idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/19/2024 12:39

Forschungsteam bildet mit neuer Methode quantenmechanische Eigenschaften von Exzitonen ab

Thomas Richter Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen

    Von OLED-TVs bis zu Solarzellen auf dem Dach – viele elektronische Geräte aus unserem Alltag erfüllen ihre Funktionen, indem Licht und die Materialien von Halbleitern in Wechselwirkung treten. Eine neuartige Klasse solcher Halbleiter basiert auf organischen Molekülen, die größtenteils aus Kohlenstoff aufgebaut sind. Die Wirkungsweise der organischen Halbleiter wird maßgeblich bestimmt durch ihr Verhalten in den ersten Augenblicken, nachdem Licht Elektronen anregt und sich sogenannte Exzitonen bilden.

    Forschende der Universitäten Göttingen, Graz, Kaiserslautern-Landau und Grenoble-Alpes haben erstmals sehr schnell und sehr präzise – in 0,000000000000001 Sekunden und auf 0,000000001 Meter genau – Bilder von solchen Exzitonen aufgenommen. Die Einblicke sind entscheidend, um effizientere Materialien mit organischen Halbleitern zu entwickeln. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

    Wenn Licht auf einen Halbleiter trifft, können einige Elektronen die Energie des Lichts aufnehmen. Das versetzt sie in einen angeregten Zustand. In organischen Halbleitern, die zum Beispiel in OLEDs verbaut sind, ist die Wechselwirkung zwischen den angeregten Elektronen und sogenannten Löchern so stark, dass sie nicht mehr als einzelne Teilchen beschrieben werden können. Stattdessen bilden sich gebundene Elektron-Loch-Paare, Exzitonen genannt. Die quantenmechanischen Eigenschaften dieser Exzitonen in organischen Halbleitern zu verstehen, galt lange Zeit als große Herausforderung – sowohl aus theoretischer als auch aus experimenteller Sicht.

    Eine neue Methode bringt nun Licht ins Dunkle. Wiebke Bennecke, Physikerin an der Universität Göttingen und Erstautorin der Studie, erklärt: „Mit unserem Photoemissions-Elektronenmikroskop können wir erkennen, dass die Anziehungskräfte innerhalb der Exzitonen ihre Energie- und Geschwindigkeitsverteilung deutlich verändern. Wir messen die Änderungen mit extrem hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung und vergleichen sie mit den theoretischen Vorhersagen der Quantenmechanik.“ Diese neue Technik bezeichnen die Forschenden als Photoemissions-Exzitonentomographie. Die Theorie dahinter entwickelte ein Team um Prof. Dr. Peter Puschnig an der Universität Graz.

    Mit ihrer Technik können die Forschenden erstmals die quantenmechanische Wellenfunktion der Exzitonen messen und sichtbar machen. Die Wellenfunktion beschreibt – vereinfacht gesagt – den Zustand eines Exzitons und bestimmt seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Der Göttinger Physiker Dr. Matthijs Jansen verdeutlicht die Bedeutung der Erkenntnisse: „Bei dem organischen Halbleiter, den wir untersucht haben – dem Buckminster-Fulleren, der aus einer kugelförmigen Anordnung von 60 Kohlenstoff-Atomen besteht – stellte sich die Frage, ob sich ein Exziton immer auf einem einzigen Molekül befindet oder ob es über mehrere Moleküle gleichzeitig verteilt sein kann. Diese Eigenschaft kann großen Einfluss auf die Effizienz von Halbleitern in Solarzellen haben.“ Die Photoemissions-Exzitonentomographie liefert die Antwort: Unmittelbar nach der Erzeugung des Exzitons durch Licht verteilt es sich auf zwei oder mehr Moleküle. Innerhalb weniger Femtosekunden, also in einem winzigen Bruchteil einer Sekunde, schrumpft das Exziton allerdings wieder auf ein einziges Molekül zusammen.

    In Zukunft wollen die Forschenden das Verhalten der Exzitonen mit der neuen Methode auf Video aufnehmen. Das birgt Potenzial, so Prof. Dr. Stefan Mathias von der Universität Göttingen: „Wir wollen zum Beispiel sehen, wie die Relativbewegung von Molekülen die Dynamik von Exzitonen in einem Material beeinflusst. Diese Untersuchungen helfen uns, Energieumwandlungsprozesse in organischen Halbleitern zu verstehen. Und wir hoffen, dass dieses Wissen dazu beitragen wird, effizientere Materialien für Solarzellen zu entwickeln.“

    Die Forschung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Sonderforschungsbereiche „Atomare Kontrolle der Energieumwandlung“ und „Mathematik des Experiments“ in Göttingen sowie „Spin+X“ in Kaiserslautern-Landau gefördert. Das Team in Graz wurde durch Finanzmittel aus dem ERC Synergy Grant „Orbital Cinema“ der Europäischen Union gefördert.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Stefan Mathias
    Georg-August-Universität Göttingen
    Fakultät für Physik
    Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen
    Telefon: 0551 39-27601
    E-Mail: smathias@uni-goettingen.de
    Internet: http://www.mathiaslab.uni-goettingen.de

    Dr. G. S. Matthijs Jansen
    Georg-August-Universität Göttingen
    Fakultät für Physik
    E-Mail: gsmjansen@uni-goettingen.de

    Prof. Dr. Peter Puschnig
    Universität Graz
    Institut für Physik
    Universitätsplatz 5, 8010 Graz, Austria
    Telefon: +43 (316) 380 5230
    E-Mail: peter.puschnig@uni-graz.at
    Internet: http://www.homepage.uni-graz.at/en/peter.puschnig


    Original publication:

    Bennecke, W. et al. Disentangling the multiorbital contributions of excitons by photoemission exciton tomography. Nature Communications (2024). DOI: 10.1038/s41467-024-45973-x.


    Images

    Wenn Licht Elektronen im organischen Halbleiter Buckminster-Fulleren anregt, wird das neu gebildete Exziton (heller Punkt) zunächst auf zwei Moleküle verteilt, bevor es sich auf einem Molekül (rechts im Bild) niederlässt.
    Wenn Licht Elektronen im organischen Halbleiter Buckminster-Fulleren anregt, wird das neu gebildete ...
    Andreas Windischbacher
    Andreas Windischbacher


    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Economics / business administration, Materials sciences, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Wenn Licht Elektronen im organischen Halbleiter Buckminster-Fulleren anregt, wird das neu gebildete Exziton (heller Punkt) zunächst auf zwei Moleküle verteilt, bevor es sich auf einem Molekül (rechts im Bild) niederlässt.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).