Erforscht das Phänomen Hate Speech: Computerlinguistin Prof. Dr. Melanie Siegel von der Hochschule Darmstadt.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).